Bundesliga:Das Ende der Eingewöhnungszeit

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Hashemian, Rau, Frings: Drei Namen, drei unterschiedliche Perspektiven bei den Personalexperimenten des FC Bayern.

Von Philipp Selldorf

Briefe haben ihm seine Verehrer geschrieben, damit er wieder Fußball spielt, jeden Tag waren es Dutzende. Vahid Hashemian stöhnt, wenn er sich daran erinnert. "Ich hatte sehr viel Druck von den Fußballfans", sagt er, und auch die Zeitungen berichteten ständig über seine Geschichte. Allerdings trug sich das nicht in München zu, wo Hashemian seit Juni als Profi des FC Bayern lebt, sondern in Teheran, seiner Heimatstadt.

Dort regten sich die Fans und die Presse darüber auf, dass der Angreifer wegen Streitereien mit dem Verband nicht mehr für die Nationalelf spielen wollte. Mittlerweile hat er seinen Entschluss revidiert, und die iranischen Anhänger sind glücklich. "Unser Fußball ist nicht wie der von Brasilien, aber unsere Fans sind wie Brasilianer", sagt Hashemian.

In München ist die Lage grundverschieden. Hashemian würde gern spielen, aber er findet keinen Platz im Team, und den Bayern-Fans ist das einerlei. Der Wechsel vom VfL Bochum, wo er vergangene Saison 16 Tore geschossen hatte, hat sich für Hashemian zwar finanziell bezahlt gemacht, aber sportlich war er eine Pleite: fünf Teilzeiteinsätze in der Bundesliga, kein einziger Treffer.

Im Winter hätte ihn der VfL gern zurückgenommen, doch erstens strebte Bochum ein Leihgeschäft und zweitens ein Gehalt zu alten Konditionen an, und drittens hielt der FC Bayern von diesem Geschäft nichts. Zwei Millionen Euro hatte der Stürmer gekostet.

Nicht nur zuversichtlich

Nun müht sich Hashemian im Trainingslager in Dubai, um sich bei Trainer Felix Magath zu empfehlen. "Ich denke positiv", sagt er, "ich habe einen Vertrag bis 2007, und ich will hier bleiben." Die Kollegen seien "nett und freundlich", hat er festgestellt und sich Gutes vorgenommen: "Ich muss warten. Wenn ich eine Chance bekomme, muss ich sie nutzen."

Aber wann soll sich diese eröffnen bei einer Konkurrenz, die Makaay, Pizarro, Guerrero, Santa Cruz und - nun auch das noch - Zickler heißt? Hashemian gibt zu, dass er nicht nur zuversichtlich plant: "Ein halbes Jahr ist noch offen. Ich muss auch an meine Karriere denken."

Der FC Bayern hat zwar eine Menge großer Karrieren befördert, aber mancher Kicker hat hier auch den entscheidenden Knick erfahren. Zum Beispiel mischt auf dem Trainingsplatz in Dubai immer noch Verteidiger Tobias Rau mit, der klassische Fall eines Münchner Personalexperimentes. Zum Nationalspieler ausgebildet in Wolfsburg, kostspielig zum FC Bayern transferiert - und im Laufe von anderthalb schwierigen Jahren in der Versenkung verschwunden.

Der 1. FC Nürnberg will den 23-Jährigen haben, die Münchner sind allzu gern bereit, ihn gehen zu lassen, doch Rau zögert noch, dem Beispiel anderer beim FC Bayern gescheiterter Profis wie Michael Wiesinger, Pablo Thiam oder Niko Kovac zu folgen.

Eine Eingewöhnungszeit wird jedem zugestanden - mehr nicht, und deshalb darf auch Torsten Frings, wie Hashemian im Sommer hinzugekommen, während der Rückrunde nicht auf weitere Schonfrist zählen. "Ich bin ein Typ, der ein bisschen Zeit braucht, um reinzukommen", sagt er, aber weil er zudem ein arrivierter Nationalspieler ist und acht Millionen Euro Ablöse kostete, hat Trainer Felix Magath bereits nach besserer Leistung verlangt.

Frings, 28, stimmt da durchaus zu, obwohl er meint, der Verein könne sehr zufrieden sein mit dem vorläufig Erreichten. Also: Bundesligaerster, Pokalviertelfinalist, Eurocupachtelfinalist, "was will man mehr?" Was ihn betrifft, sieht er eine Menge Potenzial zur Steigerung, was nicht zuletzt einem gemeinen Rippenbruch zu danken ist.

Der ersparte ihm die strapaziöse Reise der Nationalelf nach Asien und verschaffte am Ende eines harten Jahres die gebotene Ruhe. "Ich war ziemlich matt nach der EM", sagt Frings, und das ist ja ein plausibler Grund für den Mangel an Dynamik in seinem Spiel.

"Ich will meine Ruhe haben"

Weitere Erklärungen für ein paar Anlaufprobleme sind wohl in seiner Natur zu suchen. Frings neigt nicht zu Freudensprüngen, "ich bin ein zurückgezogener Typ", meint er.

Sein Haus hat er mit Familie am Starnberger See bezogen, außer zur Arbeit an der Säbener Straße hat er sich nur ein einziges Mal in München aufgehalten: "Deswegen bin ich ja dahin gezogen: Ich will meine Ruhe haben." Das Haus, einst von der Familie eines Kirschlikörfabrikanten genutzt, soll sehr schön sein, "und es kostet auch keine 20.000 Euro Monatsmiete, wie's in der Zeitung stand", klärt Frings auf. Sondern? "30.000!" Ein Witz nur, Gott sei Dank.

Was das Fußballerische angeht, ist Frings hingegen frei von Bedenken. Den Tadel vom Trainer steckt er leichthin ein ("Druck braucht jeder Spieler"), die Höhe seiner Transfersumme kümmert ihn nicht ("Kann ich ja nichts dafür, wenn so viel Geld bezahlt wird"), und nach besonderer Anerkennung verlangt es ihn auch nicht.

"Beim FC Bayern gibt es Viele, die im Mittelpunkt stehen wollen - von mir aus können sie das ruhig", sagt Frings. Spieler wie Hashemian oder Rau wären schon mit einem soliden Platz am Rande glücklich.

© SZ vom 11.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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