Boris Becker bei "Beckmann":Halbzeit!

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Zum ersten Mal seit langer Zeit gibt Boris Becker wieder ein ausführliches Interview: Er warnt Michael Schumacher, spricht über Altersmilde und die Ehe - und wirkt dabei schrecklich erwachsen.

Es hilft nichts: Hört man den Namen Boris Becker, dann denkt man an einen dürren jungen Mann mit orangefarbenen Haaren, der gerade einen Aufschlag mit 200 Stundenkilometern übers Netz jagt und nun die Arme hochreißt, weil er Wimbledon gewonnen hat. Ein Werbespot erinnert in diesen Tagen daran, ein knapp 40-jähriger Mann steht am Tresen und sagt: "Das war meine persönliche Mondlandung."

Hat noch was vor: Boris Becker. (Foto: Foto: dpa)

Es ist das Schicksal von Boris Becker, dass man ihn immer als den naiven Tennisspieler sehen will - als sportliches Idol. Seinetwegen durfte man als Kind länger aufbleiben, um ihn im Davis Cup gegen Andre Agassi anfeuern zu können. Seinetwegen übte man auf dem Fußballplatz nach einem Tor die Becker-Faust, seinetwegen durfte man in deutschen Tennis-Clubs plötzlich Emotionen zeigen. Man fand es sympathisch, dass er nach jedem Wort ein "ääääh" einfließen ließ, dass er naiv Auskunft über sein Privatleben gab. Nein, Boris darf niemals erwachsen werden.

Und dann sitzt da am Montagabend bei "Beckmann" ein Mann, der so wenig gemein hat mit dem wuscheligen Tennisspieler - der er schon seit mehr als acht Jahren nicht mehr ist. Becker hat die Haare streng zurückgegelt, aus den Lachfalten sind Lachfurchen geworden, seine Kleidung sieht aus wie direkt aus Beckmanns Schrank: Jeans, Hemd, schwarzes Sakko.

Er spricht darüber, warum er lange Zeit kein Interview mehr geben wollte, warum er vor vier Jahren in die Schweiz ausgewandert ist, warum er sich verändert hat. "Ich wollte Frieden und Freiheit finden. Und jetzt kann ich ehrlich sagen: Es geht mir gut." Er spricht dabei ohne Denkpausen, ohne Füllwörter, ja beinahe eloquent. Er plappert nicht naiv drauf los wie früher - man merkt, dass er sich gut überlegt hat, was er sagen möchte.

"Ich bin be- und verurteilt worden von Fremden, die nicht wissen, wie es ist, Boris Becker zu sein", sagt er. Diesen Satz glaubt man ihm sofort, vor allem, wenn man einmal erlebt hat, welchen Rummel dieser Mensch immer noch auszuhalten hat. "Ich kann mich heute ganz gut wehren. Ich kann ganz gut beurteilen, wer an mir interessiert ist oder nur an dem Image." Dann sieht er Beckmann lange an, als wolle er ihm damit sagen: Ja, Reinhold, so isses. Ich bin ab sofort die Person Boris Becker und nicht mehr die Marke!

Beckmann, der vor wenigen Wochen noch durch Schärfe beim Jan-Ullrich-Interview glänzen konnte, gibt wieder den netten Fernseh-Onkel und Boris-Kumpel. Er stellt harmlose Fragen, die Becker gern beantwortet. Nach der Familie gefragt etwa sagt Becker: "Ich muss nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Meine Kinder sind viel wichtiger." Auf den Rücktritt von Michael Schumacher angesprochen sagt er: "Der Blues nach der Karriere kommt sowieso. Er wäre der erste Sportler, der das Tal der Tränen nicht überschreiten musste. Ich wünsche ihm alles Gute: dass seine Frau zu ihm hält und dass er keine Dummheiten macht. Normal wär's, weil jeder macht Dummheiten."

Da spricht nicht mehr der Tennis-Lümmel, da spricht ein erwachsener Mann, der bereit ist, auch Fehler einzusehen: "Mit einigen Jahren Abstand hätte ich bestimmt viele Dinge anders gemacht. Aber dann wäre ich heute nicht der Boris, der ich bin. Ich bin für jede Erfahrung dankbar, auch die schlechten."

Am 22. November wird Boris Becker 40 Jahre alt. Wenn man ihn bei Beckmann reden hört, dann hat man bisweilen den Eindruck, dass er bereits 20 Jahre älter ist und auf ein Leben zurückblickt, das bald vorbei ist: "Man schaut zurück, was war gut, was war schlecht." Da schwingt ein wenig Altersmilde mit, die man von einem 40-Jährigen kaum erwartet. Dann jedoch kommt wieder ein Blitzen in Beckers Augen: "In mir steckt noch so viel Energie und Kreativität - ich habe noch einiges vor." Und dann grinst er - wie früher.

Vielleicht ist es einfach so: Boris Becker will, dass sein Leben als gefeierter Tennisspieler und Medienstar endgültig vorbei ist - damit er endlich ein neues als Familienvater und Geschäftsmann beginnen kann. Vielleicht ist der 40. Geburtstag der richtige Zeitpunkt für eine Zäsur - auch für jene Menschen, die ihn immer noch nur als Sportler sehen wollen.

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