Bundesliga:Der Torschütze als Tor

Lesezeit: 4 min

Kevin Kuranyi erzielt bei Schalkes 4:1 gegen abwehrschwache Stuttgart zwei Tore, handelt sich aber eine dumme Sperre ein.

Kevin Kuranyi ist bekannt als Torschütze, aber nach dem 4:1 (1:0) gegen den VfB Stuttgart auch als Tor. Der Stürmer erzielte zwei Tore für seinen Klub, aber weil er nach dem zweiten Treffer zum Jubeln ebenso unnötig wie regelwidrig sein Trikot auszog, sah er seine fünfte Gelbe Karte und ist deshalb am kommenden Sonntag beim Revierderby in Dortmund gesperrt. Dieser Umstand sorgte auch für Verdruss bei Schalkes Trainer Mirko Slmoka: ,,Schade ist nur, dass Kevin nach seiner Verletzung sensationell reingekommen, aber auch schon wieder weg ist. Das war eine blöde gelbe Karte.'' Eine wirklich höfliche Formulierung angesichts der Tatsache, dass Kuranyi der gleiche Faux pas in dieser schon einmal (in der Champios League) unterlaufen ist. Die Stuttgarter hätten solche Sorgen gerne. Nach dem 18.Spieltag beträgt der Rückstand der Schwaben auf Tabellenführer Bayern München 14 Zähler - und der auf den dritten Platz auch schon acht.

Gleich zieht er es aus, das Hemdchen: Kevin Kuranyi zeigte mal wieder seine zwei Gesichter (Foto: Foto: AP)

Die Schalker hatten in der Winterpause das getan, was Bundesligisten gemeinhin in der Sommerpause tun: Sie waren verschärft auf dem Transfermarkt tätig geworden. Albert Streit und Vicente Sanchez wurden als Verstärkungen für den wenig durchschlagkräftigen Sturm verpflichtet, und im Mittelfeld soll Zé Roberto dem Namensvetter von Bayern München Konkurrenz machen. Gegen Stuttgart war von den Veränderungen nicht viel zu sehen, denn von den drei Einkäufen lief niemand auf: Sanchez war zwar spielbereit, aber noch nicht gut genug ins System integriert, Zé Roberto II saß nach gerade überstandener Verletzungspause auf der Ersatzbank, und Streit (Knieverletzung) wird erst in der kommenden Woche erstmals zum offiziellen Kader gehören.

Dafür lief der wiedergenesene Kuranyi auf: Der Stürmer brannte nach einer Lungenentzündung auf seinen Einsatz, sah sich zunächst aber nur von einem anderen Stürmer (Gerald Asamoah) unterstützt. Trainer Slomka hatte eine Spitze weniger als sonst aufgeboten und dafür das Mittelfeld verstärkt. Dort agierte Spielgestalter Ivan Rakitic nun vor drei eher absichernd agierenden Abräumern (Jermaine Jones, Fabian Ernst und Lewan Kobiaschwili). Derart groß war also der Respekt von Slomka vor Stuttgart, und wer nach dem Warum fragt, der hat nach der von den Bayern (und Bremern) dominierten Hinrunde offenbar vergessen: Hier empfing der Zweite der Saison 2006/2007 den Überraschungsmeister der Vorsaison. (Andere sagen inzwischen dazu: der Zu-dumm-für-den-Titel-Klub gegen den Dann-machen-wir's-eben-Meister.)

Zum Auftakt dieser Saison, als noch niemand ahnte, wie weit die beiden Klubs von der Spitze ihren Ansprüchen entfernt sein würden, hatten sich die Teams ein in jeder Hinsicht vergnügliches Spiel geliefert, an dessen Ende ein 2:2 stand. Diesmal begann das Duell unter einem schlechten Stern: Bei einem Verkehrsunfall war ein Fan nach ungeklärten Umständen unter eine Straßenbahn geraten und gestorben. Die Partie selbst begann fahrig. Schalke fand keine Mittel gegen die massiv hinten stehenden Stuttgarter, die ihrerseits am meisten dadurch überraschten, weil auf der linken Außenbahn der fast unbekannte Christian Träsch, 20, anstelle des etablierten Ludovic Magnin verteidigte. Zusammen mit dem vollblonden Rechtsverteidiger Andreas Beck, 20, hatte der VfB nun ein kurioses Außenverteidigerpaar.

Vorne blieb Mario Gomez eine Weile lang ohne Bindung zum Spiel, doch nach einem von Bastürk fein eingeleiteten Konter (19.) bereitete der Mittelstürmer die erste echte Torchance vor: Gomez' Querpass setzte Marica mit einem Rechtsschuss aus der Drehung an den Pfosten. Diese Szene provozierte immerhin die Schalker, auch eionmal etwas gezielter vorzugehen. Nach einer Reihe von Viertelchancen waren sie dennoch auf Stuttgarter Hilfe angewiesen - und das gleich doppelt: Nach einem Handspiel von Beck brachte Rakitic einen Freistoß maßgerecht vors VfB-Tor, wo Verteidiger Fernando Meira nicht hoch genug sprang und Kuranyi dessen siebtes Saisontor ermöglichte. Zum 13. Mal in dieser Saison lag Schalke in Führung, aber das hieß nicht viel: Fünfmal hatte sich das Team so einen Vorsprung noch entreißen lassen.

Aber Stuttgart ist dafür in dieser Saison nicht gut genug. Zwar eröffnete sich Gomez kurz vor dem Pausenpfiff eine große Kopfballchance, aber mehr hatte der Meister offensiv nicht zu bieten. Stattdessen wirkte die Defensive nach ruhenden Bällen sehr verwundbar. In der 51.Minute durfte sich Ivan Rakitic wieder einen Ball hinlegen: Nach einem Fehler des von seinem Mitspieler Gomez bedrängten Torwarts Schäfer fiel der Ball Kevin Kuranyi vor die Füße, der zum 2:0 einschob.

Das Tor war freilich Gift für die Schalker. Zunächst holte sich Kuranyi für seinen dummen Torjubel die fünfte gelbe Karte, was er nach seiner Auswechslung so erstaunt zur Kenntnis nahm, als habe er nichts davon gewusst, dass ihm eine Sperre drohte. Schlimmer jedoch war, dass die Gastgeber nun mit ihren Gedanken komplett abwesend schienen. Die Strafe folgte in der 61.Minute: Während die Schalker sich nach einem Freistoßpfiff noch gelassen sammelten, schlenzte der zur Pause eingewechselte Antonio da Silva den Ball über den viel zu weit vor dem Tor stehenden Manuel Neuer zum 2:1 ins Netz. Ob der Keeper sich dabei eine leichte Prellung am rechten Knie zuzog, deretwegen er fürs U21-Länderspiel absagte, scheint allerdings mehr als fraglich zu sein.

Die Partie wogte eine Weile ungeordnet von einer Seite zur anderen, und die nicht gerade für Nervenstärke bekannten Schalker konnten von Glück sagen, dass Stuttgart sie gar nicht zum Zittern kommen ließ. Im Gegenteil. Ein weiteres Handspiel brachte Rakitic den nächsten Freistoß - und Schalke das nächste Tor: Linksverteidiger Heiko Westermann bedankte sich für die ihm zugestandene Freiheit am Fünfmeterraum mit einem Kopfball zum 3:1. Danach musste Rafinha noch einmal auf der Linie klären, bevor Rakitic gehen durfte. Zé Roberto II kam und zeigte kurz vor dem Schlusspfiff, dass Schalke sogar aus dem Spiel heraus Tore erzielen kann.

© SZ vom 4.2.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: