Bundestrainer Klinsmann:"Wir wollen Weltmeister werden"

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Bei seiner offiziellen Vorstellung vermittelt Jürgen Klinsmann vor allem Härte, Klarheit und Willenskraft - und setzt sich mit seiner Zielvorgabe selbst unter Druck.

Von Christoph Biermann

Seine letzten Worte waren bewegend, und plötzlich herrschte pietätvolle Stille. Die Aufregungen um den neuen Bundestrainer und die Debatten um die Zukunft des deutschen Fußballs traten im großen Konferenzraum des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt zurück. Es wurde persönlich, als Jürgen Klinsmann danach gefragt wurde, was er sich für seinen 40. Geburtstag wünscht, den er heute feiern wird. "Mein Wunsch ist es, dass mein Vater wieder gesund wird", sagte er, "und ich hoffe, dass er miterlebt, wie wir 2006 Weltmeister werden."

Siegfried Klinsmann, der 71 Jahre alter Vater des neuen Bundestrainers, ist vor kurzem an Magenkrebs erkrankt. Und es war ein besonders eindrücklicher Moment, als sein Sohn Jürgen ihm das Ziel seiner Arbeit widmete. So, als wolle er ihm damit die Kraft zum Weiterleben geben, bis am 9. Juli 2006 in Berlin der Weltpokal übergeben wird.

Schon zu Beginn der Pressekonferenz hatte Jürgen Klinsmann seine Amtsübernahme als einen "sehr emotionalen und schönen Moment" beschrieben. Er sprach vom Stolz, mit dem ihn das erfülle und der Ehre, die das Amt für ihn sei. Er beschwor zudem das "einmalige Erlebnis" einer Weltmeisterschaft im eigenen Land als "eine Chance, die nie wiederkommt". Da klang Klinsmann ganz wie ein Fan, der sich auf das größte Fest freut, dass der Fußball zu bieten hat. Doch selbst wenn er überdies häufig lächelte, war vor allem etwas anderes als Gefühle und Emphase zu spüren.

Unbescheidene Zielsetzung

Mit dem Niedlichkeits-"i" im Namen scheint "Klinsi" in der Tradition der Vorgänger Berti und Rudi zu stehen, doch war bei seiner Vorstellung der stärkste Eindruck einer von Härte, Klarheit und Willenskraft. Man konnte ahnen, dass es unter dem neuen Bundestrainer wenig kuschelig oder gefühlig zugehen wird, selbst wenn Klinsmann das Gegenteil von Bärbeißigkeit oder Verbissenheit verkörpert. Doch allein durch seine Zielvorgabe, das weiß er selbst am besten, hat sich er gewaltig unter Druck gesetzt.

"Die Fans haben den Wunsch, dass wir 2006 Weltmeister werden, und das ist meine Zielsetzung", sagte Klinsmann. Nichts anderes wollte das Publikum von ihm hören, und der Sehnsucht der Öffentlichkeit, das ganz große Ziel anzugehen, beugte er sich. Dazu wollte Klinsmann gleich die Hoffnung verbreiten, nicht nur hohle Worte gesprochen zu haben. "Das Potenzial ist dazu da, etwas zu schaffen, was den Griechen bei der Europameisterschaft gelungen ist", sagte er.

Weil er sich den Ball so weit wie möglich vorlegt hat und damit entsprechend ins Risiko gegangen ist, will Klinsmann jedoch auch die Bedingungen diktieren, unter denen das passiert. "Ich bin mit klaren Vorstellungen in die Partnerschaft gestartet", sagte er. Dazu gehört etwa, dass Klinsmann kein Teamchef ist, sondern neuer Bundestrainer: "Ich habe mich gefragt, warum sollst du denn Teamchef heißen, du hast doch den Trainerschein."

Aber es geht hier nicht nur um Etiketten. Mit dem Mann oder den Männern an seiner Seite wird es keinen idealen Gesamttrainer geben, sondern sie werden seine Assistenten sein, Klinsmann also nachgeordnet. Wer immer die Idee hatte, dass man hier einen populären Ex-Nationalspieler mit irgendwelchen Experten zusammen spannt, der hat sich getäuscht. Das kurze Ende der vorgeschlagenen Zusammenarbeit mit Holger Osieck ist ein deutliches Zeichen dafür.

Die sechs Jahren in den USA scheinen bei Klinsmann jene Charaktereigenschaften gestärkt zu haben, die ihn schon früher auszeichneten. Und es sind nicht jene, die ihn wie einen strahlenden Sonnyboy wirken ließen. Man hätte glauben können, dass er im Surferparadies Kalifornien etwaigen Neigungen zu einem leichten Leben nachgegangen wäre. Doch offensichtlich hat sich in seinem hierzulande weitgehend unbekannten Leben in der Neuen Welt das verfestigt, was schon einst: seine andere Seite war: unerbittlich nie von seinen Zielen abzurücken.

"Ich bin Vizepräsident einer Marketingfirma, leite ein Kinderhilfswerk mit fast 50 Angestellten, ich habe Jugendfußballprojekte aufgebaut und bin sportlicher Berater von Los Angeles Galaxy, die das amerikanische Gegenstück zum FC Bayern sind", zählte er auf, "es hat eine Entwicklung stattgefunden, die mir das Selbstbewusstsein gibt, an eine solche Aufgabe wie die des Bundestrainers heranzugehen."

Lernfähig

Man war bei diesen Äußerungen an den anderen Jürgen Klinsmann erinnert, dem es als Profi wirklich gelungen war, sich bei Tottenham Hotspur eine Aufstellungsgarantie vertraglich zu sichern. Der sogar das Präsidium des FC Bayern mit knallharten Verhandlungen beeindruckte. Der Arsène Wenger in Monaco stöhnen ließ, so einen arroganten Spieler noch nie erlebt zu haben. Und der Berti Vogts noch heute sagen lässt: "Gegen einen Jürgen Klinsmann kannst du keinen Krieg gewinnen." So charmant und gewinnend er auch erscheinen mag, der neue Bundestrainer dürfte vor allem glashart sein.

Zugleich präsentierte er sich jedoch als Lernender. "Ich werde Ratschläge von den Trainern und Managern in der Bundesliga einholen, um mich weiterzuentwickeln", sagte er. Und auf diesem Weg des Lernens schloss er auch Rückschläge nicht aus. "Dass ich Fehler machen werde, ist ganz klar", sagte er, "aber die macht auch jeder Bundesligatrainer."

So blieb am Ende der Eindruck, dass die Balance zwischen Gefühl und Härte so wie das Gleichgewicht zwischen dem Gefühl eigener Stärke und der Offenheit für Korrekturen darüber entscheiden könnte, ob Jürgen Klinsmann als Bundestrainer erfolgreich sein wird.

© Süddeutsche Zeitung vom 30.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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