Bundesliga:Fünf Monate noch

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Eine Geschichte voller Missverständnisse: Timo Hildebrand verlässt Stuttgart und nimmt sich Jens Lehmann zum Vorbild.

Andreas Burkert

Die Feinde sind in der Nähe, sie sitzen in der Lounge und warten auf Mario Gomez, den angehenden Nationalstürmer der Stuttgarter. Feinde, das hat Timo Hildebrand natürlich nicht gesagt über die schwäbischen Fußballreporter, die dem VfB auch nach Dubai ins Trainingslager gefolgt sind. Doch aus seiner Ablehnung macht Hildebrand keinen Hehl, er nennt die Feinde "die mediale Seite".

Vor der Abreise nach Dubai hatte er sie noch einmal zum Pressetermin eingeladen, es ist wohl so etwas wie der letzte Versuch einer friedlichen Koexistenz gewesen. "Aber es hat keiner verstanden", sagt er und schaut über die Terrasse auf die Hafenbucht. Hildebrand klingt ein wenig verbittert, aber er kommt mit der Situation insgesamt recht gut zurecht, zumindest macht er diesen Eindruck. Er hat sich daran gewöhnt.

Fünf Monate noch, dann wird Timo Hildebrand, 27, den VfB verlassen. Nach 13 Jahren und rund 240 Bundesligaspielen. Vor der Winterpause hatte Manager Horst Heldt den Abschied verkündet, da sich der Torhüter nicht bis zur verabredeten Frist zum Verbleib hatte entschließen können. Als Abzocker sei er deshalb hingestellt worden, sagt Hildebrand und versichert: "Dabei hat nicht das Geld den Ausschlag gegeben - ich habe auch niemanden hingehalten oder verarscht."

Diesmal kein Zurück mehr

Doch in Stuttgart glauben sie ihm das nicht mehr, schon vor zwei Jahren hatte er sich in eine ähnliche Situation manövriert. Seine Feinde sind sich sicher, er habe sich damals verpokert, weil keine andere Offerte vorlag. Hildebrand sagt, er hätte damals schon ins Ausland wechseln können. "Aber ich war zu lange unschlüssig, ich war überfordert mit der Situation, und das war damals sicher nicht in Ordnung von mir." Er unterschrieb schließlich doch noch mal beim VfB.

Ein zweites Zurück ist nun nicht möglich, die Feinde und ihr Feind werden sich ab Juni aus dem Weg gehen. "Sie haben ja geschrieben, ich hinterließe dann keine Freunde", sagt Hildebrand und lächelt. Dass er nie lache, haben sie ihm ja vorgeworfen, dass er immer über andere nörgele und isoliert sei im Verein. Zudem blieben seine Leistungen zuletzt zunächst hinter den Vorgaben für eine nationale Nummer zwei zurück, und als er beim Länderspiel auf Zypern nicht gut aussah, vergrößerte sich das Imageproblem. Das Spiel habe ihm zu schaffen gemacht, gibt er zu; es war als Bewährungschance deklariert, "ich war nicht so locker wie sonst, das war kein gutes Spiel".

Doch um Leistung geht es in dem Kleinkrieg zwischen Feinden nicht allein. Die Transfersache ist das eine, das andere ist Hildebrands Außenwirkung. Mit seinem in Stuttgart unbeliebten Berater hat sich der VfB arrangiert (Held: "Er arbeitet eben mit harten Bandagen"), doch dass sich der Torwart zusätzlich einen "Medienberater" zugelegt hat, der seinen Mandanten abschirmt und sich selbst hochtrabend geben soll, verbesserte Hildebrands Image im Umfeld nicht.

Dass womöglich sein persönlicher Pressechef für die schlechte Presse mitverantwortlich sein könnte, glaubt Hildebrand nicht. Da ist er stur. Er fühlt sich missverstanden. Zwar gilt die Stuttgarter Presse nicht unbedingt als dramatisch verschlagen, doch Hildebrand sagt: "Die haben ihre Meinung, da kann ich sagen, was ich will - sie schreiben eh, was sie wollen." Er öffne sich eben bewusst nicht den Medien, und dies komme dann nicht gut an.

Angeblich bei Valencia im Wort

Hildebrands Weg erinnert ein wenig an Jens Lehmann, der Nationalkeeper polarisierte als verschlossen-verquere Person ebenfalls lange und erarbeitete sich schließlich im Ausland Renommee. Hildebrand möchte sich demnächst einmal mit ihm unterhalten, "er hat sich auch nicht immer alles gefallen lassen und hinterfragt alles". Hildebrand zieht es nun ebenso in die Ferne, er möchte etwas Neues ausprobieren, eine neue Sprache lernen.

Der Wechsel werde ihn in jeder Beziehung weiter bringen, glaubt er, in Stuttgart habe man ihn trotz aller Wertschätzung auch missachtet: "Da war ich der Lehrling im eigenen Stall, dem nicht so große Bedeutung beigemessen wird." Wohin es geht, erzählt Hildebrand nicht. "Es wird weder Dubai oder die Türkei sein, aber unterschrieben ist nichts." Einen Topklub in einer starken Liga peilt er an, angeblich steht er in Valencia im Wort. Hildebrand sagt: "Ich denke, dass ich Champions League spiele." Internationales Niveau ist sein Anspruch, "daran ist doch nichts Verwerfliches". Auch als Lehmanns Nachfolger sieht er sich weiterhin, trotz Zypern: "Ich gehe davon aus, dass ich die Nummer zwei bin."

Fünf Monate also noch, das letzte Heimspiel hat Timo Hildebrand bereits im Kopf. Er rechnet mit einem "brutal emotionalen Abschied und ein paar Tränen, ganz sicher". Denn Stuttgart wird er nicht vergessen.

© SZ vom 11.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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