British Open im Golf:Ein Traum mit Monster

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Vor acht Jahren erlebte Jean Van de Velde auf dem Kurs im schottischen Carnousti das wohl größte Desaster der Golfgeschichte. Ab heute werden dort die British Open ausgetragen.

Petra Himmel

Das Desaster dauerte 20 Minuten. Stille herrschte rund um das 18. Grün. Ein Doppelbogey am letzten Loch hätte Jean van de Velde 1999 zum Gewinn der British Open gereicht. Stattdessen durchlebte der Franzose auf dem Platz von Carnoustie den größten Einbruch in der Geschichte des Golfsports, schaffte nur das Triple-Bogey mit sieben Schlägen und verlor anschließend im Playoff. Paul Lawrie, der Schotte, gewann diese Open, an die sich keiner wirklich gerne erinnert.

(Foto: SZ-Grafik: Braun)

Car-nasty nannten die Spieler den Platz damals schon nach der ersten Runde. Hässlich und viel zu schwer erschien er jedermann. Das Rough war vom vielen Düngen unspielbar dick geworden, die Fairways waren zu schmal, die Bunker tief, wie sie hier eben schon immer sind. Sergio Garcia fiel seiner Mutter nach zwei Runden heulend in die Arme, diverse Amerikaner verkündeten, sie würden nie wieder nach Schottland reisen.

Absolution von Woods

Jetzt sind sie wieder zurück, und aus Car-nasty ist wieder Carnoustie geworden. Der Royal and Ancient Golfclub of St. Andrews als Ausrichter des Turniers hat den Championship-Platz diesmal vorsichtig auf British-Open-Niveau gebracht. Das Rough besteht aus strohigen, luftigen Halmen, auf den Dünger hat man gänzlich verzichtet. Der Platz ist schon wegen der ungewöhnlich vielen Regenfälle der letzten Wochen weit grüner als ansonsten bei diesem Major-Turnier üblich. Weit rollen und hüpfen werden die Bälle nicht - der Boden ist vergleichsweise weich, nicht zu vergleichen mit den steinharten, braunen Pisten von Royal Liverpool im vergangenen Jahr. ,,Der Platz spielt sich großartig. Er ist wirklich gut und fair'', so hat Tiger Woods nach den Proberunden verkündet und damit dem Platzkomitee Absolution erteilt.

Hält sich der Wind zurück, sind auch Ergebnisse in den Sechzigern möglich. Die British Open wird damit zum ersten Major des Jahres, bei dem der Spieler auf Birdies hoffen kann. Bei US Masters und US Open ging es in dieser Saison allein um das Verhindern von Bogeys und schlimmeren Katastrophen. Carnoustie verniedlichen sollte man allerdings nicht. Es ist der schwerste der neun Plätze, auf denen die British Open ausgetragen wird. Mit gut 6700 Metern wird der Kurs gerade bei starkem Wind zu einem Monster. Ehrfurcht ist das Gefühl, das die meisten Profis empfinden.

Colin Montgomerie ist einer der wenigen, die sich der Aufgabe freundlich lächelnd nähern. Der 44-Jährige ist dieser Tage bester Dinge. Schottland ist Heimat für ihn, Carnoustie kennt er seit seiner Kindheit. Er hält den Platzrekord und weiß, dass seine geraden Drives den Schlüssel zum Erfolg bedeuten. Monty, wie ihn die Kollegen nennen, ist im Reinen mit sich - was in den letzten Jahren eher selten vorgekommen ist. Die Scheidung von seiner Frau ist endgültig Geschichte, er sei glücklich mit seiner neuen Lebensgefährtin, stellt er fest. Seinen alten Caddie Alastair McLean hat er durch den jungen Craig Connolly ersetzt. ,,Ich habe ja nichts gegen Alastair'', begründet er den Wechsel. ,,Wir sind gute Freunde. Aber er ist inzwischen 52 und ich bin 44, wir sind einfach beide schon eher auf der alten Seite, und wenn man nach mehr Enthusiasmus sucht, macht es wohl nur Sinn, sich bei den Jüngeren umzusehen.''

Erste Erfolge hat die Partnerschaft gebracht. Der Sieg bei der European Open in Dublin vor zwei Wochen ist der erste Erfolg in eineinhalb Jahren gewesen. ,,Ich habe das Gefühl, dass meine Leistung sehr ermutigend ist. Ich fühle den Rhythmus wieder,'' sagt er mit seinem breitesten Lächeln. ,,Ich halte hier den Rekord, die Fans werden auf meiner Seite sein und ich bin ziemlich zuversichtlich, dass ich hier gut spielen werde.'' Montgomerie ist der Mann, auf den die britischen Fans dieser Tage in den Wettbüros setzen. Den Profi aus dem kleinen Örtchen Troon endlich sein erstes Major-Turnier, noch dazu auf heimischem Boden, gewinnen zu sehen, ist ein Traum, dem sich ganz Schottland hingibt.

Der Optimismus wird allein gestört durch die Tatsache, dass sich auch Tiger Woods mit im Feld befindet. Die British Open in St. Andrews 2005 hat er vor allem durch kreatives Spiel rund um die Grüns gewonnen. Den Sieg in Royal Liverpool 2006 verdankte er dem beharrlichen Festhalten an seiner Strategie; den gefährlichen Fairwaybunkern, denen so mancher Kollege zum Opfer fiel, ist er entkommen, weil er auf lange Eisen vom Abschlag statt auf den Driver vertraute. Seinen Plan für das Turnier in Carnoustie hat der Weltranglistenerste noch nicht verraten. Sein Ziel aber ist klar: Nach Peter Thompson, der 1954, 1955 und 1956 dreimal in Folge die British Open gewann, will auch er diesen Meilenstein setzen und sein 13. Major insgesamt gewinnen. Woods, der selbst oft genug erklärt hat, dass für ihn allein die vier großen Turniere wirklich zählen, ist in diesem Jahr bei den Majors noch ohne Sieg. Die Antwort auf die Frage nach seinen Chancen lässt er offen. Aber ein Lächeln tritt auf sein Gesicht - und das ist noch ein Stückchen breiter als jenes von Montgomerie. )

© SZ vom 19.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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