Bob:Einsam Spitze

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Will mit seinem Team in Altenberg einen neuen Rekord aufstellen: Francesco Friedrich. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Seit Februar 2018 hat das Team um Francesco Friedrich und Mariama Jamanka alle Weltcuprennen gewonnen. Doch die Serie hat auch etwas Beängstigendes.

Von Volker Kreisl, München

Eigentlich sollten die Gedanken nach dem vergangenen Rennen sofort wieder beim nächsten sein - so, wie sie nach dem vorvergangenen Rennen auch gleich beim nächsten waren, und so weiter. Bundestrainer-Gedanken sollten sich während der Saison grundsätzlich mit der nächsten Aufgabe befassen, nur wenig mit der ferneren Zukunft, und gar nicht mit der Vergangenheit. Aber am Sonntagabend hat sich René Spies dann doch mal hingesetzt und nachgeschaut.

Er nahm sich die Listen von dieser und der vergangenen Saison vor und zog, obwohl dieser Winter erst zur Hälfte absolviert ist, eine Zwischenbilanz. Gewiss, seine Bob-Mannschaften sind gerade sehr schnell, aber weil an jedem Steuer ein anderer Pilot mit großem Ego sitzt, dazu viele Anschieber motiviert werden müssen und für vier Teams nur drei Weltcup-Startplätze zur Verfügung stehen, steckt man als Coach in anderen Problemen und verliert den Überblick über die eigene Siegbilanz. Doch die Vermutung stimmte: Die Teams des deutschen Verbandes BSD haben alle Rennen in dieser Saison gewonnen und dazu noch die letzten drei der vergangenen, also die drei Olympiagoldmedaillen.

Der Weltverband sorgt sich nicht: Im Winter nach Olympia haben viele Teams weniger Geld

Alles in allem ergibt das 18 Siege nacheinander, begleitet von 15 weiteren Podestplätzen. Die jüngsten Erfolge waren der Viererbobsieg am Sonntag von Olympiasieger Francesco Friedrich in Innsbruck und Platz drei von Johannes Lochner, dem Weltmeister vom Königssee. Folglich führen die Deutschen auch die Listen im Gesamtranking an: Friedrich und Lochner im Viererbob, die Olympiasiegerin Mariama Jamanka sowie die Pilotinnen Stephanie Schneider und Anna Koehler bei den Frauen, und Friedrich zudem im Zweierbob. Recht knapp dahinter steht hier der Lette Oskars Kibermanis auf Rang zwei, und der Russe Maxim Andrianow rückte auf Rang drei, das aber wohl nur deshalb, weil Nico Walther in Innsbruck verletzt ausgefallen war.

So gut war noch kein Nationalteam, seit in Bobs um internationale Siege gefahren wird, und die Deutschen, die nach den medaillenlosen Spielen 2014 unter mächtigem Druck standen, genießen erst mal diese "herausragende historische Leistung", sagt Spies. Die andere Frage ist allerdings, wo der Rest der Bob-Welt bleibt. Und was er dagegen unternimmt, dass die Siege in dieser Disziplin, die sich ja gerne als Formel 1 des Winters sieht, dauerhaft so absehbar werden wie lange die der echten Formel 1, als immer nur Mercedes gewann.

Beim Weltverband IBSF sorgt man sich nicht vor einem Spannungsabfall. Die deutsche Dominanz sei vorübergehend, denn die Konkurrenz sei zurzeit ja nicht sonderlich stark: "Im nacholympischen Jahr richten sich viele Nationen neu aus", heißt es. Tatsächlich legt zum Beispiel der Lette Oskars Melbardis in diesem Winter eine Pause ein, Bob-Nationen wie die USA schicken nur zwei Teams zu den Weltcups, andere stecken komplett im Umbruch wie die Schweiz, die gerade mit den Bobpiloten Michael Vogt und Timo Rohner sogar zwei Junioren zu den Weltcups schickt.

Das allgemeine Niveau steigt auch deshalb wieder, weil die anderen Verbände automatisch besser ausgerüstet sein werden, wenn die Vorbereitung für die nächsten Olympischen Spiele in Peking Fahrt aufnimmt. Anders als bei den Deutschen werden die Etats der meisten Bob-Teams nicht so sehr an den Ergebnissen zwischen den Spielen ausgerichtet, sondern hauptsächlich an Olympia. Derzeit verfügen viele Piloten deshalb auch nicht über schnellkräftige und teure Anschieber aus der Leichtathletik. Die werden wieder ab kommendem Jahr in viele Teams eingegliedert. Und für das Material, also für gute Kufen und ruhig fahrende Bobs mit aerodynamischen Hauben, sind im nacholympischen Jahr auch kaum Mittel vorhanden. Zu erwarten sind also Steigerungen bei US-Amerikanern, Kanadiern, beim Olympiasilber-Gewinner Won Yun-jong aus Südkorea und wohl auch bei den Chinesen, die zwar kaum Erfahrung haben, die für die Spiele im eigenen Land aber große Anstrengungen unternehmen mit zwei neuen Trainern: dem Schweizer Pierre Lueders und dem deutschen Olympiasieger André Lange.

Doch der Verweis darauf, dass sich die Spannung in der Eisrinne noch immer rechtzeitig aufgebaut hat, ist auch sehr optimistisch. Denn der aktuelle deutsche Vorsprung ist so groß wie nie, und die Abteilung, die in Sotschi 2014 fast schon ein Trauma erlebte, sichert sich für die Zukunft doppelt ab: Schon für den großen Medaillen-Konter 2018 ließ man zwei Schlittenbauer im gegenseitigen Wettbewerb tüfteln, und dieses erfolgreiche Prinzip wird nun mit Autobauer BMW und dem alten Bob-Lieferanten FES fortgesetzt.

Beim Weltverband heißt es: "Wie lange der derzeitige Vorsprung sich hält, werden die nächsten Weltcupwochen und die WM in Whistler zeigen." Die Titelkämpfe ab Ende Februar werden tatsächlich spannend. Möglich, dass sich der deutsche Höhenflug schnell abschwächt. Oder dass er für die Spannung dieses Sports noch gefährlich lange andauert.

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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