Bundesliga:Elefant auf der Lauer

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Lukas Podolski und der 1.FC Köln - eine stürmische Liebesgeschichte geht langsam zu Ende.

Christoph Biermann

Es bedarf nur einer Körpertäuschung und eines Schritts nach rechts, dann steht Lukas Podolski frei vor dem Torwart. Fast zu leicht sieht das aus, als ob sich die Verteidiger aus dem Weg geworfen hätten. Der Stürmer zieht ab, flach ins rechte Eck. Drin!

Die Zuschauer klatschen nicht, es stehen an diesem kalten Morgen, an dem der rheinische Straßenkarneval begonnen hat, auch nur zwei Dutzend am Trainingsplatz. "Gut", ruft Hanspeter Latour herüber.

Später wird der Trainer des 1.FC Köln davon sprechen, dass sich der größte Star seiner Elf im Lauf der Woche "mächtig ins Zeug gelegt" habe. Und Manager Meier wird sagen: "Bei ihm geht es ums Generalthema, dass er Freude am Spiel hat."

Am Montag dieser Woche hatte Podolski Post bekommen. Der Kölner Express schrieb ihm einen Offenen Brief, der voller Sehnsucht nach den alten Zeiten war, in denen der Stürmer noch unbekümmert Treffer in Serie schoss und dabei ein Tor des Monats nach dem nächsten aus dem Fußgelenk schüttelte.

Als er immer nur lachte, wie um zu sagen, dass das doch selbstverständlich sei. Es wurden in diesem Brief keine Vorwürfe erhoben, er war keine Anklage. "Gehen Sie raus und erwecken Sie ihren Fußball wieder zum Leben", hieß es flehentlich. Ein schöner Satz ist das, der aber andererseits auch sagt, dass Podolskis Fußball tot ist.

Die Saison ist zu fast zwei Dritteln gespielt, und Lukas Podolski hat im Trikot des 1.FC Köln nur ein außergewöhnliches Spiel gezeigt. Am zweiten Spieltag in Stuttgart schoss er zwar kein Tor, bot beim 3:2-Sieg aber eine überragende Leistung.

Ansonsten gab es eine Handvoll guter Spiele zu sehen, der Rest war Ligaschnitt oder schlechter. Fünf Tore hat er geschossen und vier vorbereitet, dieser Wert wird von mehr als zwei Dutzend anderer Ligaprofis übertroffen.

In der Hinrunde haben ihm der damalige Trainer Rapolder und der damalige Manager Rettig einmal den alten Podolski vorgeführt. Auf einem Video zeigten sie, wie er zu Beginn seiner Karriere gespielt hatte. Ungestüm war er über den Platz gerannt und hatte sich überall in die Bresche geworfen. Doch auch die Erinnerung an ihn selbst änderte nichts.

Warten auf den großen Moment

Podolski blieb bei dem Lauermechanismus, den er sich inzwischen zugelegt hatte. Er wartet im Spiel auf einen großen Moment, in dem er zum entscheidenden Schlag ausholen kann.

So hatte er schon früher in der Jugend gespielt, wo man ihn auch lange Abschnitte des Spiels nicht sah. Doch jetzt lauert er nur noch und schlägt nicht mehr zu. An schlechten Tagen wirkt das abgehalftert - unglaublich bei einem 21-Jährigen.

"Er hat sich nicht ein bisschen verändert, das ist eine Wahnsinnsleistung", sagt Podolskis Berater Kon Schramm und meint nicht den Fußballspieler, sondern den Menschen Lukas Podolski. Niemand wirft ihm vor, auf dem Egotrip zu sein, die Bodenhaftung verloren zu haben oder was immer man Erfolgreichen unterstellt.

"Er hat die Ruhe eines Elefanten", sagt Schramm noch und will damit zum Ausdruck bringen, dass sein gutmütiger Schützling geduldig fast alles aushält. Etwa, wenn er aus einer Traube von Autogrammjägern kommt und mit Filzstift beschmiert ist. Doch vielleicht hat Podolski vom Elefanten auch, dass er nicht vergisst; was auch immer.

Er ist einer der populärsten Fußballspieler Deutschlands, doch liegt er in der Gehaltstabelle des 1.FC Köln im unteren Drittel. Sein Kontrakt stammt noch aus der Zeit, als er gerade Profi wurde und läuft noch bis zum Sommer 2007.

Die Chancen auf eine vorzeitige Verlängerung liegen bei knapp über Null, denn sein Bleiben ist schon früh mit der Frage verbunden gewesen, wohin sich der Klub entwickelt. Doch wie immer die Saison ausgeht, wird der FC auch im kommenden Jahr nicht international spielen. In der vorletzten Woche hatte der Klub dennoch zu Verhandlungen mit Podolski geladen.

Sie wurden anberaumt, weil Präsident Wolfgang Overath angekündigt hatte, im Februar mit dem Spieler in Gespräche über eine Vertragsverlängerung einzutreten. Anschließend wurde per Pressmitteilung mitgeteilt, dass Podolski sich fortan zum Thema nicht mehr äußert.

Freiraum Nationalmannschaft

Das war eine Farce, doch in Köln steht Podolski im Schnittpunkt vieler Interessen. Der Klub profiliert sich über ihn, den größten Star seit Overath. Sein Name verkauft Zeitungen, deshalb gibt es jeden Tag Berichte über ihn.

In manchen geht es darum, dass zu viel Unruhe um ihn sei. Auch für seinen Berater ist Podolski der Schlüssel zu einer großen Karriere. Es ist kein Wunder, dass Podolski dort aufblüht, wo es nur um Fußball geht. Im Kreis der Nationalmannschaft darf er noch der talentierte Junge sein, auch wenn Jürgen Klinsmann auf Podolski nicht minder hofft als Köln es tut.

Aber noch ist das Nationalteam ein Freiraum, und seine beste Leistung zeigte er in dieser Saison dort, mit seinen drei Toren beim 4:2 gegen Südafrika.

Doch das war im September, und der September ist lange her. Rapolder glaubte bald danach, dass sich der Spieler seinem System verweigere. Podolskis hingegen fühlte sich vom Coach belogen und sah ihm das auch nicht nach.

"Es geht nur über seriöse Arbeit wieder nach vorne", sagt sein jetziger Trainer Latour, und die scheint auch gemacht worden zu sein. Trotz einer unterbrochenen Vorbereitung auf die Rückrunde hatte Podolski beim letzten Leistungstest im Nationalteam gute Werte.

Dennoch fehlt ihm vielleicht weiter eine richtige Ruhephase, denn die Jahre 2004 und 2005 spielte er fast durchgehend. Und sind Durchhänger in seinem Alter nicht normal?

"Er braucht mal zwei Tore in einem Spiel", sagt Latour. Aber wahrscheinlich ist es komplizierter, als dass nur der Knoten platzen müsste. Der 1.FC Köln und Podolski, das ist eine früher stürmische Liebesgeschichte, die vorüber scheint, aber die Partner sind noch nicht geschieden.

Sie sind weiter zusammen und fragen sich gerade, was eigentlich schief gelaufen ist. Noch gibt es keinerlei Schuldzuweisungen, doch auf den Rängen stehen als Scheidungskinder die Fans des FC und verstehen nicht. Es könnte sogar sein, dass sie sich gegen ihren Prinzen wenden und ihn bei einer Niederlage im Derby gegen Leverkusen auspfeifen - zum ersten Mal.

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