Bob:In den Lenkseilen

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Verunsicherter Weltmeister: Francesco Friedrich mit Anschieber Thorsten Margis im Zweierbobrennen von Winterberg. (Foto: Caroline Seidel/dpa)

Nach dem missratenen Saisonstart fangen die deutschen Zweier-Piloten wieder von vorne an. Am Wochenende soll sich der Trend wenden.

Von Volker Kreisl, München

So war das alles nicht geplant. Längst ist schon Dezember, und Johannes Lochner sollte in einer neuen, viel effizienteren Art in den Zweier-Schlitten steigen. Der Pilot vom Königssee sollte eben nicht einsteigen, sondern eher hineinspringen, also in vollem Tempo nach Art eines Barrenturners über die Bordwand setzen und mit den Füßen voraus, direkt und in einem Zug, auf seiner Position landen.

Jede Hundertstelsekunde zählt da oben am Start, je eher der Pilot Lochner an den Lenkseilen ist, desto sicherer kommt der Bob in die Spur, desto schneller ist er schon nach wenigen Metern, was entscheidend sein kann, weil sich der Zeitvorteil beim Start im Laufe der Fahrt potenziert. Aber Lochner, der so gut lenken kann, hat eben auch recht lange Beine.

Es gab, gelinde gesagt, Schwierigkeiten. Und dies war nicht der einzige Rückschlag, den das aufwendige Projekt des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD) in den vergangenen Wochen im Zweierbob hinnehmen musste. Bei Olympia 2018 will der BSD wieder Medaillen gewinnen, wenn möglich Gold, und obwohl die Teams im Männer-Vierer und auch im Frauen-Zweier voll im - oder sogar über - Plan liegen, hapert es mit dem Kleinschlitten. Die Deutschen sind gerade abgeschlagen, sie belegen im Gesamtranking die Plätze drei, fünf und zwölf. Woran das liegt, weiß man nur zum Teil. Sicher hat es mit dem aktuellen Wallner-Bob zu tun, der extra für Olympia neu aufgelegt wurde. Auch äußere Umstände spielen eine Rolle, vielleicht steigende Nervosität, individuelle Fehler.

Klar ist vorweg, dass Johannes Lochner wieder auf traditionelle Weise einsteigt. Beim kommenden Weltcup in Innsbruck-Igls, der endlich eine exakte Einschätzung der Situation ermöglichen soll, wird Lochner wie immer über die Bordwand hüpfen, die Füße aber kurz auf dem Sitz abstellen, ehe er sich dann in seine endgültige Position einfädelt. Das kostet etwas mehr Zeit, dafür springt er aber nicht mehr versehentlich in die Lenkseile und verheddert sich darin, wie zuletzt in Winterberg, weshalb er den Bob zu spät unter Kontrolle brachte und schon oben abgeschlagen war.

Nicht nur Lochners Füße schossen übers Ziel hinaus, auch im Stab der neu engagierten Techniker wollte man wohl zu viel. Der österreichische Bob-Hersteller Johannes Wallner hatte ja schon in der vergangenen Saison eine exzellente Alternative zum damals schwächelnden Hausbob von der Berliner FES-Produktion geliefert. Lochner und Francesco Friedrich dominierten den Weltcup, Friedrich wurde zum vierten Mal nacheinander Zweier-Weltmeister. Zu Beginn dieser Saison schien der deutsche Verband alles richtig gemacht zu haben: Er verfügte über drei Top-Piloten und zwei konkurrierende Schlittenbauer, aber dann wurden die doch recht teuren Wallner-Zweier abgehängt.

Diesmal war die Diagnose einfach: Bob komplett austauschen

Das Positive dieser November-Bobkrise liegt darin, dass die Ursache selten so klar ist. Sonst suchen Bob-Entwickler lange und mühsam nach der richtigen Schraube, die noch etwas weiter gedreht werden muss. In diesem Fall lautete die Diagnose: den Bob komplett austauschen.

"Es ging nicht um Details", sagt Bundestrainer René Spies: "Die Entwicklung ist in die falsche Richtung gegangen." Im Vergleich zur Konkurrenz bremsten das 2017er-Fahrwerk und der neue Aufbau der Haube eher, statt zu beschleunigen. In fast allen Rennen auf der Nordamerika-Reise starteten Lochner, Friedrich und ihre Anschieber schnell, verloren dann aber kontinuierlich von Zwischenzeit zu Zwischenzeit. Das beste Ergebnis war ein sechster Platz für Lochner und ein neunter für Friedrich. Der über Jahre weltbeste Zweierbobfahrer war entsprechend bedient.

Der Austausch verlief reibungslos, weil sich alle einig waren und weil Hersteller Wallner mit der Korrektur ja auch seinen guten Ruf verteidigen will. Sobald die Teams aus Übersee zurück waren, wurde die deutlich bessere Serie des Vorjahrs aus den Bob-Garagen geholt, nach aktuellen Erkenntnissen verfeinert und gleich am vergangenen Wochenende im Weltcup von Winterberg gefahren. Und doch weiß noch keiner, wo er wirklich steht: Lochner hatte sich ja verheddert, Friedrich einen schlechten ersten und einen guten zweiten Lauf, und sogar der FES-Fahrer Nico Walther kam nur auf Platz neun. Denn über der Winterberger Bahn schneite es mal da, mal dort, mal stärker, mal schwächer, was einen objektiven Bob-Test unmöglich macht.

Inständig sehnen sich Spies, Wallner, die Techniker und die Fahrer endlich nach verlässlichen Test-Resultaten und nach der guten Nachricht, dass man auf dem richtigen Weg ist. Sie hoffen deshalb auf konstantes Wetter in Innsbruck, das heißt: kein Schnee am Samstagnachmittag beim Zweierbobrennen. Doch was sagt der Wetterbericht für diese Zeit? Vielleicht bedeckt, vielleicht auch nicht, vielleicht Schnee, vielleicht auch nicht. Die Unsicherheit wird noch eine Weile die ambitionierten BSD-Piloten begleiten, die in der Weihnachtspause vermutlich noch mehr Arbeit als sonst bewältigen müssen.

Das Einzige, was feststeht, ganz sicher, das ist der gewaltige Entwicklungssprung der Konkurrenz, vor allem der Kanadier. Justin Kripps und Chris Spring sind im Zweier gerade die Nummer eins und zwei der Welt, mit Abstand.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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