Borussia Mönchengladbach:Tarantula am Niederrhein

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Der Bökelberg ist Vergangenheit, die Arena im Nordpark die Zukunft. Die riesenspinnenartige neue Heimat der Borussia zieht die Mönchengladbacher in ihren Bann.

Von Ulrich Hartmann

Auf der lärmenden Baustelle herrscht Ergriffenheit. Zwischen stinkenden Farbeimern und kreischendem Handwerksgerät steht die Führungsriege des Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach in der gewaltigen Eingangshalle des neuen Stadions und schaut andächtig drein. Die neue Heimat zieht sie in den Bann. "Man beachte die Fliesen", sagt Rolf Königs, der Präsident, bei privaten Führungen gern, "es sind die gleichen wie am Düsseldorfer Flughafen." In der Sportsbar nebenan verweist er auf den edlen Holzboden und in der noblen Businesslounge auf die verzierte Decke. Königs hat ein Auge für Details und Material. Hauptberuflich leitet er eine Textilfirma.

Lachen im Foyer

Auch der Gladbacher Trainer Holger Fach ist beeindruckt vom Interieur. "Die nächsten 15 Jahre werdet ihr mich nicht mehr los", flüstert er Königs im Foyer zu. Der Präsident muss lachen. Begeisterung ist das, was er jetzt braucht. Borussia Mönchengladbach will wieder euphorisieren - sich und seine Fans. Mit einer neuen Mannschaft und einer neuen Arena. "Für den Verein beginnt ein neues Zeitalter", sagt Königs und rechnet mit sportlichen und wirtschaftlichen Erfolgen. Feierlich eröffnet wird das Stadion heute mit einem Fußballturnier, zu dem der AS Monaco und Bayern München anreisen (20.30 Uhr, live im DSF).

Wenn man mit dem Präsidenten eine Stadionbesichtigung macht, dann fährt er einen erst mal raus auf die Autobahn. Er will, dass man alles sieht: die Autobahnabfahrt, das Stadion aus der Ferne und die dreispurige Straße, die zum Stadion hinführt. Die Arena sieht mit ihren stützenden Metallbeinchen aus wie eine Riesenspinne aus einem Science-fiction-Film der Fünfziger - Clint Eastwood hat damals in "Tarantula" eine Bombe auf das mutierte Titelwesen geworfen.

Außer dem Stadion steht noch nichts im "Nordpark". In den nächsten Jahren sollen eine Hockeyarena sowie Geschäfts- und Wohnhäuser entstehen. Im Schatten des Fußballs soll das Areal genauso gedeihen wie jener Verein selbst, der in den Siebzigern der erfolgreichste deutsche Klub war und vor fünf Jahren mit einem gewaltigen Schuldenberg fast von der Bildfläche verschwunden wäre. "Der Verein war mausetot", sagt Königs, es drohte der Lizenzentzug.

Jetzt, nach sukzessiver Entschuldung "durch ein striktes Kostenmanagement" und dem Stadionbau durch Darlehen der Stadt und diverser Kreditinstitute, wähnt Königs die Borussia stark wie nie. Mit dem Auszug aus dem Stadion am Bökelberg wollen die Gladbacher auch Teile ihrer Vergangenheit zurücklassen. Zumindest die dunklen Momente. Die lichten mit Titeln und Triumphen hängen als riesige Fotos an den Wänden der neuen Arena.

Fast 90 Millionen Euro hat das Stadion gekostet. Für Grundstück, Erschließung und Bau. 53 000 Zuschauer passen hinein. 42 Millionen Euro beträgt der Saisonetat der Borussia. Es ist der vierthöchste der Liga und neun Millionen Euro höher als jener der vergangenen Saison. In einer Zeit, in der die Klubs sparen müssen, geben die Gladbacher mehr aus. "Das ist das Ergebnis unserer Mehreinnahmen", sagt Königs.

Die Differenz zur Vorsaison entspreche dem erwarteten Gewinn aus dem Betrieb des neuen Stadions. 22 000 Dauerkarten wurden verkauft, 1200 der 1500 Business Seats sind vergeben und 36 der 42 Logen im Oberrang der Haupttribüne. Für mindestens 50 000 Euro pro Saison werden die Logen an Firmen vermietet. Am Rande des Fußballfelds sollen hinter Glasfronten und in edlem Ambiente Geschäfte gemacht und Kunden akquiriert werden.

Königs' Drittelrechnung

An dieser Kontaktbörse verdient auch der Hausherr. "Wir brauchen das Geld, das die Arena abwirft", sagt Königs. Sein Finanzmodell sieht so aus: "Ein Drittel der Einnahmen vom Fernsehen, ein Drittel aus dem Sponsoring und ein Drittel aus dem Spielbetrieb." Wenn sich Erträge derart generieren lassen, dann glaubt Königs an eine rosige Zukunft.

Es bleiben Unwägbarkeiten. Die größte ist die Leistung der Fußballer. Deren Produktivität entscheidet über das Interesse der Kundschaft - über die Klassenzugehörigkeit und mögliche Einnahmen aus dem Europapokal. Drei Jahre lang hat die Borussia seit dem Wiederaufstieg 2001 gegen den Abstieg kämpfen müssen. Damit soll es vorbei sein. "Wir werden mit dem Abstieg nie wieder etwas zu tun haben", sagt Königs kategorisch. Keine Diskussion. Im Gegenteil: In drei Jahren wollen die Gladbacher wieder im Europapokal mitspielen. So lautet der Plan.

Mit sieben neuen Fußballern ist Borussia Mönchengladbach in der kommenden Saison zunächst auf die sportliche Konsolidierung aus. Richtig viel Euphorie vermochten die Zugänge Nico van Kerckhoven, 33, Christian Ziege, 32, Oliver Neuville, 31, oder Milan Fukal, 29, dann auch nicht zu verbreiten. Die Routiniers bringen den Hauch der erfolgreichen Vergangenheit mit in die moderne Arena. "Von Platz 5 bis 18 ist alles möglich", sagt Ziege unentschlossen. Er ist vom Trainer zum Kapitän ernannt worden.

Präsident Königs signalisiert derweil in jeder Hinsicht Begeisterung. "Wir haben ordentlich angeheuert", sagt er, "eine gute Melange." Viele junge und viele alte Spieler für viele Träume in der neuen Arena, die zunächst nur "Borussen-Stadion" heißt. In einem Jahr will man einen Namenssponsor präsentieren. In 13 Jahren soll die Arena abbezahlt sein und die neue Ära als Erfolg bilanziert werden. Diese Perspektive gehört mit dazu - zur Ergriffenheit auf der lärmenden Baustelle der Hoffnungen.

© Süddeutsche Zeitung vom 30.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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