Bundesliga:Jetzt wird Holz nachgelegt

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Der 1.FC Köln prüft 21 Kandidaten und fällt eine originelle Entscheidung: Der Schweizer Latour wird Trainer.

Christoph Biermann

Ein wenig machte es den Eindruck, als hätte Michael Meier auf der Fischauktion einen schon etwas merkwürdig riechendes Exemplar anzubieten. Als der Manager gestern den neuen Trainer des 1.FC Köln vorstellte, sprach er nämlich "von einer Wahl, bei der gewisse Vorurteile eine Rolle spielen".

Außerdem hätte Hanspeter Latour von den Grasshoppers Zürich "vielleicht einen nicht so ganz klangvollen Namen". Doch der nickte zu dieser ziemlich defensiven Anmoderation nur freundlich und blitzte vergnügt mit den Augen. Schließlich war auch Latour nicht der Meinung gewesen, dass es um ihn und den Trainerjob in Köln ging, als sich Meier beim ihm gemeldet hatte: "Ich dachte, jetzt verlierst du wieder einen Spieler in die Bundesliga."

Zweifellos ist es eine originelle Lösung, die sich der Abstiegskandidat im Kampf um den Klassenerhalt hat einfallen lassen. Leicht haben es sich Meier und Klubpräsident Overath dabei nicht gemacht. Mit angeblich 21 Kandidaten waren Gespräche geführt worden, in denen Latour langsam zum Favoriten wurde.

Auch, nachdem bei Ottmar Hitzfeld, Günter Netzer und Karlheinz Riedle, der als Berater für Grasshoppers Zürich arbeitet, Expertisen eingeholt wurden. "Sie haben gesagt, dass er diesen Weg gehen kann, wenn wir den Mediendruck aushalten", erklärte Meier.

"Es gab sicherlich Trainer, die uns mehr geschützt hätten", sagte Overath. So aber versteckt sich der Klub nicht hinter einem großen Namen, sondern entschied sich für einen Coach, der die Verantwortlichen im Wortsinne überredet zu haben scheint. "Wir haben fünf Stunden mit ihm geredet, am Ende war er besser drauf als vorher", erzählte Kölns Präsident.

Ein großer Motivator

Latour ist der zweite Schweizer Trainer, der den 1.FC Köln vor dem Abstieg retten soll. Seinem Vorgänger in dieser Rolle, Marcel Koller, gelang das vor zwei Jahren nicht, doch verkörpern beide deutliche Gegensätze. Seinen Landmann beschreibt der dezente Koller als "hemdsärmelig" und als einen Coach, "der über die Motivation kommt". So stellte sich Latour auch in Köln vor. "Es muss Holz nachgelegt werden, damit das Feuer wieder lodert", sagte er auf die Frage, wie er in Köln den Abstieg verhindern will.

"Fußballer müssen in einen Grenzbereich getrieben werden, und die Mittel, die dem Trainer dazu zur Verfügung stehen, sind unter anderem die Sprache, die Gestik sowie starke Sinnbilder", hatte er in der Vergangenheit schon erklärt.

Mit solchen Ideen ist der 58-Jährige zum Spätzünder geworden. Lange Jahre seiner Trainerkarriere arbeitete der ehemalige Torwart bei unterklassigen Klubs, davon 13 Jahre lang beim FC Solothurn. Erst über die Arbeit als Assistent von Christian Gross rutschte er spät doch noch in den Schweizer Spitzenfußball. Mit dem heutigen Trainer des FC Basel verbindet Latour eine Freundschaft, dennoch wurde er mit dem FC Thun zu seinem Herausforderer.

Innerhalb von vier Jahren verwandelte Latour den Klub aus dem Berner Oberland trotz Mini-Etat von einem anonymen Zweitligisten in einen Spitzenklub. Dass es der FC Thun in dieser Saison bis in die Champions League schaffte, verdankt er seiner Vorarbeit. Mit einem Sinn für PR gab er dem Newcomer im Schweizer Fußball zudem ein Gesicht. Mit guten Sprüchen und leicht exzentrischen Auftritten an der Seitenlinie wurde er "ein kleiner Kult", wie sein Kollege Koller sagt.

"Latour kultiviert das Bild des bodenständigen, leicht schrulligen Oberländers", schrieb der Tagesanzeiger. So bestellte er im vorletzten Jahr nach einem 4:1-Sieg über den FC Basel in der Stadt der Besiegten 15000 "Läckerli", eine Basler Backspezialität, verteilte sie in Thun auf der Straße und schaffte es in die Hauptnachrichten des Fernsehens. Außerdem erzählte er, dass seine Spieler nach schlechten Leistungen durch eine Waschstraße laufen müssten, um ihnen den Kopf zu waschen. Das stimmte sogar - nur war das Wasser abgestellt.

Als sich Latour im Dezember 2004 zu den Grasshoppers Zürich verabschiedete, war er auch beim hochverschuldeten Traditionsklub sofort erfolgreich. In der Rückrunde führte er die Grasshoppers vom siebten auf den dritten Platz und in den Uefa-Cup. Das war bemerkenswert, weil der einstige Branchenführer der Schweiz einen rigiden Sparkurs eingeschlagen hat. Dieser dürfte aber auch der Grund dafür sein, das Angebot aus Köln anzunehmen. Noch mehr zu sparen und weiter erfolgreich zu sein, dürfte Latour für unmöglich erachtet haben.

"Die Grasshoppers wollten mir die Chance nicht verbauen", sagte er gestern. So ließen die Schweizer ihren Cheftrainer für eine geringe Ablösesumme nach Köln ziehen. Dort wird das Trainerteam nach seinen Wünschen umgestaltet. Latour bringt seinen langjährigen Assistenten Thomas Binggeli mit.

Der bisherige Assistent Wolfgang Geiger wird zu Spielbeobachtung abgestellt, was eine wichtige Aufgabe wird. Denn Latour gab zu: "Die Bundesliga kenne ich schlecht." Vielleicht klingelt demnächst in Zürich erneut das Telefon mit dem Wunsch nach dem ein oder anderen neuen Spieler. Latour jedenfalls witzelte: "Wenn ich meinen Kontrakt anschaue, dürfte dafür noch Platz sein."

© SZ vom 4.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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