Borussia Dortmund:Gerüchte aus der Zwangslage

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Borussia Dortmund muss seine Stars teuer verkaufen - aber der Transfermarkt bietet wenig Hoffnung.

Von Philipp Selldorf

Zu Wochenbeginn hieß es, Borussia Dortmunds Nationalspieler Christoph Metzelder habe sich vor einigen Tagen zu Verhandlungen mit Real Madrid in Spaniens Hauptstadt aufgehalten.

Metzelder bestätigte dies gestern in einer Kolumne auf seiner Homepage: "Ich habe mich in einer ganz geheimen Aktion mit dem kompletten Vorstand von Real Madrid getroffen. Und zwar an einem kalten, nebligen Februarabend auf der Autobahnraststätte Münsterland-Ost. Bei einer Bockwurst mit Senf (4,95 Euro pro Person, hat aber alles Real bezahlt) haben wir dann intensive Gespräche geführt. Zum Beispiel darüber, warum alle Leute in Flugzeugen immer Tomatensaft bestellen."

Spekulationen

Metzelder dementiert also die Überlieferung vom Verhandlungsgespräch - was nicht bedeuten muss, dass nicht trotzdem etwas dran ist. Aus den Wirren und Zwängen der Dortmunder Finanz- und Schuldenlage (29,4 Millionen Euro Halbjahresverlust, 112 Millionen Euro Verbindlichkeiten) entspringen viele Halbwahrheiten, Spekulationen und Gerüchte, so auch jenes, dass der FC Bayern einen Vertrag mit dem Dortmunder Linksverteidiger Dede, 25, abgeschlossen habe, und Borussia für den Brasilianer eine Transferentschädigung von acht Millionen Euro erhalte.

Die Abendzeitung, die diese Meldung gestern verbreitete, berief sich als Quelle auf den ehemaligen Dortmunder und Münchner Profi Michael Rummenigge - Bruder des Münchner Vorstandschefs Karl-Heinz Rummenigge -, der im Dortmunder Fan-Forum die-kirsche.com den Handel ausgeplaudert habe. Michael Rummenigge weiß davon allerdings nichts. Das einzige, was er weiß, ist, dass ihm sein Bruder Karl-Heinz gesagt hat, Dede sei "im Prinzip interessant" für die Bayern - aber bestimmt nicht für acht Millionen Euro Ablöse.

Ein Transfer ist jedoch unwahrscheinlich, selbst dann, wenn Dede zum halben Preis zu haben wäre. Vom FC Bayern war gestern zu erfahren, dass die Planungen eher dahin tendieren, entweder den auslaufenden Vertrag mit Bixente Lizarazu um ein weiteres Jahr zu verlängern oder sich auf Tobias Rau und Hasan Salihamidzic als Lösung für die linke Seite zu verlassen, bis im Sommer 2005 Philipp Lahm vom VfB Stuttgart nach München zurückkehrt.

Münchner Möglichkeiten

Bei den Bayern hält man es nicht für klug, den Platz des in dieser Saison auch als Nationalspieler groß rausgekommenen Lahm mit einem anderen Star zu besetzen. Ähnlich verhält es sich bei Torsten Frings, 27, der ebenfalls als Münchner Zugang ins Gespräch gebracht wurde - unter anderen von Borussia Dortmund. Auch Frings ist prinzipiell interessant, doch sehen die Planer im Klub keinen Platz für ihn, nicht zuletzt deshalb, weil sie auf Sebastian Deislers Gesundung vertrauen.

Wirtschaftlich ergäbe ein Handel mit Borussia zu diesem Zeitpunkt außerdem wenig Sinn. Warum sollten die Münchner vorschnell viel Geld bezahlen ? Borussia muss Spieler verkaufen, um die Solvenz zu sichern, aber die Finanznot raubt dem Klub die Handlungsfreiheit und zwingt zu Konzessionen im Transfergeschäft. Den Preis diktiert also die Gegenseite. Wobei erschwerend hinzu kommt, dass eine große Baisse herrscht an Europas Spielerbörse.

So fällt die hausgemachte Dortmunder Depression in die ungünstigste Zeit. Im Winter bemühte sich der Agent von Mittelfeldstar Tomas Rosicky um ein Engagement seines Klienten beim FC Chelsea, dank der Millionen seines Besitzers Roman Abramowitsch einer der letzten Großhandelsplätze in Europas Fußball. Pavel Paska, der außer Rosicky auch dessen Mitspieler Jan Koller und andere tschechische Stars vertritt, trieb die Sache offensiv voran und verkündete im Januar: "Tomas hat ein Angebot erhalten, und ich bin nicht nach London gefahren, um mit der Queen zu plaudern."

Gestern klang das ein wenig anders: "Ich war in London in der Kirche, glaube ich", witzelt Paska, denn der FC Chelsea traf andere Dispositionen und verpflichtete für rund 18 Millionen Euro Scott Parker von Charlton Athletic, angeblich Englands größtes Mittelfeldtalent, das just auf Rosickys Position zu Hause ist.

Reiches Chelsea

Paska erklärt den Lauf der Dinge so: "Alle reden immer nur von Chelsea. Aber die können nicht jeden kaufen. Sie müssen die internationale Marktlage sehen: Der Transfermarkt ist zusammengebrochen, die Preise sind um 100 bis 200 Prozent niedriger als vor drei Jahren." Vor vier Jahren bezahlte Borussia für Rosicky umgerechnet 15 Millionen Euro an Sparta Prag. Vorerst lässt Paska seine Aktivitäten ruhen, zumal Borussias Regisseur sich den Arm gebrochen hat.

Um Rosicky hatte sich damals auch der FC Bayern beworben, und einen Spielmacher könnten die Münchner auch jetzt gut gebrauchen. Es heißt jedoch, dass sie nicht Rosicky, sondern Johan Micoud von Werder Bremen im Blick haben.

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