Box-Legende:"Er war ein großer Champion"

Lesezeit: 5 min

Max Schmeling wäre heute 100 Jahre alt geworden. Als bisher einziger Deutscher hat er den Weltmeistergürtel im Schwergewicht getragen. Unvergessen ist sein Knockout gegen den als unbesiegbar geltenden Joe Louis. Während des Nazi-Regimes versteckte Schmeling Juden in seinem Hotelzimmer und rettete ihr Leben.

Der schwere Eichenschreibtisch steht noch da wie immer. Ein Globus links in der Ecke, die Autobiographie "Erinnerungen" auf der Tischplatte, dahinter ein volles Bücherregal. An der Wand hängt eine Karte von Pommern mit Nadeln auf dem Geburtsort Klein Luckow und dem im Krieg verlorenen Gut Ponickel. Eine Autogrammkarte der Klitschko-Brüder. Die Ehrenbürgerurkunde von Los Angeles. Es sieht aus, als hätte Max Schmeling sein Arbeitszimmer in seiner Hamburger Coca-Cola-Niederlassung eben erst verlassen.

Max Schmeling ist eine Legende. (Foto: Foto: DPA)

"Wir haben hier nichts verändert", sagt Heiko Stöhr, der als Nachfolger des im Februar gestorbenen Box-Idols die Geschäfte des Abfüllbetriebes leitet. Wie ein heiliger Gral wird das Büro gepflegt, die Max-Schmeling-Stiftung hält dort ihre Vorstandssitzungen ab. "Hier spüren wir noch etwas von seinem Geist", sagt Stöhr.

Krasniqi: "Er ist ein Vorbild durch sein ganzes Leben."

Heute wäre Max Schmeling 100 Jahre alt geworden. Und heute versucht der Luan Krasniqi aus Rottweil in der Hansestadt gegen Champion Lamon Brewster als erster Deutscher nach Schmelings Titelgewinn 1930 wieder Box-Weltmeister im Schwergewicht zu werden.

Ein geschickter PR-Schachzug von Krasniqis Promotor Klaus-Peter Kohl, auch wenn Krasniqi natürlich alle Vergleiche mit Schmeling weit von sich weist: "Er ist ein Vorbild durch sein ganzes Leben, ich kann mich nicht mit ihm vergleichen, auch wenn ich den Titel holen sollte."

Zahlreich sind die posthumen Ehrungen für den deutschen Jahrhundert-Sportler. Eine Sonderbriefmarke der Deutschen Post zu Gunsten der Sporthilfe ist auf dem Markt. Box-Promotor Wilfried Sauerland hat sein neues Gym in Berlin nach Schmeling benannt. Bereits am Montag eröffnete im Helms-Museum in süderelbischen Hamburger Stadteil Harburg auf 400 Quadratmetern die Ausstellung "Max Schmeling - Der Boxer".

"Der Name Schmeling zieht"

Das Projekt war noch zu Lebzeiten des Boxers geplant. Schmeling hat bei der Auswahl der Exponate mitgeholfen. "Damit hat er unser Unternehmen geadelt", sagt Museumsdirektor Rainer-Maria Weiß.

Auch persönliche Ausstellungsstücke wie der goldene Weltmeisterschaftsring von 1930 und signierte Handschuhe, die aus dem Nachlass von Schauspieler Heinz Rühmann stammen, gibt es zu sehen.

Noch bis zum 1. Oktober läuft eine Ausstellung mit im historischen Bahnhof von Bad Saarow (Brandenburg), wo Schmeling und seine Frau Anny Ondra zwischen 1930 und 1938 ein Sommerhaus besaßen.

Außerdem wird in dem 4000-Einwohner-Ort am Scharmützelsee ein "Max-Schmeling-Weg" eröffnet, der durch den Ort führt und den Fremdenverkehr ankurbeln soll. "Der Name Schmeling zieht", sagt Bert Kriegel vom örtlichen Bahnhofshotel.

Darauf hofft auch die Gemeinde Hollenstedt vor den Toren Hamburgs, in deren Ortsteil Wenzendorf Schmeling sein Grundstück besaß. Seit den fünfziger Jahren bis zu seinem Tod am 4. Februar lebte er dort. Das rund 8,7 Hektar große Anwesen vererbte Schmeling der Gemeinde, die allerdings noch immer überlegt, was sie mit dem Gelände anfangen soll.

Auf dem Hollenstedter Dorfriedhof hat Schmeling neben seiner 1987 verstorbenen Frau Anny die letzte Ruhestätte gefunden. Ab und an kommen Besucher, um dem Sportidol die letzte Ehre zu erweisen. Wie am letzten Samstag, als eine schwarze Limousine vorfuhr und ein starker Mann mit schwarzer Sonnenbrille ausstieg und am Grab betete.

Lamon Brewster machte seine Aufwartung: "Schmeling hat meinem Idol Joe Lewis eine würdevolle Beerdigung bezahlt. Er war ein großer Champion."

>>> Auf der nächsten Seite: "Karl der Große", ein "weicher Riese" und "de Ox": Welche deutschen Schwergewichtler kamen nach Schmeling?

Schmerzhaft, kurios, erfolglos: Die WM-Bilanz der deutschen Profiboxer im Schwergewicht ist kein Ruhmesstück.

Der unbekannte Boxer Axel Schulz lieferte dem großen George Foreman 1995 einen Klasse-Kampf. Am Ende verlor der Deutsche umstritten. Danach schaffte er es in zwei weiteren Anläufen nicht, Weltmeister zu werden. (Foto: Foto: DPA)

Noch immer ist der große Max Schmeling der einzige deutsche "Champion aller Klassen" in der 123-jährigen Geschichte des modernen Profiboxens.

Doch auch der im Februar gestorbene Gentleman-Boxer hätte sich die Krone lieber auf eine andere Art geholt: Schmeling ging am 12. Juni 1930 in New York als der erste Schwergewichtler in die Historie ein, der am Boden liegend Weltmeister wurde.

"Karl der Große" gegen den "Größten"

Gegner Jack Sharkey wurde nach einem Tiefschlag in der 4. Runde disqualifiziert. Mit dem Sieg über 15 Runden gegen Sharkeys US-Landsmann Young Stribling wetzte der Deutsche diese Scharte aber aus und verlor den Meistergürtel dann am 21. Juni 1932 gegen Sharkey äußerst umstritten über 15 Runden nach Punkten. Selbst einige amerikanische Experten sprachen danach von einem Fehlurteil.

Danach gab es für die Deutschen nichts mehr zu holen im höchsten Limit.

Schmeling scheiterte gegen den braunen Bomber Joe Louis, dem er 1936 sensationell die erste Niederlage beigebracht hatte, am 22. Juni 1938 kläglich, als er nach zwei Niederschlägen in der ersten Runde aus dem WM-Kampf genommen wurde.

Erst 28 Jahre später durfte wieder ein Deutscher um die WM boxen. Der große Muhammad Ali gab Karl Mildenberger eine Chance, doch die konnte "Karl der Große" nicht nutzen. Der Ex-Europameister aus Kaiserslautern lieferte dem "Größten" vor 30.000 Zuschauern im Frankfurter Waldstadion aber einen beherzten Kampf, machte nach einer steifen linken Geraden von Ali zwar eine Rolle rückwärts, wurde aber im Stehen völlig entkräftet in der 12. Runde aus dem Kampf genommen.

Drama in drei Akten

Immerhin steht "Milde" in den Geschichtsbüchern als der erste Rechtsausleger, der um den Titel aller Klassen boxte.

Doch erst das Drama in drei Akten um Axel Schulz bewegte die Gemüter in Deutschland wie einst Schmeling. Der "weiche Riese" aus Frankfurt/Oder griff innerhalb von 14 Monaten gleich dreimal nach der Krone.

Am 22. April 1995 lieferte Schulz dem ältesten Schwergewichts-Weltmeister aller Zeiten, Big George Foreman, einen beherzten Kampf - wurde durch die Punktrichter aber um den seiner und der öffentlichen Meinung nach verdienten Lohn gebracht.

Als Entschädigung bekam er eine weitere WM-Chance gegen die scheinbar lösbare Aufgabe Francois Botha, vertreten durch Promoterkönig Don King. Der Kampf am 9. Dezember 1995 in Stuttgart war alles andere als denkwürdig, die Veranstaltung allerdings schon.

Fliegende Magnum-Champagner-Flaschen

Nachdem der "Weiße Büffel" Botha zum Punktsieger über einen schwachen Schulz erklärt worden war, ging alles im Chaos unter. Zuschauer prügelten sich, Magnum-Champagner-Flaschen flogen quer durch die Luft, und Henry Maske krabbelte nebst Ehefrau Deckung suchend unter die Stühle.

Botha war bekanntlich gedopt, Schulz bekam Chance Nummer drei und verlor auch diese nach Punkten gegen Michael Moorer im verregneten Dortmunder Westfalenstadion.

Den bislang letzten Versuch hatte schließlich Willi Fischer. "De Ox" aus Frankfurt wurde allerdings von WBO-Weltmeister Herbie Hide am 26. September 1998 schwer vermöbelt und in der zweiten Runde aus dem Kampf genommen.

>>> Auf der nächsten Seite: Max Schmeling und das Boxen - Ausstellung im Hamburger Helms-Museum

"Eigentlich sollte dies eine Ausstellung für Max Schmeling sein, nun ist es eine über ihn geworden", sagt Rainer-Maria Weiß, Direktor des Hamburger Helms-Museums, das am Montag eine Schau über die Box-Legende eröffnet hat. Eigentlich war die Ausstellung für Schmelings 100. Geburtstag konzipiert worden. Doch dann starb er in diesem Februar.

So rückten Dokumente aus seinem Nachlass in den Mittelpunkt der Schau, die bis zum 31. Dezember auch über die Geschichte des Faustkampfes von der Antike bis zur Gegenwart informiert.

Sein berühmtester Fight war kein Titelkampf

Sechs Schautafeln geben einen Überblick über die einzelnen Abschnitte in Schmelings bewegtem Leben, das 1905 im uckermärkischen Klein-Luckow beginnt. Mit 17 Jahren, bereits auf der Suche nach Ruhm im Ring, bricht Schmeling ins Rheinland auf, das damalige Zentrum der deutschen Boxszene.

1926 landet der junge Faustkämpfer in Berlin seinen ersten Coup - die deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht. Vom Ende der 20er Jahre an geht es dann rapide aufwärts, Schmeling beginnt in den USA zu boxen. Gegen Jack Sharkey gewinnt er 1930 den Weltmeistertitel im Schwergewicht, den er 1931 verteidigen kann.

Seinen berühmtesten Kampf 1936 gegen den "Braunen Bomber" Joe Louis trägt Schmeling allerdings nicht um einen Titel aus.

Trotzdem stilisiert die Nazi-Propaganda seinen K.o.-Sieg in der zwölften Runde gegen den haushoch favorisierten US-Amerikaner zum "Beweis der Überlegenheit der arischen Rasse" hoch.

Begehrtes Model

Tjark Petrich, Projektleiter der Ausstellung, möchte, dass sich jeder Zuschauer ein eigenes Bild von Schmelings Rolle als Vorzeige-Athlet des Dritten Reiches macht. "Wir wollten die enge Verknüpfung von Sport und Politik in dieser Zeit zeigen", sagt Petrich.

Viele Exponate aus Schmelings Nachlass werden zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Die Erinnerungsstücke kommen alle aus dem Haus der Box-Legende in Hollenstedt und wurden dem Museum von Schmelings Stiftung übergeben.

In die Nordheide war Schmeling nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner tschechischen Ehefrau, der Stummfilmdiva Anny Ondra, gezogen. Dort begann er ein zweites, erfolgreiches Leben als Inhaber einer Coca-Cola-Lizenz und leidenschaftlicher Jäger.

Daneben zeigt die Hamburger Schau Schmeling auch als begehrtes Modell für Künstler. So ist in der zweiten Etage des Museums ein aus dem Privatbesitz Axel Springers stammendes Ölporträt zu bewundern, das George Grosz in den wilden Zwanzigern von dem Boxer anfertigte.

© sueddeutsche.de/sid/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: