Bremer 2:2 gegen Darmstadt -:"Das war kein Schmaus"

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Drunter und drüber ging es vor dem Tor von Felix Wiedwald (r.), Claudio Pizarro kann Darmstadts Schlussmann spät überwinden. (Foto: Joern Pollex/Getty Images)

Nach dem mühsamen Remis gegen Darmstadt spricht Werder Trainer Viktor Skripnik weiter das Vertrauen aus. Bedanken kann er sich bei Claudio Pizarro, der kurz vor Abpfiff das Remis rettet.

Von Frank Hellmann, Bremen

Der Österreicher pflegt im Fußball so seine eigenen Begrifflichkeiten. Ein Eckstoß wird in der Alpenrepublik "Corner" genannt, ein Hackentrick firmiert als "Ferserl" und ein Pass in die Gasse geht als "Lochpass" durch. Insofern war die Wortwahl nicht so verwunderlich, in der Zlatko Junuzovic, Anführer der österreichischen Nationalmannschaft und in Vertretung Spielführer beim SV Werder Bremen, eine Bilanz zog. "Das war kein Schmaus", meinte er zum aus Bremer Sicht höchst unbefriedigenden 2:2 (1:1) gegen den SV Darmstadt 98. Die Übersetzung schob der Mittelfeldmann gleich hinterher: "Viele Unterbrechungen, viele Fouls, viele Zweikämpfe, wenig Spielfreude." Schöner Fußball sieht anders aus. Woran es lag? "Es scheint, als ob der Kopf blockiert ist", sagte Junuzovic, "wir sind eben in einer schwierigen Situation, und dann ist es menschlich, wenn die negativen Gedanken überwiegen."

Um den Hanseaten einen positiven Ausgang dieser Saison prognostizieren zu können, blieb der einstige Champions-League-Dauergast von der Weser in diesem Kellerduell lange viel zu viel schuldig. Erst als das Untergangsszenario schon konkret Gestalt angenommen hatte, köpfelte Claudio Pizarro nach einer Junuzovic-Ecke das erlösende 2:2-Ausgleichstor (89.). Der peruanische Altmeister ersparte damit seinem Trainer Viktor Skripnik eine leidige Debatte um dessen Anstellung. "Wir spüren die Unterstützung vom Verein. Das Vertrauen und die Rückendeckung sind da", sagte der Ukrainer, um fatalistisch nachzuschieben: "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Bis zum 34. Spieltag werden fünf, sechs Teams noch wackeln. Wenn wir es dann schaffen, sind alle überglücklich." Hat da einer schon ein Abstiegs-Finale am 14. Mai gegen die Frankfurter Eintracht vor Augen?

Der einzige gelungene Spielzug vor der Pause führt zur Bremer Führung

Skripnik müsste mittlerweile froh sein, wenn er dann noch in der Verantwortung stehen sollte. Obwohl der 46-Jährige seine spielerisch stärkste Elf aufbot, langte es im ersten Durchgang nur zu einem gelungenen Spielzug, den Torjäger Anthony Ujah prompt mit dem 1:0 (33.) abschloss. Doch es passte zur Bremer Wankelmütigkeit, dass der Ex-Werderaner Sandro Wagner einen an ihm selbst von Torwart Felix Wiedwald ("Ich treffe ihn leicht, er nimmt es dankend an") verursachten Elfmeter lässig zum 1:1 verwandelte (44.).

Werder entwickelte in der zweiten Halbzeit zwar viel Druck, geriet aber nach einer weiteren Standardsituation in Rückstand, als Aytac Sulu nach Freistoß von Tobias Kempe das zögerliche Wiedwald-Eingreifen bestrafte (82.). "So ein Gegentor ist ein Unding", zürnte Eichin und räumte ein: "Die Lage ist jetzt bedrohlich."

Allerdings gelte diese Feststellung nicht für den Trainer. Fragen zu Skripnik wollte Eichin, der wegen des sich abzeichnenden Weggangs von Sportdirektor Rouven Schröder zum FSV Mainz 05 selbst auf der Werder-Bank Platz genommen hatte, zwar nicht beantworten, aber eine Aussage ließ er sich dann doch entlocken: "Wenn wir erkennen würden, dass ein Bruch zwischen Trainer und Mannschaft da ist, würden wir reagieren, aber das ist nicht der Fall." Eichin weiter: "Wir als Verein müssen aus der Situation rauskommen - nicht Viktor Skripnik."

Der Überraschungssieg im Parallelspiel von Hannover 96 beim VfB Stuttgart hat die Lage für Werder zugespitzt. Denn nach der Partie bei Bayer Leverkusen am Mittwoch kommen bereits am Samstag die Niedersachsen mit dem einst von Eichin gestürzten Werder-Denkmal Thomas Schaaf ins Weserstadion.

Showdown am Samstag - da kommt Werder-Denkmal Schaaf mit Hannover

Eine Niederlage darf sich Skripnik auch deshalb nicht leisten, weil zu viele seiner Personalrochaden nicht wirken. Gegen den Aufsteiger beispielsweise den eigentlich offensiven Mittelfeldspieler Florian Grillitsch direkt vor der Abwehr zu postieren, half nicht weiter. Doch die Verunsicherung zog sich durch alle grün-weißen Mannschaftsteile - Torwart inklusive. Trotz körperlicher Überlegenheit gingen die Innenverteidiger Jannik Vestergaard und Papy Djilobodji im entscheidenden Moment vor dem 1:2 nicht zum Ball, im Mittelfeld fehlten lange Kreativität und Konzept, so dass dem nicht so schwachen Sturm die Serviceleistungen fehlen.

Darmstadts Trainer Dirk Schuster sah sich dennoch veranlasst, in der Pressekonferenz eine Eloge auf den Gegner zu verfassen. "Erste Halbzeit hatten wir die besseren Möglichkeiten, zweite Halbzeit hat Werder viel fürs Spiel getan und uns richtig eingeschnürt. Ich war beim Schlusspfiff ehrlich froh, dass wir einen Punkt in der Tasche haben. Ich wünsche Werder Bremen alles Gute: Sie sind spielerisch gut und kämpferisch überragend."

Nachfragen zu diesem Statement konnte Schuster lächelnd aus dem Wege gehen: Der Linienflug vom Bremer Airport gen Frankfurt machte einen sofortigen Aufbruch nach dieser gewagten These nötig.

© SZ vom 28.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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