Bob:Mann über Bord

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Da waren sie noch ein Team: Anschieber Joshua Bluhm (links) und Pilot Johannes Lochner. (Foto: Johann Groder/imago/Eibner Europa)

Im deutschen Team wird Joshua Bluhm, der ehemalige Stamm-Anschieber des Olympia-Favoriten Johannes Lochner im Zweier ausgetauscht. Das setzt freilich eine ganze Rochade in Gang. Alle Viererbobs können nach wie vor Gold holen.

Von Volker Kreisl

Ein Rennbob, wie er so mit 140 km/h die Bahn herunter rappelt, ist auch eine Metapher. Weniges drückt das Prinzip Team besser aus, als die vier geduckten Gestalten im engen Bob, die einen Winter lang gemeinsam schrauben, trainieren, anschieben und dann die Bahn herunter rappeln - die hinteren drei darauf vertrauend, dass der Pilot vorne keinen Mist macht.

Das klingt nach unzertrennlichem Quartett, aber in Wirklichkeit ist alles weniger romantisch, sondern professionell. Und deshalb kann auch mal einer von den Vieren kurz vor Olympia über Bord gehen.

Diesmal traf es Joshua Bluhm, 23, den ehemaligen Stamm-Anschieber des Königsseer Olympia-Favoriten Johannes Lochner, 27. Der ist Weltmeister und aktueller Gesamtweltcupsieger im Viererbob, er darf sich einiges ausrechnen für die Olympia-Wettbewerbe, die in rund einer Woche beginnen. Kurz vor den Spielen stellte sich aber heraus, dass Bluhm in den Anschubzeiten im Zweierbob deutlich zurücklag. Stattdessen empfahl sich der Konkurrent Christoph Weber, Lochner zögerte noch ein bisschen, dann entschied er sich für Weber. Danach meldete sich Bluhm wegen einer Verletzung krank, weshalb Lochner für den Viererbob einen Ersatz brauchte. Die Lösung lag in einer Rochade: Lochner erhielt aus dem Team des Piloten Nico Walther den erfahrenen Vierer-Schieber Christian Poser, Walther wiederum erhält den Ersatzmann Alexander Rödiger.

Das verwirrt ein wenig, aber man muss bedenken, dass im Viererbob keine deutsche Hierarchie besteht, weil alle drei Langschlitten (Lochner, Walther und Francesco Friedrich) Gold holen können; eine Lösung musste also allen Interessen entsprechen. Rödiger ist zwar Ersatzmann der gesamten deutschen Bob-Mannschaft, gehört aber nominell zu Nico Walthers Team, und er hatte sich zuletzt obendrein zum besten Anschieber entwickelt.

Ob Bluhm deshalb nicht nach Südkorea mitreiste, weil er vielleicht nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich etwas verletzt ist, wollte Bundestrainer Rene Spies nicht bestätigen. Bluhm sei zwar nicht mehr für den Zweier, aber für den Vierer gesetzt gewesen und im übrigen ein Profi. In jedem Fall gelte: "Er hat damit geliebäugelt, dass er im Zweier an den Start geht. Klar ist, dass der jetzt nicht amused ist, aber das müssen die beiden unter sich ausmachen."

Joshua Bluhm wird die Bobrennen in Pyeongchang in jedem Fall mit Wehmut verfolgen. Da wird ihm auch die Gewissheit nicht viel helfen, dass Lochners Entscheidung nicht einem plötzlichen Einfall entsprang, sondern einem langen Prozess folgte. Im Wechsel hatte er seine beiden Anschieber im kleinen Bob getestet, und Bluhm hatte wegen einer Knieverletzung kurz vor der Saison noch zu viel Rückstand. Den aufzuholen, hat bis Pyeongchang nicht geklappt.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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