Bundesliga:Werders Meisterstück

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Von Nervenflattern keine Spur: Tabellenführer Werder Bremen hat zwei Spieltage vor dem Saisonende den Titel klar gemacht. Mit einem überzeugenden 3:1 - ausgerechnet gegen Erzrivalen und Verfolger Bayern München. Einen folgenschweren Patzer leistete sich dabei Nationaltorhüter Oliver Kahn.

Damit ist der SV Werder Bremen zum vierten Mal nach 1965, 1988 und 1993 deutscher Fußball-Meister. Mit dem 3:1-Triumph beim nun entthronten Titelverteidiger Bayern München krönten die Bremer am Samstag ihre erfolgreiche Saison. Ivan Klasnic (19.), Johan Micoud (26.) und Ailton (35.) mit seinem 27. Saisontreffer erzielten die Tore für die Hanseaten, die zum 23. Mal in Folge ungeschlagen blieben und ihren Vorsprung vor dem Rekordmeister auf uneinholbare neun Zähler ausbauten.

Klassisch ausgespielt

Vor 65.000 Zuschauern im ausverkauften Münchner Olympiastadion trumpfte Werder im Stile einer Klassemannschaft auf und ließ dem FC Bayern keine Chance. Der Rekordchampion erlitt die erste Schlappe vor heimischem Publikum seit dem 12. April 2003, als sich ebenfalls Werder Bremen als stärkere Mannschaft erwies. Mit einem schweren Patzer gegen Klasnic leitete ausgerechnet Oliver Kahn die Bayern- Pleite ein, danach wurden die Münchner bei der 275. Niederlage ihrer Bundesliga-Geschichte klassisch ausgespielt. Das 1:3 durch den zum 23. Mal erfolgreichen Roy Makaay (56.) änderte daran nichts mehr.

Während die Bremer Mannschaft sofort in die Werder-Fankurve eilte, stand Trainer Thomas Schaaf minutenlang alleine im Stadion und ließ den Jubel fast in sich gekehrt auf sich wirken, ehe er sich auch von den Anhängern feiern ließ. Doch seine erste Reaktion verriet auch im Erfolgsfall Nüchternheit: "Ich glaube, es ist sensationell, was die Mannschaft geleistet hat." Top-Torjäger Ailton kniete auf dem Rasen und schluchzte, dann fiel er Manager Klaus Allofs in die Arme. Zu den ersten Gratulanten gehörte Uli Hoeneß. Anschließend verließ der Bayern-Manager allerdings kommentarlos das Stadion.

Ausgerechnet Nationaltorhüter Oliver Kahn leitete mit einem "Blackout" das Desaster für die von ihren Fans ausgepfiffenen Bayern ein. Einen harmlosen Pass von Ailton auf Klasnic, den der aus seinem Tor stürzende Bayern-Kapitän eigentlich nur aufnehmen musste, ließ er aus den Händen gleiten - Klasnic "bedankte" sich und schoss ein.

Dieser Fehler - vor den Augen von DFB-Teamchef Rudi Völler - war noch unverzeihlicher als jener beim 1:1 gegen Real Madrid, der für das Ausscheiden aus der Champions League maßgeblich gewesen war. Auch im Spiel der letzten Titelchance war der Fauxpas der Anfang vom Ende. "Das ist nicht zu erklären, das passiert ihm normalerweise nicht", kommentierte Völler den Aussetzer des Nationaltorhüters. Der Schock wirkte sich auf die gesamte Mannschaft aus, die bis dahin allerdings auch nur einen Warnschuss von Makaay zu Stande gebracht hatte (13.) und in der Folge förmlich auseinander brach.

Coole Bremer

Die coolen Bremer, die laut Bayern-Manager Uli Hoeneß aus dem mit 65 000 Zuschauer ausverkauften Olympiastadion "niedergemacht" und "weggefegt" werden sollten, konnten nun schalten und walten, wie sie wollten. Spielmacher Micoud düpierte Kahn nach Zuspiel von Fabian Ernst mit einem Heber. Und Ailton machte noch vor der Halbzeitpause den Albtraum für Kahn komplett, als er den Bayern-Kapitän aus halbrechter Position mit einem Kunstschuss aus 20 Metern überwand.

"Du musst in so einem Spiel brennen wie eine Fackel, aber bei uns brennt keiner", schimpfte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge zur Pause. Nach dem Wechsel bot sich den nicht aufgebenden Bayern urplötzlich noch einmal die Chance zur Aufholjagd: Aber Makaay per Fuß (48.) und Claudio Pizarro mit dem Kopf (54.) vergaben zwei Großchancen.

Als Makaay dann doch das 1:3 gelungen war, konzentrierten sich die Bremer wieder mehr. Ailton hatte sogar die Möglichkeit zu einem zweiten Treffer (67.). Bayern kämpfte - und die Werder-Fans tanzten schon auf den Rängen und besangen Trainer Schaaf als "den besten Mann". Nach dem Schlusspfiff kannte der Bremer Jubel keine Grenzen mehr, während die Bayern frustriert vom Platz gingen. Den Bayern- Verantwortlichen blieb nur, Werder zu gratulieren: "Bremen ist verdient deutscher Meister geworden. Sie haben uns in der ersten Halbzeit eine Lektion erteilt. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir zuletzt nach einer Halbzeit 0:3 zurückgelegen haben", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

Die höchste Bayern-Schlappe der Saison konnte der VfB Stuttgart nicht für sich nutzen. Der Tabellen-Dritte verlor beim Hamburger SV mit 1:2 und verpasste die Chance, bis auf einen Punkt an die Münchner Bayern heranzukommen. Die Teilnahme am UEFA-Cup sicher hat Bayer Leverkusen, das mit dem 2:0 gegen Absteiger 1. FC Köln Rang vier festigte und nun sogar wieder den Qualifikationsplatz für die Champions League im Blickfeld hat.

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