Bundestrainer:Der Job, den keiner mag

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Der 55-jährige Holger Osieck wird dem designierten DFB-Teamchef Jürgen Klinsmann nicht als erster Trainer zur Verfügung stehen. Sie hatten sich nicht auf einen gemeinsamen Kurs verständigen können. Die endlose Geschichte von der Trainersuche geht weiter. Neuester Kandidat: Ralf Rangnick.

Noch nicht mal im Amt, aber schon die erste Niederlage kassiert: Durch die völlig unerwartete Absage von Holger Osieck hat der designierte DFB-Teamchef Jürgen Klinsmann bei der Zusammenstellung seines Funktionsteams für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft einen schweren Rückschlag hinnehmen müssen.

Der 55-jährige Osieck, der als erfahrener Coach an der Seite des "Trainer-Greenhorns" Klinsmann vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) fest eingeplant war, verweigerte nach einem langen Gespräch mit dem 39-Jährigen am Dienstag dem 108-maligen Nationalspieler die Gefolgschaft. Als heißer Kandidat für den Posten des Bundestrainers wird nun der momentan arbeitslose Ex-Bundesligacoach Ralf Rangnick gehandelt, der aus seiner Zeit beim VfB Stuttgart über beste Kontakte zu DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und vor allem zu Klinsmann selbst verfügt.

"Im Zuge der Gespräche über die sportliche Leitung der deutschen Nationalmannschaft haben sich Jürgen Klinsmann uund Holger Osieck zu einem Gedankenaustausch getroffen. Die Aussprache fand in angenehmer und konstruktiver Atmosphäre statt. Übereinstimmend kamen Jürgen Klinsmann und Holger Osieck dabei zu dem Ergebnis, dass sie sich nicht über eine Zusammenarbeit verständigen konnten", hieß es in einer offiziellen Mitteilung des DFB.

Raum für Spekulationen

Der Verband wird auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in seiner Zentrale in Frankfurt "über die weiteren Personalplanungen und -entscheidungen" informieren. "Weitere Kommentare in dieser Angelegenheit einschließlich der Personalie Oliver Bierhoff geben wir bis zur Pressekonferenz nicht ab", sagte DFB-Pressesprecher Harald Stenger und öffnete damit auf Anweisung von oben ungewollt mal wieder Spekulationen Tür und Tor.

Osieck, dessen Arbeitgeber Fifa lediglich bestätigte, dass der ehemalige Assistent von Weltmeister-Teamchef Franz Beckenbauer weiterhin Leiter der Abteilung Technische Entwicklung des Weltverbandes bleibe, konnte mit den revolutionären Vorstellungen Klinsmanns, der nach amerikanischen Vorbild einen komplexen und Trainer- und Betreuerstab um das DFB-Team aufbauen möchte, offenbar nichts anfangen. Kanadas früherer Nationalcoach war zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen.

Klinsmanns Berater und Freund Roland Eitel wollte von einer Absage Osiecks aber nichts wissen. "Es gibt Momente im Leben, wo man zum Schluss kommt, dass es für beide Seiten unter diesen Bedingungen nicht passt und es keinen Sinn macht. Dies als Absage von Holger Osieck zu interpretieren, entspricht aber nicht der Wahrheit und ist schlichtweg falsch", erklärte der Stuttgarter auf Anfrage des sid und fügte hinzu: "Es ist klar, dass Jürgen einen Mann an seiner Seite braucht. Das wird in Angriff genommen." Eitel bestätigte aber, dass Klinsmann weiter zu seiner Zusage steht, für zwei Jahre beim DFB als Teamchef zu unterschreiben, und dementsprechend auch am Donnerstag auf dem DFB-Podium sitzen wird.

Ob fünf Wochen nach dem Rücktritt des bisherigen Teamchefs Rudi Völler ein neuer Trainer mit Erfahrung als erster Klinsmann-Assistent - möglicherweise Rangnick - präsentiert wird, steht in den Sternen. Völler selbst meinte auf sid-Anfrage: "Als ich davon erfahren habe, war ich genauso überrascht wie alle anderen. Jetzt muss man wieder einen neuen Trainer suchen."

Bis Donnerstag sollte auch die Personalie Oliver Bierhoff geklärt sein, der das neu zu schaffende Amt des Teammanagers übernehmen soll. Nachdem in einem mehrstündigen Gespräch von Mayer-Vorfelder und dem ehemaligen DFB-Kapitän am Dienstag in Stuttgart über inhaltliche Dinge gesprochen worden war, standen bei einer zweiten Runde am Mittwoch in der DFB-Geschäftsstelle zwischen Bierhoff und seinem Berater Peter Olsson auf der einen sowie DFB-Schatzmeister Dr. Theo Zwanziger und Verbands-Generalsekretär Horst R. Schmidt vor allem Vertragsmodalitäten einschließlich der finanziellen Konditionen im Mittelpunkt.

Der 36-jährige Bierhoff selbst käme dem Verband in einem wichtigen Punkt entgegen, indem er zumindest bis zur WM 2006 auf seinen Privatvertrag mit einem US-Sportartikel-Giganten (Nike) verzichten würde. "Mir ist klar, dass es nicht sein kann, dass ich bei der Nationalmannschaft in Nike rumlaufe, wenn der Verband einen Vertrag mit adidas hat", sagte Bierhoff.

Schock über Osieck-Absage

Der frühere Sturmpartner von Klinsmann fühlt sich aber unter Druck gesetzt, da er im Gegensatz zu den anderen Hauptdarstellern erst am Dienstag in die Verhandlungen miteinbezogen wurde und sich innerhalb von zwei Tagen entscheiden soll. Gesprächsthema am Mittwoch war aber die Nachricht von der geplatzten Zusammenarbeit mit Osieck, die beim Internationalen Trainer-Kongress des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) in Halle/Westfalen kurzfristig für einen Schockzustand sorgte.

"Die Nachricht ist wie eine Bombe eingeschlagen. Jetzt muss der DFB bei einer Suche nach einem erfahrenen Trainer wieder bei null anfangen. Das Problem wird sein, dass sich nun jeder andere, der auf diesen nach wie vor begehrenswerten Posten angesprochen wird, wie eine zweite Wahl vorkommen muss", kommentierte BDFL-Präsident Horst Zingraf die Meldung des Tages und nahm zugleich den DFB in die Pflicht: "Die depressive Stimmung ist leider nicht überwunden. Ich hoffe nur, dass der DFB dieses Mal an einen Plan B gedacht hat und nicht wieder ratlos dasteht. Der Verband und Klinsmann sind nun gefordert, eine vernünftige neue Mannschaft zu stellen."

Nationalmannschafts-Kapitän Oliver Kahn wollte die neue Situation nicht mehr kommentieren: "Ich sage erst wieder was dazu, wenn alles in trockenen Tüchern ist." Auch Klinsmanns früherer Mitspieler Matthias Sammer, seit Saisonbeginn Trainer des VfB Stuttgart, meinte: "Im Moment kann mich nichts mehr überraschen. Ich rechne mit allem, bevor nichts endgültig feststeht. Solange nichts fix ist, sollte man sich mit Äußerungen ein Stück zurückhalten."

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