Bremen erneut ohne Erfolgserlebnis:Plötzlich mutlos

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Der SV Werder hat Heimsiege verlernt: Beim 1:1 gegen den 1. FC Köln spielen die Bremer anfangs stark und dominieren die Partie nahezu nach Belieben - bis Anthony Ujah ein Elfmeter-Präsent ausschlägt.

Von Stefan Rommel, Bremen

Wer sich noch nicht so recht sicher war über die Bremer Gemütslage in diesen trüben Tagen, der musste sich nur nach Abpfiff der Partie gegen den 1. FC Köln umsehen und -hören. Mit einem Pfeifkonzert verabschiedeten Teile der gewiss leidensfähigen Fans ihre Spieler in die Kabine, die Geduld der Anhängerschaft ist mit dem Ende einer völlig missratenen Hinrunde im heimischen Stadion offenbar überstrapaziert.

Das 1:1 (1:0) gegen den 1. FC Köln war zwar der erste Punktgewinn nach zuvor fünf Niederlagen in Serie im Weserstadion. Die Art und Weise, wie Werder einen durchaus möglichen, ungemein wichtigen Sieg gegen die biederen Gäste aber aus der Hand gab, verstärkt die Sorgen aller Bremer. "Es ist mir scheißegal, ob wir eine reife Mannschaft haben oder nicht. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und unsere Heimspiele in den Griff bekommen", zürnte Kapitän Clemens Fritz nach einer Partie, die sich recht einfach unterteilen lässt: in eine Phase vor und eine nach der 38. Minute.

Der Ex-Kölner Ujah stürzt, verschießt aber den unberechtigten Elfmeter

Werder führte zu diesem Zeitpunkt verdient mit 1:0, Jannik Vestergaard hatte seine Mannschaft bereits nach 198 Sekunden mit der Schulter in Führung gebracht. Dann fiel Anthony Ujah im Kölner Strafraum einfach hin und Schiedsrichter Guido Winkmann auf den Plumpser des Bremers rein. Ujah selbst drängelte sich vor der Ausführung des geschenkten Strafstoßes vor, die Versuche der Kollegen, den ehemaligen Kölner von seinem Vorhaben doch noch abzubringen, scheiterten ebenso kläglich wie Ujah wenige Sekunden später beim Duell mit FC-Keeper Timo Horn. "Er hat in dieser Situation alles gemacht, was man nicht machen sollte", sagte Bremens Sportdirektor Thomas Eichin. "Gegen den Ex-Klub schießen und gegen einen Keeper, der einen kennt. Und natürlich als Gefoulter selbst antreten." Das 2:0 wäre wohl die Entscheidung gewesen gegen einen FC, der bis dahin im Prinzip gar nicht stattfand.

Gehalten: Der Bremer Anthony Ujah (Nr. 21) vergibt einen Elfmeter gegen Kölns Torwart Timo Horn. (Foto: Martin Stoever/Getty Images)

Timo Horn war der Bremer Spielverderber, der anders als sein Augsburger Kollege Marwin Hitz am vergangenen Samstag gegen Köln nicht rabiat den Elfmeterpunkt bearbeitet hatte. "Den Ball habe ich einfach nur fair abgewehrt." Weniger fair fand er das Verhalten des ehemaligen Kollegen Ujah. "Es ist schade, dass immer wieder mit Schwalben gearbeitet wird, für mich war das eine grobe Unsportlichkeit." So in etwa wollte es vielleicht auch Kölns Sportdirektor Jörg Schmadtke formulieren, er vergriff sich dabei aber beim vierten Offiziellen etwas im Ton und musste die zweite Hälfte nach kurzer Halbzeitdebatte mit Schiedsrichter Winkmann auf der Tribüne zubringen. (siehe zweiten Text)

Sventos doppelte Premiere gegen mutlose Bremer

Von dort oben sah auch er, dass die Kölner Mannschaft danach besser ins Spiel kam. Oder, wie Trainer Peter Stöger es formulierte, " jenes Engagement und jene Körpersprache gezeigt hat, die man in so einem Spiel braucht". Dem Trainer aus Österreich glückten in der Halbzeitpause zudem einige personelle und taktische Umstellungen, die nach dem Wechsel zu einem völlig anderen Spielverlauf führten.

Köln drängte die Gastgeber immer noch weiter in deren Hälfte zurück, Werder verlor so gut wie jeden Zug nach vorne, "eigentlich konnten wir nur noch durch Einzelaktionen von Levin Öztunali oder später Claudio Pizarro für Angriffe sorgen", wie Eichin feststellte. Clemens Fritz bestätigte das auf seine Art, indem er klagte, nach der Pause habe Werder "zaghaft und ängstlich" agiert. "Wir sind immer noch einen Schritt weiter zurückgewichen, uns hat völlig unbegründet der Mut verlassen."

Köln dominierte nun also das Mittelfeldzentrum und brachte zudem seine Flügelspieler besser in Position. Die Folge waren bis zum Schlusspfiff zehn Torschüsse der Gäste in der zweiten Halbzeit - in den ersten 45 Minuten war es lediglich ein einziger gewesen. Es dauerte dennoch bis zur 78. Minute, ehe der FC seine 366 Minuten währende Bundesliga-Torflaute beenden konnte. Nach einer Flanke von rechts scheiterte Yuya Osako noch am glänzend reagierenden Felix Wiedwald, das energische Nachsetzen und der folgende krumme Schuss von Dusan Svento aber waren auch für den Bremer Torhüter zu viel. Osako lag hinter ihm im passiven Abseits, stellte sich aber tot und griff somit nicht ins Spiel ein.

Für Svento, der etwas überraschend zum ersten Mal in dieser Saison überhaupt in die Kölner Startelf rutschte, war es das erste Bundesligator. "Freuen kann ich mich darüber aber nicht so sehr", sagte der Schütze. "Wir hätten hier am Ende auch noch gewinnen können. Den möglichen Sieg hätte ich sofort gegen mein Tor eingetauscht." Die DFL wird da wohl nicht mit sich reden lassen, also müssen beide Klubs mit diesem einen Punkt leben. Köln dürfte dies angesichts von nunmehr 21 Zählern deutlich leichter fallen als Werder. "Dieser eine Punkt ist natürlich zu wenig", sagte Eichin, "aber wer weiß - vielleicht nützt er uns ja nochmal?"

© SZ vom 13.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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