Borussia-Serie hält an:Rock nach dem Ruck

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Mit der Dynamik eines 19-Jährigen: Der auffallend starke Gladbacher Dahoud trifft zum 2:1. (Foto: Voelker/Eibner)

Das 5:1 in Frankfurt ist Gladbachs vierter Liga-Sieg nach dem Trainerwechsel. Eintracht-Coach Veh hadert.

Von Tobias Schächter, Frankfurt

Den richtigen Zeitpunkt für Veränderungen zu finden, ist eine heikle Sache. Armin Veh weiß das, seit einem Vierteljahrhundert ist der 54 Jahre alte Trainer im Geschäft. Bei seiner letzten Station in Stuttgart schmiss er schon nach zwölf Spielen wieder hin. Schnell hatte der ehemalige Meistertrainer des VfB damals gemerkt, dass die Rückkehr an die Stätte alter Erfolge ein Irrtum war. Veh kann sich vermutlich gut in den Kollegen Lucien Favre hineinversetzen, der Schweizer Trainer hatte ja vor fünf Wochen nach fünf Liganiederlagen sein Amt bei Borussia Mönchengladbach niedergelegt und jene Mannschaft verlassen, die er zuvor in die Champions-League geführt hatte. Und was seitdem beim VfL passiert, ist erstaunlich.

Seit der Gladbacher Manager Max Eberl nach Favres Rücktritt den U 23-Trainer Andre Schubert als Interimscoach installiert hat, gewann der VfL alle vier Spiele in der Liga. Am Samstag spielten die Gladbacher die jetzt von Veh trainierte Eintracht aus Frankfurt schwindlig. Es sei nicht gut gewesen für seine Elf, gerade jetzt auf diese Gladbacher getroffen zu sein, sagte Veh nach dem 1:5 vor eigenem Publikum: "Die waren einfach zu schnell für uns."

Nur zwei Punkte aus den vergangenen fünf Spielen, nur neun Punkte insgesamt - in Frankfurt herrscht nach gut der Hälfte der Hinrunde Ernüchterung. Nach dem Abpfiff ertönte ein Pfeifkonzert all jener, die nicht schon früher das Stadion verlassen hatten. Veh ist ja auch in Frankfurt ein Rückkehrer. In seiner vergangenen Amtszeit schaffte die Eintracht den Einzug in die Europa League. Die Hoffnung, dass Veh neue Höhenflüge auslösen könnte, erweist sich derzeit als Irrglaube. Veh selbst urteilt derb: "Wir stecken ziemlich in der Scheiße, Mannschaft und Trainer."

Die Rückkehr zu einer alten Liebe ist immer kompliziert, vor allem, wenn die Erwartungshaltung so groß ist wie in Frankfurt. Vehs Vorgänger Thomas Schaaf schmiss hin, weil er mit seiner eigenen Art bei Mannschaft und Publikum nicht gut ankam und kein Vertrauen mehr spürte. Aber jene 43 Punkte der Vorsaison zu erreichen, wird nicht einfach. Veh weiß, dass es so nicht weiter gehen kann, er sagt: "Wir müssen was ändern, wir kommen mit dem, was wir wollen nicht durch."

André Schubert macht weiter Werbung für eine langfristige Anstellung bei den Profis

Die Idee, mit offensivem Fußball zu punkten und das Publikum mitzureißen, ist mit dieser Mannschaft derzeit nicht umzusetzen. Vor allem im Mittelfeld fehlen Tempo und Torgefährlichkeit. Wahrscheinlich wird Veh vom System mit zwei Spitzen und einer Raute im Mittelfeld abrücken und künftig mit zwei Sechsern spielen. "Wir müssen kompakter werden, mehr Sicherheit in unser Spiel bekommen", fordert Veh und hofft so auf Besserung.

Wie schnell sich Situationen bessern können, erleben gerade die Gladbacher. Was genau passiert ist, seit Schubert von Favre übernahm, kann niemand präzise erklären. Verteidiger Tony Jantschke glaubt, nach dem Trainerwechsel sei ein "Ruck" durch die Mannschaft gegangen: "Wahnsinn!" Und jetzt rockt die Borussia die Liga. Plötzlich lebt der aus Hannover gekommene Lars Stindl neben dem überragenden Raffael, der in Frankfurt zwei Tore erzielte, auf. Granit Xhaka glänzte als Ballverteiler trotz eines Außenbandrisses im Sprunggelenk. Und Mahmoud Dahoud, erst 19, erzielte nicht nur ein Tor, sondern spielte im Mittelfeld souverän wie ein Routinier und dynamisch, tja, wie ein 19-Jähriger.

Andre Hahn, ein ehemaliger Offenbacher, schoss nach seiner Einwechslung noch zwei Tore in Frankfurt. Kurzum: Es läuft wieder in Gladbach. Trainer Schubert lässt diese Mannschaft offenbar den Fußball spielen, der sie jahrelang stark gemacht hat und der zuletzt unter Favre irgendwie blockiert war: "Was André macht, ist herausragend und Argument genug", lobt Sportdirektor Eberl.

Eigentlich ist Schubert als Übergangslösung installiert worden, aber mit jedem Sieg macht der 44-Jährige Werbung für eine langfristige Anstellung. Schubert sagt: "Ich genieße den Moment, es macht Spaß. Ich habe nie gesagt, dass ich nicht im Profibereich arbeiten möchte. Ich habe nur gesagt, dass ich es nicht zwingend brauche. Ich schließe es aber nicht aus, ob hier oder woanders." Schubert hat nach wechselvollen Erfahrungen in Paderborn und St. Pauli offenbar wieder Geschmack an der Arbeit im Profibereich gefunden.

Eberl sagt, noch habe er keine Verhandlungen mit anderen Trainern geführt, er sondiere den Markt: "Und es ist sicher nicht sinnvoll, den Trainer in einer Phase der Euphorie zu wechseln." Mit weiteren guten Ergebnissen bei Juventus Turin in der Champions League und im Heimspiel gegen Schalke könnte Schubert den Willen zur Veränderung bei Eberl weiter senken.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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