Britisches Fanprojekt:Koof Dir nen Club

Lesezeit: 3 min

Das Internet machts möglich: In England sollen 50.000 Fans einen Fußballclub übernehmen - und Eigentümer, Manager und Trainer zugleich werden.

Johannes Kuhn

Der Fan ist ein seltsames Wesen: Sein Club braucht ihn als Kunden und Unterstützer im Stadion, doch als Fußball-Sachverständiger wird er von den Offiziellen nur selten ernst genommen.

Die Trainer von morgen? Bei Myfootballclub ist die Weisheit der Fanmassen gefragt. (Foto: Foto: ddp)

Der Engländer William Brooks hingegen, Anhänger des FC Fulham und ehemaliger Fanmagazin-Autor, gerät bei der Weisheit der Fußballmassen ins Schwärmen: "Fußballfans haben einen sechsten Sinn dafür, was gut für ihren Club ist", erklärt er, "ich habe es oft erlebt, dass sie monatelang etwas forderten - und wenn der Trainer endlich darauf reagierte, stellte es sich als richtig heraus."

Für außergewöhnliche Aktionen sind die Fans auf der Insel schon länger bekannt: So gründeten Anhänger von Manchester United 2005 ihren eigenen Club, den FC United of Manchester, um gegen die Kommerzialisierung des britischen Fußballs zu protestieren. Brooks' Idee geht noch weiter: Die Fans sollen nicht nur Vereinseigentümer werden, sondern auch Trainer- und Managerjob übernehmen - wohlgemerkt, alle Fans.

Myfootballclub heißt die Internetseite, über die sich der 36-Jährige seine Mitstreiter sucht. 50.000 Fans sollen sich registrieren und 35 Pfund jährlich als Einlage zahlen. Mit dem Geld wird ein englischer Fußballclub gekauft. Ist das vollbracht, so Brooks' Vorstellung, sollen die Geldgeber auch das Ruder in die Hand bekommen: Auf einer Webseite wird dann per Mehrheitsentscheid über Taktik, Mannschaftsaufstellung und Spielerkäufe abgestimmt.

Der Trainer gibt Ratschläge, die Fans stellen auf

Was wie eine allzu kühne Graswurzel-Bewegung klingt, hat schon einige Anhänger gefunden. Seit Ende April ist das Projekt online, inzwischen haben sich bereits über 25.000 Gleichgesinnte registriert. "Immerhin kostet eine Jahresmitgliedschaft weniger als eine durchschnittliche Premier League-Eintrittskarte", gibt Brooks zu bedenken.

Es hat etwas von einem Computerspiel, wenn die Fans als letzte Instanz Sponsoren und Trikotdesign auswählen dürfen, die finanziellen Geschicke mitbestimmen oder entscheiden, ob eine Mannschaft einen Psychologen an die Seite gestellt bekommt.

Zwar gibt es einen Trainer, doch der soll nur über seine Trainingseindrücke berichten und Vorschläge zur Taktik machen - die Entscheidung treffen die Fans. "Eigentlich machen Vereinsanhänger bei Misserfolgen immer den Trainer zum Sündenbock - bei uns wäre es umgekehrt, der Trainer könnte die Fans dafür verantwortlich machen", erklärt Brooks lachend das Modell.

Doch weil viel Geld im Spiel ist, bleiben kritische Fragen nicht aus. So werden 7,50 Pfund des Jahresbeitrags in die Finanzierung der Webseite fließen - was sich immerhin auf 375.000 Pfund per Anno summiert. Schon unken die Ersten, der fanfreundliche Brooks würde selbst am meisten von dem Enthusiasmus und dem Geld der Anleger profitieren.

"Bei mindestens 50.000 Besuchern am Tag müssen wir einiges in die Infrastruktur stecken und auch sieben bis acht Leute einstellen", rechtfertigt sich Brooks. "Immerhin wollen wir die Seite jeden Tag mit allen Infos zu den neuesten Entwicklungen bestücken." Unter anderem sollen die Mitglieder über einen vereinseigenen Internet-Fernsehsender eine Videozusammenfassung des Trainings und Übertragungen der Spiele ansehen können.

Fußball 2.0 oder realitätsferner Blödsinn?

Doch welcher englische Verein wird sich für die erwarteten 1,375 Millionen kaufen lassen? Auf der Homepage dürfen die registrierten Benutzer gerade darüber abstimmen. Die üblichen Verdächtigen wie Manchester United und Arsenal London, bei denen die Summe nicht einmal für das Gehalt eines Auswechselspielers reichen dürfte, tauchen dabei ebenso auf wie der Champions-League-Halbfinalist von 2001, Leeds United.

Der Traditionsclub ist im Moment Favorit der Fans - der Haken an der Sache: Die "Peacocks" haben einen Schuldenberg von über 30 Millionen Pfund angehäuft und sind gerade in die dritte Liga abgestiegen - die rund 1,4 Millionen der Fans wären zum Fenster hinausgeworfen. Realistischere Kandidaten sind unterklassige Vereine wie Cambridge United oder Accrington Stanley. "Letztlich werden wir die Liste von oben nach unten durcharbeiten", meint Brooks, "ich schätze, es wird am Ende ein Verein aus der vierten oder fünften Liga werden." Dabei soll es allerdings nicht lange bleiben - langfristig soll der Club in die erste oder zweite Liga geführt werden.

Die Reaktion der britischen Fans reicht von schallendem Gelächter bis zu echter Begeisterung. "Brillante Idee - willkommen bei Fußball 2.0", schreibt ein Benutzer der Internet-Plattform Digg. "Was für ein Blödsinn, einen Verein mit einer Reihe von Umfragen leiten zu wollen", ist hingegen in einem Fan-Forum von Arsenal London zu lesen.

Das größte Scouting-Netzwerk der Welt

Brooks rechnet damit, im Herbst ein erstes Übernahmeangebot für einen Verein vorlegen zu können. Voraussetzung: Die registrierten User zahlen ihren Beitrag wirklich und Führung und Fans des betreffenden Clubs geben ihre Zustimmung - eine feindliche Vereinsübernahme soll es nicht geben. Bis es ernst wird, bleibt dem Macher also noch Zeit zum Träumen: "Wir haben Mitglieder aus der ganzen Welt", freut sich Brooks, "man muss sich nur vorstellen, was für ein gewaltiges Scouting-Netzwerk das wäre."

Inzwischen haben sich auch erste Sponsoren gemeldet; ein großer Fernsehsender will den Verein in der nächsten Saison begleiten. Doch Brooks hat alle Angebote erst einmal abgeblockt - diese Entscheidungen, sagt er, werden die Fans treffen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: