Boxer-Comebacks:Vier Jahreszeiten an einem Tag

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Ali, Patterson, Foreman, Holyfield oder nun auch Axel Schulz - Boxer leiden unter Entzug und kehren zurück.

Roland Schulz

Er ist alt geworden. Sein Gang ist so schleppend wie seine Sprache, die Worte sind verwaschen, die Glieder schwer, und seine Siege sind nur mehr Schatten der Erinnerung an eine Zeit, als alles anders war. Schöner. Größer. Besser. Und er selbst noch jung. Er sehnt sich zurück in diese Zeit, er habe, sagt er seinem Trainer, da immer noch was übrig, unten im Keller, und dann klopft er gegen sein Herz.

Alle sagen, sein Vorhaben sei Wahnsinn. Er will es nicht hören. Als er zurückkehrt zum Ring, im Feuersbrunstlärm der Massen, die seinen Namen rufen, im blitzenden Licht der Scheinwerfer, da atmet er die Atmosphäre ein wie ein Ertrinkender, dessen Kopf noch einmal durch die Wasseroberfläche bricht. Er ist zurück.

Es fügt sich vortrefflich, dass diese Geschichte, das Comeback des berühmtesten Boxers der Filmgeschichte, Rocky Balboa, im Frühjahr ins Kino kommen wird - just zu der Zeit, da in Deutschland auch im echten Leben die alten Männer in die Ringe zurückkehren: Axel Schulz, 38, der heute sein Comeback gibt, und Henry Maske, bald 43, der Ende März dran ist.

Gegen das Alter bestehen

Wer jetzt entrüstet aufschreit, weil er vielleicht selbst zwischen 38 und 43 Jahren alt ist, sich aber noch als ganz stattlich und nicht im mindesten als alter Mann begreift, der hat das Wichtigste am Phänomen Comeback schon verstanden. Die Faszination des Comebacks rührt daher, dass da jemand etwas versucht, was jedem gerne gelingen würde - gegen das Alter zu bestehen.

Ein Comeback meint den Rücktritt vom Rücktritt, und nirgends wird das so unmittelbar fassbar wie im Boxen: Da kommt einer zurück, um wieder zu kämpfen, da will es jemand nochmal wirklich wissen, und vor allem - da will es einer nochmal allen zeigen. Und in einem Kinofilm schafft er es sogar. Es sagt viel, dass Axel Schulz sich zur Vorbereitung auf sein Comeback auch die "Rocky"-Filme ansah, "zur Motivation", wie er sagte.

Das Leben folgt aber keinem Drehbuch, erst recht nicht in einem Sport wie Boxen. "Boxen ist kein Rasenhalma", pflegt Manfred Wolke zu sagen, der ehemalige Trainer von Axel Schulz. In diesem Satz findet sich die Essenz dieses Sports: Hier bedeutet Wettkampf in der Tat Kampf, eins gegen eins, unmittelbar. Das macht ein Comeback im Boxen zu einer ganz anderen Sache als sonst.

Ein Fußballspieler wie Maradonna kann sein Comeback ankündigen und dann ein wenig über den Rasen walzen, außer Spott wird nicht viel passieren - ein Boxer wird auf eine andere, eine unerbittliche und unwiderlegbare Weise daran erinnert werden, dass seine Zeit vorbei ist. Die Rückkehr zum Ring ist deswegen das Comeback schlechthin. Das macht Comebacks im Boxen so interessant.

Da der Kampfsport Boxen Kämpfernaturen bedingt, gab und gibt es immer wieder genug Boxer, die trotz fortschreitenden Alters sagen: Das schaff' ich noch. Ihre Liste ist lang. Archie Moore, Floyd Patterson, Muhammad Ali, Sugar Ray Leonard, George Foreman, Evander Holyfield, alle, alle kamen sie zurück.

Manche gewannen auch, George Foreman zum Beispiel, im Winter 1994, gegen Michael Moorer: Nach Punkten hoffnungslos zurückliegend, schaffte es der damals 46-jährige Foreman eine Unachtsamkeit Moorers auszunutzen und ihn K.o. zu schlagen.

Am Ende verlieren sie immer

Das war ein Ereignis wie vier Jahreszeiten an einem Tag. Denn ganz gleich, welche Siege man heranziehen mag, um die Möglichkeit eines erfolgreichen Comebacks zu beweisen, die Wahrheit bleibt eine andere: Am Ende verlieren sie immer.

Der 37-jährige Joe Louis unterlag 1951 gegen Rocky Marciano, der 38-jährige Muhammad Ali verlor 1980 gegen Larry Holmes, am Ende erwischte es auch den Meister in der Disziplin des Comebacks: Der große, aber irgendwann eben auch einmal 40-jährige Sugar Ray Leonard wurde 1997 bei seinem vierten Comeback von Hector Camacho dermaßen durch den Ring geschlagen, dass er das erste Mal in seiner Karriere durch K.o. verlor. Er hatte gedacht, er schaffe es nochmal. Er lag falsch. Wie so viele vor ihm.

Die Boxlegende Sugar Ray Robinson hat die Hinterhältigkeit von Comebacks im Boxen einmal so beschrieben: Jeder Boxer sage sich, er höre in dem Moment auf, wenn er anfange, nachzulassen - doch dann "wachst du eines morgens auf, und es ist schon passiert".

Die Comeback-Gegner: aus den Tiefen der Rangliste

Den wenigsten gelingt es dann, tatsächlich aufzuhören. Sie kündigen ihren Rücktritt an, betonen seine Endgültigkeit, aber dann packt es sie wieder. Warum nur? "Ego, nichts als Ego", antwortete Weltmeister Archie Moore, der noch mit 51 Jahren im Ring stand, auf diese Frage. "Zuweilen leiden Boxer an Entzugserscheinungen." Sie sehnen sich nach dem Kampf, dem Ruhm, der Atmosphäre, sie schnappen danach wie ein Ertrinkender nach Luft.

Wenn ihnen dieser Wahn nicht ganz zu Kopf gestiegen ist, suchen sie sich für ihr Comeback einen Gegner aus, der schwächer ist als sie es einst waren. George Foreman boxte bei seinem Comeback gegen einen Gegner aus den Tiefen der Rangliste, ebenso hielt es Evander Holyfield. Axel Schulz dagegen hat sich Brian Minto ausgesucht, Nummer 26 der unabhängigen Weltrangliste.

Er sagt, er sei noch nicht fertig mit dem Boxen. Er sagt, er wolle es nochmal wissen. Es klingt wie der Slogan zum neuen "Rocky"-Film: "It ain't over 'till it's over". Es ist solang nicht vorbei, bis es vorbei ist.

© SZ vom 25.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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