2. Bundesliga:Untergang in Unterhaching

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Der TSV 1860 lässt jede Fußballkultur vermissen und verliert 1:5 beim Angstgegner.

Markus Schäflein

Es hätte so ein schönes Wochenende für die Münchner Löwen werden können. Am Samstagnachmittag hatten sie es in einer dreistündigen Delegiertenversammlung endlich geschafft, einen neuen Aufsichtsrat zu wählen, und am Sonntag wartete mit der SpVgg Unterhaching die vermeintlich leichtere Aufgabe.

"Fußballkultur" forderte 1860-Trainer Walter Schachner, schließlich seien seine Spieler weit begabter als die in der Abstiegszone beheimateten Unterhachinger, und 1860-Mittelfeldspieler Danny Schwarz präzisierte, was man sich darunter vorzustellen habe: "Fußballkultur ist, wenn's flutscht." Aber das Spiel der Löwen flutschte nicht im geringsten - es hoppelte, quietschte, und es endete mit einer blamablen und schmachvollen 1:5-Niederlage.

"Für diese Vorstellung schäme ich mich", sagte Schachner. "Das ist nicht meine Philosophie, so unterzugehen." Man hätte Unterhaching mehr Respekt zeigen müssen, das hätte er der Mannschaft gesagt, und es sei nicht eingehalten worden. "Keinen Ball gehalten, technische Fehler, keinen Zweikampf gewonnen, so kann man gegen keine Mannschaft gewinnen", sagte Walter Schachner. "Nach so einem Spiel muss man sich nach unten orientieren."

Der TSV 1860 hatte noch nie im Sportpark gewonnen. Aus dieser Statistik schöpften die zahlenmäßig unterlegenen Anhänger der Unterhachinger Selbstvertrauen: "Der Derbysieger grüßt die Tochtergesellschaft des FC Bayern", stand auf einem Transparent. Mit ähnlichem Selbstbewusstsein präsentierten sich auch die Hachinger Spieler. Die von Schachner eingeforderte Fußballkultur bot nur die SpVgg.

Von ihrem mutigen, offensiven Start waren nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Löwen überrascht. Ivica Majstorovic schoss zunächst noch ungedeckt weit neben das Tor, aber dann durfte Kapitän Stefan Buck den Ball nach elf Minuten im Strafraum mit der Brust annehmen, ihn sich zurecht legen und mit einem trockenen Schuss ins Netz befördern.

Nur Lars Bender blieb stehen

Nach 20 Minuten übernahm der TSV 1860 kurzzeitig die Regie, Antonio Di Salvo köpfte nach einer Freistoßflanke von Daniel Baier in die Arme von SpVgg-Torwart Philipp Heerwagen, von Flutschen konnte allerdings weiterhin keine Rede sein. Die Hachinger waren mit ihren Kontern gefährlicher.

Robert Lechleiter lief auf Zuspiel von N'Diaye alleine aufs Tor zu, scheiterte aber an Keeper Michael Hofmann. Paul Thomiks Schuss aus 20 Metern ging knapp daneben. Die beste Chance auf den zweiten Treffer vergab Stürmer Michal Kolomaznik, er drosch den Ball vom Elfmeterpunkt ungedeckt in Richtung Sportgaststätte.

Michal Kolomaznik stand unter besonderer Beobachtung - schließlich spielte er in der vergangenen Saison noch beim TSV 1860 und war dort nicht mehr erwünscht. In Unterhaching gelangen ihm erst zwei Tore, die Presse-Information der SpVgg wies für ihn Platz 48 der Zweitliga-Torschützenliste aus. "Wenn er es bei uns nicht schafft, dann nirgends mehr", hatte Hachings Vizepräsident Peter Grosser vor dem Derby gesagt. Kolomaznik präsentierte sich dementsprechend sehr motiviert, mit guten Szenen auf den Außenbahnen.

Aber für die Demütigung des großen Nachbarn in der zweiten Hälfte waren andere zuständig: Robert Lechleiter, der nach einem Doppelpass mit Buck Marcel Schäfer umkurvte. Buck mit dem Kopf, als Innenverteidiger Torben Hoffmann zu spät kam. Verteidiger Darlington Omodiagbe, der höher sprang als Nemanja Vucicevic. Und schließlich der eingewechselte Bruno Custos. Bei allen Toren sah die Hintermannschaft des TSV 1860 miserabel aus - die Hachinger waren so irritiert, wie einfach sie zu Chancen kamen, dass sie eine Reihe davon verblüfft ausließen.

Omodiagbes 4:0 bedeutete eine besondere Blamage für die Abwehr, denn es fiel nach einer Ecke, und Unterhachinger Tore bei Standardsituationen sind so selten wie Vegetarier in der Metzgerei. Markus Thorandts 1:4 (87.) sahen die meisten Fans der Löwen nicht mehr, sie waren längst auf dem Weg nach Hause.

"Das war eine katastrophale Leistung", gab Verteidiger Gregg Berhalter niedergeschlagen zu, während sich die meisten Löwen-Profis wortlos verkrochen. Nur der erst 17-jährige Lars Bender, der eingewechselt worden war, blieb tapfer stehen. Er hatte "großteils individuelle Fehler" gesehen, die unerklärlich seien: "Wir hatten uns echt was vorgenommen, mit drei Siegen im Rücken."

Währenddessen verdrückte Unterhachings Trainer Harry Deutinger ein paar Freudentränen: "Ich bin richtig stolz, heute dürfen wir uns einfach nur freuen." Für seine Mannschaft war der Sieg enorm wichtig, weil viele Konkurrenten um den Klassenerhalt an diesem Spieltag ebenfalls gewannen. Stürmer Babacar N'Diaye lieferte im Überschwang den Satz des Tages: "Gegen uns haben die Löwen immer ein Problem", räumte er ein, "aber so schlecht sind sie auch wieder nicht."

© SZ vom 4.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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