British Open der Golfer:Endlich fällt die 62

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Viel schwingen, wenig grübeln: Mit dieser Maxime hat Branden Grace eine 62-er Runde geschafft und sogar Jack Nicklaus übertroffen. (Foto: Andrew Redington/getty)

Der Südafrikaner Branden Grace spielt die niedrigste Runde in der Geschichte der Major-Turniere. Schon debattiert die Golf-Gemeinde darüber, was der Rekord wert ist.

Von Barbara Klimke, Southport/München

Der letzte Ball war kaum eingelocht und der Jahrhundertrekord gebrochen, als die Erklärungssuche begann. Das Wetter sei schuld, hieß es zunächst, und das ist eine Argumentation, die man auf der Insel erfahrungsgemäß nur schwer widerlegen kann. Noch am Vortag peitschten Wind und Regen heftig über den Royal Birkdale Golf Club an der Küste Nordenglands zwischen Liverpool und Blackpool. Am nächsten Morgen jedoch zog Branden Grace bei schönstem Sonnenschein, milden Temperaturen und Windstille in der dritten Runde der British Open über den Kurs. Schon auf den ersten neun Löchern blieb Grace fünf Schläge unter Par. Auf der zweiten Hälfte wollte er nur ein- oder zweimal mit einem Birdie unter den Vorgaben bleiben, erzählte er später: Dann, so glaubte er, hätte er "ein wirklich gutes Ergebnis" für diesen Tag erzielt.

Er beendete die Runde mit 62 Schlägen: Und das ist ein Ergebnis nicht für einen Tag, sondern für die Ewigkeit.

Branden Grace, 29 Jahre alt, geboren in Pretoria, ist nun seit Samstag der erste Golfer in der Geschichte der vier Major Turniere, der eine derartig niedrige Runde spielte. Um zu wissen, was es mit dieser 62 auf sich hat, muss man an die Namen all jener erinnern, die diese Ziffer angepeilt haben und daran gescheitert sind: Von Jack Nicklaus, Gary Player, Tiger Woods, Nick Faldo bis Rory McIlroy reicht die Liste derer, die bestenfalls auf 63 kamen. Der Amerikaner Phil Mickelson war im vergangenen Jahr bei den Open der Letzte, der eine 63-Runde abschloss, damals übrigens auf einem Platz in Schottland und bei ähnlich glorreichem Wetter. Mickelson klagte, ihm sei danach trotz einer der besten Runden seines Lebens "zum Heulen zumute" gewesen. "Ich hätte Geschichte schreiben können und habe es verpasst." Er glaubte tatsächlich, dass eine Art Fluch über der 62 läge.

Den Bann hat nun Branden Grace im 442. Major-Turnier aufgehoben, und vieles deutet darauf hin, dass neben dem Wetter noch ein anderer Faktor ausschlaggebend war, nämlich Grace's selige Ahnungslosigkeit. Angeblich hat er gar nicht selbst mitgezählt auf dieser dritten Runde, sondern nur von Schlag zu Schlag gedacht. Am 16. Loch versenkte er einen langen Putt zum Biride. Am 17. Loch, einem Par-5, blieb er ebenfalls einen Schlag unter der Vorgabe. Dann schritt er zum 18. Loch, wo sich eine Menge Leute versammelt hatten, die Zeuge eines Akts der Sporthistorie werden wollten, und auch hier, so bemerkte der Reporter des Guardian trocken, sei bei Branden Grace der Groschen noch nicht gefallen. Vielmehr glaubte er, die Zuschauer hätten sich um 15.16 Uhr zufällig bei ihm eingefunden, weil nebenan gerade Publikumsliebling McIlroy abgeschlagen hatte. Grace versenkte in Ruhe den letzten Schlag am Par-4-Loch und war, wie er beteuerte, erstaunt, als ihm sein Caddie, Zack Rasego, mit den Worten gratulierte, er habe es in die Geschichtsbücher geschafft: "Ich hatte keine Ahnung, was er meinte."

Diese Unschuld war es vermutlich, die Branden Grace davor bewahrte, dass ihm, anders als Mickelson und Kollegen, angesichts des schicksalhaften 62. Schlag die Hände und Knie zu zittern begannen. "Ich wusste wirklich nicht, was los wahr. Ehrlich!", versicherte er. Klugerweise hatte sein Caddie still gehalten.

Für den Südafrikaner, der in zehn Profijahren zehn internationale Trophäen, aber nie eines der Major-Turniere gewann, endeten die British Open am Sonntag mit Platz sechs. Unterdessen hat unter den Puristen des Golfs die Diskussion über die Einordnung seines Rekords begonnen: Birkdale ist ein Par-70-Kurs, und manche Kommentatoren treibt die Frage um, ob eine 62-er Runde auf einem Par-70-Platz höher einzustufen sei als eine 63-er Runde auf einem 72-er Kurs, was dem Nordiren Rory McIlroy 2010 auf dem Old Course in St. Andrews gelungen war. Für Grace ist die Sache klar. "Darüber kann man ewig reden", sagte er am Samstag. Für ihn sei beides gleich viel wert. "Ich bin sehr glücklich über meine tolle Runde bei einem besonderen Turnier. Jeder, der 63, 62 oder 60 spielt, hat einiges richtig gemacht." Und außerdem müsse ihm das Glück an einem solchen Tag in die Hände spielen. Womit er vermutlich das Wetter meint.

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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