Boxen:Im Ring der Niederungen

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Wladimir Klitschko kämpft gegen den Kubaner Eliseo Castillo und kann dabei nur verlieren.

Von Ulrich Hartmann

Die Klitschko-Brüder haben bewegende Wochen hinter sich. Im Winter haben sie in der ukrainischen Heimat beim Wahlkampf geholfen und Herausforderer Viktor Juschtschenko ins Präsidentenamt geleitet. Im Februar wurde ihnen in Hamburg die Goldene Kamera überreicht. Im März waren sie in New York vom Ukrainischen Institut von Amerika zu "Personen des Jahres" ernannt worden. Das Tollste aber ist: Nach Jahren der Stagnation werden wieder mehr Taschentücher verkauft von der Marke, für welche die Boxer in der Werbung die naiven Spaßvögel mimen.

Wladimir Klitschko und der Kubaner Eliseo Castillo (Foto: Foto: dpa)

Die Vita von Wladimir und Vitali Klitschko hat etwas von der des infantilen Filmhelden Forrest Gump. Überall sind die braven Klitschkos dabei, in Politik und Promikreisen, Funk und Fernsehen, bei Festen und für gute Zwecke. Das Leben von Wladimir, dem Jüngeren, könnte so schön sein - wenn er nicht ab und zu auch mal boxen müsste. Sein Bruder Vitali, 33, ist der aktuelle Schwergewichts-Weltmeister nach Version der WBC , Wladimir, 29, tat sich dagegen zuletzt schwer im Ring. In seinen letzten beiden Kämpfen um den WM-Titel ist er schön versohlt worden. Dass seine Popularität hierzulande ungebrochen ist, verdankt er seinem Doppelgänger. Die Brüder treten immer gemeinsam auf. Sie sind eins in der Wahrnehmung. "Die meisten können gar nicht unterscheiden, wer wer ist", sagt ihr Berater Bernd Bönte. Das ist genial. So macht der sportliche Misserfolg des einen keinen Werbevertrag zunichte.

Doch das Gleichgewicht muss wieder hergestellt werden. Es darf nicht einen starken und einen schwachen Klitschko geben. Wladimir sagt: "Wir wollen beide Weltmeister sein." Zum Glück gibt es beim Boxen vier konkurrierende Verbände. Während Vitali der Champion des WBC ist, will Wladimir im Winter der beste Schwergewichtler der IBF werden. Zuletzt Weltmeister war er allerdings bei der WBO. Bevor er nun wieder um einen WM-Titel boxen darf, muss er aber erst beweisen, was er kann, und dazu stellt man ihm am heutigen Samstagabend in der Dortmunder Westfalenhalle den in Miami lebenden Kubaner Eliseo Castillo, 29, in den Ring.

Fallobst oder Held

Den darf Klitschko nach Belieben beschlagen, um sich für die Titelherausforderung zu qualifizieren. Klitschkos Trainer Emanuel Steward sagt mit dramatischem Timbre: "Dieser Kampf ist seine letzte Chance." Wladimir Klitschko sagt: "Eigentlich will ich noch nicht über meine letzte Chance sprechen, aber meine Zukunft als Boxer hängt davon ab, was an diesem Abend passiert."

Es ist eine alte Geschichte beim Faustkampf, dass die willkürlich erwählten Testgegner als Fallobst abgetan, vom Boxer selbst aber zu Heroen stilisiert werden. Castillo also ist: "Der talentierteste junge Boxer." Und: "Der schwerste mögliche Gegner." Berater Bönte versichert: "Es macht gar keinen Sinn, eine Gurke zu präsentieren." Wladimir müsse seine Titelreife beweisen, und der amerikanische Bezahlfernsehsender HBO akzeptiere keineswegs jeden beliebigen Gegner, denn der Kampf wird schließlich zeitversetzt nach Übersee übertragen. Man muss nun nicht unbedingt gespannt sein, wer dieses Duell am Samstag (22.40 Uhr, live in der ARD) gewinnt, aber doch, in welcher Form sich Wladimir Klitschko präsentieren wird.

"Wer gestärkt aus einer Niederlage hervorgeht..."

Er fühle sich topfit, sagt er, ein Trainingslager auf Mallorca hat ihm dabei geholfen, und was da Schlimmes passiert ist vor einem bzw. zwei Jahren in den Titelkämpfen gegen Lamon Brewster und Corrie Sanders, deren Jubelgesten der niedergeschlagene Klitschko aus der Froschperspektive erleben hatte müssen, das soll ihn für diesmal nur noch besser gemacht haben. "Wer gestärkt aus einer Niederlage hervorgeht", sagt der promovierte Sportwissenschaftler und gelernte Phrasendrescher, "wird umso erfolgreicher sein."

Trainer Steward sieht das Ganze skeptisch, um dem Kampf Dramatik einzuhauchen. "Es ist eine No-Win-Situation", sagt er. Wladimir könne nur verlieren. Zuletzt hatte sein Schüler am 2. Oktober im Ring gestanden und einen glanzlosen Abbruchsieg gegen den Amerikaner DaVarryl Williamson gefeiert. Es ist Klitschkos erster Kampf in Deutschland seit 16 Monaten. "Hier zahle ich Steuern", sagt er, wenn er seine Treue zur Wahlheimat dokumentieren will.

Die Rückkehr bedeute ihm viel. Er muss in Dortmund allerdings auf den Beistand seines Bruders Vitali verzichten. Dem ist in Los Angeles ein Knochenvorsprung aus der Wirbelsäule entfernt worden, weshalb seine Titelverteidigung gegen Hasim Rahman (USA) von Juli auf September verlegt wurde. Etwas später will dann auch Wladimir um den Titel kämpfen. Die Brüder arbeiten weiter an ihrer Verwechselbarkeit. Deshalb werden sie auch nie gegeneinander kämpfen. Dieses Versprechen bleibt.

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