Bundesliga:Wolfs Schatzkammer

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Kaiserslautern macht sich Mut für das Abstiegsfinale in Wolfsburg. Für viele ist es das Duell zwischen Tradition und Retorte.

Tobias Schächter

"Die Außenseiterolle ist ein Schlüssel für die Schatzkammer unermesslicher Kräfte, die - geweckt und geschürt - Energien freisetzt, die helfen Berge zu versetzen." Solche Sätze stehen in Poesiealben oder fallen bei Festreden.

Wolfgang Wolf will ihn packen, den Klassenerhalt. (Foto: Foto: ddp)

Oder sie stehen, wie hinter der Westtribüne des Fritz-Walter-Stadions in Kaiserslautern, in Stein gemeißelt auf einem Denkmal. Auf dem thronen die in Bronze gegossenen Köpfe von Fritz und Ottmar Walter, Werner Liebrich, Horst Eckel und Werner Kohlmeyer - jene fünf Fußballer, die einst den Namen des FCK in die Welt getragen haben und mit Deutschland 1954 durch den 3:2-Sieg gegen Ungarn Weltmeister geworden sind.

Die noch lebenden Horst Eckel und Ottmar Walter waren am vergangenen Samstag bei der Einweihung des Denkmals zugegen, und Ottmar Walter meinte: "Wenn es am letzten Spieltag zum Endspiel kommt, dann kann es klappen mit dem Klassenerhalt."

Tatsächlich: Gewinnen die Lauterer am Samstagnachmittag in Wolfsburg, steigt der VfL ab, und eine "für den FCK katastrophale Saison wäre doch noch gerettet", wie Trainer Wolfgang Wolf sagt. Er fügt hinzu: "Das wäre wirklich ein Wunder."

Sympathien liegen bei Lautern

Tradition gegen Retorte, so wird dieses Spiel von vielen Fußballfans wahrgenommen, die Sympathien liegen auf Seiten der Lauterer. Auch das ist eine unerwartete Wendung für den jahrelang als Chaosklub aus der Provinz wahrgenommenen FCK. Der Satz auf dem Denkmal stammt übrigens von Sepp Herberger.

Wolfgang Wolf könnte ihn aber auch gesagt haben. Lange schienen Wolfs Sprüche ("Ein Pfälzer gibt nie auf") nur das Pathos eines Mannes zu sein, der für solche Durchhalteparolen bezahlt wird.

Nach einer desolaten Vorrunde mit nur zwölf Punkten schien das Verhältnis zwischen Fans und Verein zudem zerrüttet zu sein. Das hat sich wieder geändert, und auch wenn das große Ende noch aussteht: Selbst im Falle des Abstiegs besteht die Chance auf Versöhnung zwischen dem Klub und seinen leidgeprüften Anhängern.

Erstaunlicher Stimmungswandel

"Auswärtssieg, Auswärtssieg", riefen die Fans nach dem 1:1 gegen die Bayern vor einer Woche ihrer Mannschaft hinterher, so laut, wie man es seit dem Gewinn der letzten deutschen Meisterschaft 1998 in der Pfalz nicht mehr gehört hat.

Dieser Stimmungswandel ist vielleicht noch erstaunlicher als die Tatsache, dass der Klub überhaupt noch die Chance hat, dem Abstieg zu entgehen. Es sind die Talente aus dem eigenen Nachwuchs, Halfar, Schönheim, Fromlowitz und Reinert, die der Mannschaft neues Leben und dem Publikum wieder ein Gefühl der Identifikation geschenkt haben.

"Diesen Aufschwung mit 20 Punkten in der Rückrunde haben wir vor allem der Unbekümmertheit unserer Nachwuchsspieler zu verdanken", glaubt Wolf. In Nürnberg, wo er im Oktober entlassen wurde, geriet ihm der Einsatz junger Spieler zum Verhängnis, in Kaiserslautern bedeutet sein Mut vielleicht die Rettung eines vermeintlich ausgebrannten Klubs.

Es regiert die Zuversicht

Fünf Jahre war Wolf Trainer in Wolfsburg, bevor sie den pfälzerlnden Schaffer dort nicht mehr als standesgemäß für ihre großen Ziele erachteten. Rachegefühle hegt der 48-Jährige nicht. Ganz im Gegenteil, er sagt: "Es ist tragisch, dass einer absteigen muss."

Obwohl der 1. FC Kaiserslautern in der Bundesliga noch nie in Wolfsburg gewonnen hat und den Niedersachsen im Heimspiel ein Unentschieden genügt, regiert in der Pfalz Zuversicht.

"Wir sind überzeugt, es zu schaffen", sagte Fabian Schönheim im Namen seiner Mitspieler, die im Trainingslager im hessischen Marburg Lockerheit zur Schau trugen - und dies nicht mal vorspielen mussten. So versuchten sie, die Euphorie durch eine lange Woche zu retten. "Wolfsburg hat mehr Druck", behauptet Wolfgang Wolf - und weiß, dass dies nicht mal die halbe Wahrheit ist.

Während der VfL bei einem Abstieg noch mindestens ein Jahr lang die üppigen Alimente des VW-Konzerns erwarten darf, ginge der FCK mit einem Etat von nur neun Millionen Euro in die Zweitligasaison und vieles, wie zum Beispiel die Bewertung der im Sommer endenden Ära des Vorstandsvorsitzenden Rene C. Jäggi, würde erneut hinterfragt werden.

Trainer Wolfgang Wolf weiß auch, dass die Talente Begehrlichkeiten anderer Klubs geweckt haben. "Die Jungen sind unsere Zukunft, wir werden keinen abgeben", verspricht er und verbindet damit die Vision von seinem künftigen Team: "Die Leute sollen sagen: Jawoll, das sind unsere Jungs."

© SZ vom 13.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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