Boxen:Zeit zur Resignation

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In seinem letzten wichtigen Kampf wird Markus Beyer gegen den Dänen Mikkel Kessler ausgezählt.

Bertram Job

Als es vorbei war, wirkte der Geschädigte weder physisch noch mental zerstört. Eine kleine Schramme war über Markus Beyers Augenbraue zu erkennen, als er nach dem frühzeitigen Abbruch dieses seltsamen Ringduells in seine Ecke schlurfte wie nach einer ganz gewöhnlichen Spätschicht. Ansonsten ließen sich keine dramatischen Details am Erscheinungsbild feststellen. Und dann folgte dieser an den Trainer Ulli Wegner gerichtete Satz, der eher zu einem Zeugen als zum Hauptakteur einer WM im Berufsboxen passt. ,,Der haut mit der Rechten die Kohle, das gibt's gar nicht'', teilte der 35-Jährige seinem Sekundanten mit. Ob das nun eine Entschuldigung, eine Erklärung zumindest oder bloß eine Feststellung war - es wird vermutlich so rätselhaft bleiben wie manch anderes im Seelenleben des schwer zugänglichen Charakters.

Nichts geht mehr: Markus Beyer wird ausgezählt. (Foto: Foto: AP)

Klarer scheint dagegen, dass sich die Laufbahn des dreimaligen Champions im Supermittelgewicht nach dieser schnellen Pleite im Vergleich mit Mikkel Kessler, dänischer Titelträger der WBA, dem Ende zu neigt. Denn bei seinem 38.Auftritt als Profi wirkte der Rechtsausleger im Ring des Kopenhagener Parken Stadions tatsächlich wie ein emotional unbeteiligter Zuschauer. Der Kampf war als echter Gipfel zweier konkurrierender Weltmeister eingebimmelt worden, mutmaßlich also ein Mega-Fight. Doch schon zuvor waren Zweifel erhoben worden, ob WBC-Titelträger Beyer (bis dahin 37 Kämpfe, 34 Siege) im elften Jahr seiner Karriere mit dem um acht Jahre jüngeren Kessler (27 Kämpfe, 27 Siege) mithalten könnte. Zu oft hatte der hochveranlagte, aber am tieferen Sinn seines Tuns zweifelnde Erzgebirgler zuletzt eher durch die Protektion gnädiger Juroren sowie eines notorischen Ringarztes überlebt statt wirklich zu überzeugen. ,,Der wird nichts mehr'', hatten selbst ernannte Insider der Boxszene im Jargon von Hundezüchtern befunden, als Beyer nach einer K.o.-Niederlage zwischenzeitlich einen Psychologen um Hilfe bat - so, als sei dies an sich schon ein Fehler in der testosterongesteuerten Welt des Kontaktsports.

Wie beim Lastwagen-Ziehen

Nun durften sich die Skeptiker bestätigt fühlen. Viel zu passiv gab Beyer die ersten beiden Runden ab und nahm die stechenden Führhände seines an Reichweite überlegenen Gegners wie eine Heimsuchung der Natur. Angestachelt von Trainer Wegner wagte sich der Konterboxer in Runde drei plötzlich mit hängender Rechte nach vorne - und wurde prompt durch zwei schnelle Wirkungstreffer ausgekontert. Es folgten nur noch die Lottozahlen - acht, neun, zehn.

Zu einem anderen Zeitpunkt seiner Karriere hätte Beyer vielleicht noch einmal den Kampf aufgenommen. Doch an diesem Abend wirkte er eher wie ein nicht mehr ganz junger Mann, der mal kurz versucht, einen Lastwagen hochzuheben - und beim ersten Anziehen die Aussichtslosigkeit seines Treibens erkennt. So blieb auch seinen Betreuern nach der Resignation nicht mehr viel übrig, als die Leistung des übermächtigen Siegers zu preisen. Trainer Wegner hatte bei diesem ,,'ne wunderbare Rechte'', gesehen. Promoter Wilfried Sauerland hätte Mikkel Kessler am liebsten gleich verpflichtet und gestand, auf eine Entscheidung über die volle Distanz gehofft zu haben. Was nur heißen kann: auf eine glimpflichere Niederlage. So schnell, fair und klaglos sich alle in die sportliche Pleite fügen wollten, bestätigten sie um so mehr den Verdacht, nie wirklich vom Gewinnen überzeugt gewesen zu sein. Schon vorher wurde gemunkelt, dass Beyer bereits mit seinem Promoter über einen Abschiedskampf in Deutschland verhandelt habe - Sieger tun sowas nicht. Ein Vertrag über die künftige Arbeit als Co-Kommentator beim Fernsehen soll ebenfalls unterschrieben sein.

So fällt der Boxer eventuell weicher als sein Management, das um künftige Ringhelden ziemlich verlegen ist. Außer dem russischen Giganten Nikolai Waluew, Champion der WBA, sowie seinem Landsmann Powetkin ist im Berliner Boxstall wenig Zukunft zu entdecken. Arthur Abraham, der am Kiefer operierte IBF-Champion im Mittelgewicht, muß noch etliche Monate pausieren. Es sind die TV-Quoten, die hierzulande über die weitere Zukunft des Boxens entscheiden werden. Und so betrachtet, ist mit Markus Beyer auch eine Säule des Geschäfts in Kopenhagen weggebrochen. Nun tritt das letzte Exemplar einer Generation deutschsprachiger Quotenträger ab, um auf die andere Seite der Bühne zu wechseln. Viele deutschsprachige Weltmeister wird er dabei künftig nicht vors Mikrofon bekommen. Am besten also, er pflegt seinen herzlichen Kontakt zu seinem Bezwinger Mikkel Kessler.

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