Bode Miller:Rebell auf Skiern

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Ernsthaftigkeit kann man einem wohl nicht absprechen, der es "eine Frage der Ehre" nannte, jedes Skirennen auf der Agenda zu fahren, gegen den Rat der Coaches, doch mal eine Pause einzulegen wie die Konkurrenten auch.

Wolfgang Gärner

Bode Miller ließ sich nicht reinreden, und als die neue Saison begann, hatte er 115 Weltcuprennen hintereinander bestritten, inzwischen sind es schon wieder drei mehr. Es sei nur eine Frage der Reife, bis der junge Wilde aus New Hampshire eine dominierende Figur würde, sagten die Fachleute, als der Amerikaner vor sechs Jahren auf den Torlaufpisten seinen Rodeo-Stil einführte, ungestüm und hoch riskant. Zwei Jahre später begann er zu siegen, seit 2004 gewann er in allen vier Disziplinen - momentan der kompletteste Alpin-Athlet.

Seinen Reifegrad auf der Piste lässt Bode Miller abseits der Piste vollständig vermissen (Foto: Foto: Reuters)

Im Ton aggressiv, im Inhalt hanebüchen

Der Zwiespalt um Bode Miller ist, dass er den hohen Reifegrad, der ihn bei der praktischen Ausübung seines Berufes adelt, abseits der Piste vollständig vermissen lässt. Dass er eine unkonventionelle Lebensweise pflegt, an den Stationen des Skizirkus (nach Artistenart) im Wohnmobil kampiert und den Coolen macht, kommt ja gut an bei der Zielgruppe; Erstaunen bis hin zur Fassungslosigkeit erregt er aber mit seinen Statements über Sportverbände, Medien, übergeordnete Organisationen - im Ton aggressiv, im Inhalt hanebüchen wie seine Ansichten über die Dopingbekämpfung, die er in immer kürzeren Intervallen absetzt.

Im Spätsommer machte er sich schon mal für die Freigabe von Epo stark mit der interessanten Begründung, durch die Zuführung des Blutbildners würde das Hirn besser versorgt, was der Sicherheit des Abfahrers dienlich sei. Wenig später stellte er die These auf, mit anabolen Steroiden sei der Verschleiß des Bewegungsapparates zu reduzieren.

Der Verfolgte

Den Auftakt der Amerika-Tournee nutzte der 28-Jährige nun zum Generalangriff auf die Antidoping-Weltagentur Wada und erklärte deren Chef Richard Pound zum Hauptfeind: Den müsste man testen, denn offensichtlich sei es der kanadische Olympiafunktionär, der unter Drogen stehe, schloss Miller aus dem Umstand, dass Pound kürzlich ein Drittel der NHL-Eishockeyprofis Steroid-verdächtig nannte.

Miller stellt sich als Verfolgten dar: Seit den kritischen Äußerungen über die Wada sei er in drei Wochen dreimal getestet worden, "in der gleichen Zeit kein anderer aus meinem Team mehr als einmal. Es wird behauptet, das seien Zufallskontrollen - aber vor ein paar Jahren kam ich aus lauter Zufall in fünf Monaten achtmal dran, ansonsten hatte ein Einziger zwei Tests." Nach Einschalten eines Anwalts habe sich zwei Jahre lang kein einziger Kontrolleur mehr bei ihm blicken lassen, behauptet er - sollte das zutreffen, wäre es tatsächlich ein Skandal.

Weil er schon mal dabei war, die Autoritäten abzumeiern, hat Miller auch den Ski-Weltverband Fis attackiert bezüglich der Verteilung der Abfahrts-Startplätze (unter den besten 30 in Umkehrung der Trainingsresultate). Das war bei der Einführung vor Jahren ein Aufreger, inzwischen haben sich alle beruhigt mit Ausnahme des Weltcupsiegers aus den Appalachen. Der vergaß auch nicht, seine schlimmste Drohung zu erneuern: Sein Plan einer Konkurrenz-Serie zum Weltcup sei nicht vom Tisch.

Spielt er nur den Rebel without a cause? "Denn sie wissen nicht, was sie tun", hieß dieser Film auf deutsch. Miller weiß, was er gerne tun würde: "Skirennen fahren ohne Sponsoren, Trainer oder Journalisten um mich herum- das würde mir mehr Spaß machen", hat er mal gesagt. Diese Vorstellung ist nicht direkt realistisch, zumindest nicht für einen, der sich für das Ski fahren Millionen zahlen lässt.

Womöglich ändert sich alles nach Olympia: Das Skigenie erwäge eine Kandidatur zum US-Kongress, heißt es, für die Demokraten oder als Unabhängiger. Der politische Gegner ist klar, schließlich scherzte Miller mal, am besten bliebe er im Ausland, bis die zweite Amtszeit des jüngeren Bush vorbei sei. Im Gegensatz zu dem, was er über Doping sagt, war das ein sehr vernünftiges Statement.

(

© SZ vom 29.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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