Champions League Bayern - Real:Eine Niederlage, die Hoffnungen weckt

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Kurz vor Abpfiff gelingt Mark van Bommel im Champions-League-Achtelfinale gegen Real Madrid der 2:3-Anschluss für den FC Bayern - jetzt kann das Rückspiel kommen.

Ottmar Hitzfeld war heiser nach dem Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale gegen Real Madrid. In der Halbzeit war der Trainer des FC Bayern laut geworden. Zu dem Moment lag sein Team 1:3 zurück. "Ich habe der Mannschaft in der Halbzeit gesagt, dass es noch keinen Grund gibt, den Kopf hängen zu lassen", gab Hitzfeld hinterher an: "Ich habe gesagt: 'Wir müssen Madrid unter Druck setzen. Das ist keine Übermannschaft.'" Die Botschaft kam an. Mit einem feinen Schuss nach einem feinen Zuspiel des eingewechselten Mehmet Scholl glückte Mark van Bommel in der 88. Minute das späte 2:3, das die Bayern im Rückspiel am 7. März mit einem 1:0 weiterkommen lässt.

"Jetzt haben wir eine gute Chance, uns zu qualifizieren", glaubt Hitzfeld. Bayern-Präsident Franz Beckenbauer zeigte sich weniger optimistisch. "So viele Fehler wie wir in der ersten Halbzeit gemacht haben, macht man sonst nur in drei oder vier Spielen. Wir haben die Real-Spieler ja geradezu eingeladen, Tore zu machen. Trotz des knappen Ergebnisses warne ich: Wir haben verloren, ein Unentschieden reicht nicht, wir müssen in München gegen Real gewinnen."

Mutiges Schicksalsspiel

Auf die reine Ergebnis-Arithmetik zog sich am Ende auch Real-Trainer Fabio Capello zurück. "Wenn wir gewinnen, sind wir immer zufrieden", sagte er: "Gut gefallen hat mir, dass wir den Ball in der ersten Halbzeit schnell gespielt und den Bayern damit Probleme bereitet haben. Ich bin glücklich, dass wir mit einem kleinen Vorteil nach München fahren." Weil das Team in der spanischen Liga lediglich Rang vier belegt, muss Capello um seinen Job bangen. Eine Niederlage gegen die Bayern hätte für ihn wohl das Aus bedeutet.

Er ging das Schicksalsspiel mutig an. Stürmer Ruud van Nistelrooy, der sich zuletzt oft einsam gefühlt hatte, stellte Capello einen Spielkameraden zur Seite: den 19 Jahre jungen Gonzalo Higuaín, den der Klub im Dezember für zwölf Millionen Euro von River Plate erstanden hatte. Nicht einmal zehn Minuten lang konnte die Bayern-Defensive dem Offensivdrang trotzen.

Als die Uhr mit der Spielzeit neun Minuten und 45 Sekunden zeigte, schickte van Nistelrooy einen feinen Pass in den Lauf von Raúl. Lucio, Daniel van Buyten und Philipp Lahm sahen zu, der herausstürzende Torwart Oliver Kahn erwischte den Ball noch mit der Fußspitze - das frühe Unglück konnte das aber auch nicht mehr verhindern: Lässig schob Raúl die Kugel mit Links neben dem rechten Pfosten zum 1:0 in die Maschen. Es war kein besonders aufwendiger Treffer, eher ein Werk vollendeten Minimalismus. Dass die Bayern diese Stilrichtung auch noch beherrschen, zeigte sich bei einem Freistoß knapp eine Viertelstunde später.

Bis dahin war den Männern in den roten Hemden in der Hälfte der Weißen wenig eingefallen. Roy Maakay und Sebastian Schweinsteiger schossen, so bald sie das Tor erspähten, das Íker Casillas hütete. Gefährlich war das nie. Erst als Willy Sagnol in der 23. Minute einen weiten Freistoß in den Strafraum trat, wurde es turbulent.

Weltfußballer Fabio Cannavaro ließ Lucio in aller Ruhe seinen Kopf in das hohe Zuspiel recken - und so landete der Ball zum Ausgleich im Tor. In dem Moment schien für die Bayern wieder alles möglich. Auch die 80000 Zuschauer im ausverkauften Estadio Santiago Bernabéu registrierten das. Zwei Oberränge hielten dort die Anhänger der Bayern besetzt; sie gaben jetzt den Ton an. Allerdings nicht lange.

Zwei Eckbälle hatten die Bayern schon vergeben, als in Minute 28 Real den ersten zugesprochen bekam. David Beckham schritt zur Eckfahne, um zu demonstrieren, welche Kunst sich mit einem einzigen Tritt vollbringen lässt. Wie ferngesteuert segelte der Ball auf das Haupt von Iván Helguera am Fünfmeterraum und von dort weiter zum entfernten Torpfosten, wo der 1,88 Meter große van Nistelrooy wenig Mühe hatte, den 1,60 Meter großen Philipp Lahm zu überspringen und zum 2:1 einzuköpfeln.

Die Zuordnung war unglücklich, aber sie war zumindest noch zu erkennen. Schon bei der nächsten Standardsituation konnte davon keine Rede mehr sein: Freistoß Beckham im Mittelfeld, Helguera verlängert an der Strafraumgrenze mit dem Kopf, van Nistelrooy stiehlt sich im Rücken von Daniel van Buyten frei - 3:1 (34.Minute). Die Missstände waren offensichtlich und es waren so viele, dass Bayern-Präsident Franz Beckenbauer am Premiere-Mikrofon in der Halbzeitpause Mühe hatte, sie alle aufzuzählen: "Ganz schlecht angefangen", "zu nachlässig", "zu leichtsinnig", "nicht konsequent genug", "das Umschalten dauert zu lange", "die Zuordnung stimmt nicht", "es ist die alte Leier", zürnte der grauhaarige Bayern-Grande.

Trainer Ottmar Hitzfeld reagierte. Er wechselte den gelbverwarnten Demichelis aus und Hasan Salihamidzic ein. Owen Hargreaves rückte weiter in die Mitte. Mehr Druck sollte das bringen. Es brachte wenig. Den meisten Druck entfachte weiter die Nummer 23 der Madrilenen: David Beckham. Der 31-Jährige, der am Saisonende nach Los Angeles wechselt und wegen der Umzugspläne zuletzt zwei Monate lang aus dem Team verbannt worden war, zeigte eine klasse Leistung. Er rannte, grätschte, schlug Flanken, Eck- und Freistöße. Selbst dem belanglosesten Einwurf schritt er engagiert entgegen. Beckham zeigte an diesem Abend ein Fanal des Trotzes, wie es sich die Bayern-Bosse nach dem peinlichen 0:1 am Wochenende in Aachen von ihrer Mannschaft gewünscht hatten.

Unmittelbar vor Anpfiff hatte Trainer Ottmar Hitzfeld noch Mark von Bommel und Roy Makaay noch einmal namentlich zu mehr Engagement aufgerufen. Die Aufforderungen blieben weitgehend fruchtlos. Auch Lukas Podolski bekam eine Chance - 61 Minuten lang. Dann wurde er zurecht ausgewechselt und Claudio Pizarro bekam seine Chance. Er blieb glücklos. Erst als Madrid gegen Ende in Lethargie verfiel, kam van Bommel Hitzfelds Wunsch dann doch noch nach.

© SZ vom 21.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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