Bob-WM in Innsbruck-Igls:Die Faser hält

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Drei Wochen zwischen Training und Schonung: Francesco Friedrich (rechts: Anschieber Thorsten Margis) wird im letzten Moment fit und erringt seinen dritten WM-Titel im Zweierbob. (Foto: Jan Hetfleisch/dpa)

Mit den emotionalen WM-Siegen von Francesco Friedrich und Anja Schneiderheinze sowie der Silbermedaille für Johannes Lochner festigen die deutschen Bobpiloten wieder ihre internationale Spitzenposition.

Von Volker Kreisl, Innsbruck/Igls

Für große Bobfahrer ist sie eher eine kleine Rutsche. Mit 1270 Metern ist die Olympia-Bobbahn von Igls die kürzeste im Weltcup. 8,5 Prozent Gefälle - das ergibt wenig Geschwindigkeit und wenig Adrenalin bei der Rutschpartie. Die Kurven sind auch nicht allzu schwer zu berechnen. Wer hier gewinnt, freut sich selbstverständlich, zumal über einen bedeutenden Titel, aber was am ersten von zwei WM-Wochenenden im Zielraum zu sehen und zu hören war, verblüffte doch. Luftsprünge, spitze Schreie, Fäuste, Sägen und Umarmungen beim deutschen Verband BSD. Da war mehr passiert als Gold.

"Das war das schwierigste Rennen meiner Laufbahn", erklärte Francesco Friedrich, nachdem er am Sonntag das Zweier-Bob-Rennen gewonnen hatte, knapp vor Teamkollege Johannes Lochner, 25. "Das waren sensationelle Startzeiten, auch in der Bahn waren sie ganz stark", sagte Bundestrainer Christoph Langen, dessen Bobfahrerin Anja Schneiderheinze schon zuvor Gold geholt und ausgerufen hatte: "Weltmeister! Wir sind die Besten in unserer Sportart, die Besten der Welt!"

Am Ende ist es eben egal, ob man auf einer Rutsche siegt, oder auf einer Hochgeschwindigkeitsbahn. Denn es kommt auf die Vorgeschichte an. Für Francesco Friedrich aus Oberbärenburg in Sachsen hat diese WM in Igls aus verschiedenen Gründen eine große Bedeutung. Er will dauerhaft beweisen, dass sein Talent auf allen Bahnen, also auch auf den ausländischen, Höchstleistungen bringt. Immer noch wirkt ja die Enttäuschung der medaillenlosen Olympischen Spiele in Sotschi nach. Und speziell im Zweier-Bob wollte Friedrich seinen Titel aus dem Vorjahr verteidigen und zugleich den dritten in Serie holen, was in Deutschland vor ihm nur Trainer Langen gelungen war. Das waren große Ziele für einen, der sich vor drei Wochen eine Muskelfaser im Oberschenkel angerissen hatte.

Die leichte Bahn von Igls wurde damit für Friedrich zum Problem. Weil man sich mit großer Fahrkunst kaum absetzen kann, entstehen die Siegzeiten schon am Start, wenige Hundertstel können den Titel kosten. Und für den Hauch einer Hundertstelsekunde reicht eben auch bei einem 92 Kilogramm schweren Bob-Piloten schon der Hauch eines Stechens in den Adduktoren. Also musste Friedrich in den vergangenen drei Wochen ständig abwägen, zwischen Training und Schonung. Erst ließ er sich am Start von seinem Anschieber Thorsten Margis anschieben, dann joggte er mit, und erst im ersten von den vier WM-Läufen, als es also unbedingt sein musste, schob er auch mit.

Die Faser hielt im Laufe der vier Versuche immer besser. Friedrich/Margis beschleunigten ihr vier Zentner schweres Gerät erst in 5,12, dann in 5,06, 5,06, und schließlich in 5,03 Sekunden auf mehr als 40 Stundenkilometer. Nur Johannes Lochner und sein Anschieber Joshua Bluhm waren jeweils schneller, und gemeinsam hatten sie auf der in der Branche auch "Autobahn" genannten Anlage von Igls dem Publikum einen Krimi geboten. Lochner war nach den beiden ersten Läufen noch knapp in Führung gelegen. Nach Durchgang drei hatte Friedrich aufgeholt, auf die Hundertstel genau, es stand 2:34,59 Minuten zu 2:34,59 Minuten. Im letzten Durchgang legte des jüngere Duo eine 5,00 vor, und Friedrichs Traum wäre wohl geplatzt, hätte sich Lochner nicht unten einen Fahrfehler geleistet.

Anders als bei Friedrich dauerte die Vorgeschichte des Titels von Igls bei Anja Schneiderheinze, 37, länger als drei Wochen, nämlich grob 14 Jahre, eine ganze Karriere lang. Der Name Schneiderheinze ist zwar gewohnheitsmäßigen Bobsport-Beobachtern geläufig, aber er stand bei Welt-Ereignissen nie ganz oben auf den Listen. Sogar im Jahr 2006, als die Erfurterin Olympiasiegerin wurde, stand über ihrem Namen noch ein anderer, nämlich der von Sandra Kiriasis. Die war ja die Pilotin, die Hauptperson.

Als Schneiderheinze sich 2007 dann entschloss, selber zu lenken, fuhr sie erst einmal vier Jahre im Europacup. Im Weltcup blieb sie ab 2011 meist auf den Plätzen unterhalb des Podiums, erst als Kiriasis und Cathleen Martini aufhörten, nutzte sie ihre Chance. Im vergangenen Jahr gewann sie in Winterberg Silber, und die Autobahn in Igls kam nun auch der starken Anschieberin Schneiderheinze entgegen. Nun stand sie ganz oben und wunderte sich, dass das tatsächlich geht, dass sie und ihre Anschieberin Annika Drazek tatsächlich die "Besten der Welt" sind.

Wie lange sie noch weitermacht, wollte sie in Igls nicht sagen, fest stand aber, dass außer den Medaillengewinnern auch der deutsche Verband am ersten WM-Wochenende gewonnen hat. Denn mit Lochner, aber auch mit der 25-jährigen Stephanie Schneider (Oberbärenburg), die Vierte wurde, und mit der Siebten Mariama Jamanka (25/Oberhof) hat Bundestrainer Langen wieder eine Perspektive für die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang und darüber hinaus. Vielleicht hat er ja deshalb auf der leichten Bahn von Igls besonders heftig gejubelt.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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