Biathlon-Weltcup in Ruhpolding:Fehlerfrei nach Pyeongchang

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Hohe Nummer: Roman Rees aus Freiburg geht als letzter Starter in die Spur - und verpasst das Podest nur um 13 Sekunden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Frühling und Herbst zweier Karrieren: Der 24-jährige Deutsche Roman Rees stürmt mit seinem vierten Platz zu Olympia. Norwegens Rekordsieger Ole Einar Björndalen verpasst wohl seine siebte Teilnahme.

Von Joachim Mölter, Ruhpolding

Die Wege der Biathleten Ole Einar Björndalen und Roman Rees kreuzten sich am Mittwoch in Ruhpolding zwar nicht direkt, zu weit waren sie am Start des Einzelrennens über 20 Kilometer auseinander, als dass sie sich in der Loipe begegnet wären. Aber im übertragenen Sinn schnitten sie sich in diesem Wettbewerb - und zweigten dann in entgegen gesetzte Richtungen ab. Während der 24 Jahre alte Freiburger Rees mit Platz vier das beste Weltcup-Ergebnis seiner Karriere feierte und sich damit für die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang qualifizierte (9. bis 25. Februar), verarbeitete der fast 20 Jahre ältere Norweger eine der größten Enttäuschungen seiner langen, langen Laufbahn. Um noch einen Anspruch zu haben, ins Olympia-Team seines Landes aufgenommen zu werden, hätte der erfolgreichste Biathlet der Welt mindestens Zwölfter werden müssen, er kam wegen drei Schießfehlern und den damit verbundenen drei Strafminuten aber bloß auf Platz 42.

Wenn sie im norwegischen Verband nicht noch irgendeine Form von Gnade walten lassen, dann wird es also nichts mehr mit Björndalens siebter Olympia-Teilnahme. "Ich bin nicht der Nationaltrainer, ich stelle die Mannschaft nicht auf", sagte der in dieser Saison nur noch hinterherlaufende Björndalen und verabschiedete sich: "Jetzt ziehe ich mich um. Und dann wird die Zukunft so, wie sie eben wird." Es wäre keine Überraschung, wenn der achtmalige Olympiasieger, zwanzigmalige Weltmeister und Gewinner von 94 Weltcuprennen seine Karriere beendet. Was will er denn noch erreichen? Die 10 500 Zuschauer in der Chiemgau-Arena feierten ihn noch einmal besonders laut, als er auf die Zielgerade einbog; sie ahnten wohl, dass sie ihn nicht mehr als Aktiven sehen werden.

Das Publikum feierte ein paar Minuten später auch Roman Rees, denn der mit Startnummer 108 als Letzter ins Rennen gegangene Schwarzwälder hübschte als Vierter hinter dem Siegertrio Martin Fourcade (Frankreich), Ondrej Moravec (Tschechien) und Johannes Thingnes Bö (Norwegen) die Bilanz der deutschen Männer im letzten Moment noch auf. Außer Rees war keiner unter die Top-Ten gekommen beim zweiten Heim-Weltcup nach Oberhof: Arnd Peiffer (11.), Simon Schempp (13.) und Johannes Kühn (16.) beendeten das Rennen mit jeweils zwei Strafminuten zumindest unter den ersten 20. Der für den SV Schauinsland startende Rees war erst vor einer Woche ins Weltcup-Team des Deutschen Skiverbandes (DSV) aufgerückt. "Es ist ein Traum, ich bin superglücklich", sagte er, nachdem er sich nun auch in die Olympia-Mannschaft befördert hatte.

Mit seinen Emotionen übertraf der Athlet sogar noch die Gefühlslage der örtlichen Ausrichter in Ruhpolding. "Die Sonne scheint, und unser Herz lacht auch", sagte Claus Pichler, Bürgermeister und Organisationschef in einem. In Ruhpolding feiern sie in dieser Woche ja ein Jubiläum: Vor 40 Jahren haben sie zum ersten Mal einen Biathlon-Weltcup veranstaltet, und seitdem haben sie viel dazugelernt. Über "Schneeübersommerung" zum Beispiel. "Wir haben schon lange nicht mehr so gesicherte Schneeverhältnisse gehabt", erzählte Claus Pichler launig, und das lag auch an besagter "Schneeübersommerung", der Lagerung von Altschnee in eigens dafür hergerichteten Depots über die warmen Monate hinweg.

Bloß 20 Prozent des vorsichtshalber im Schatten des Zirmbergs angelegten Reservoirs sei diesmal weggeschmolzen, berichtete Stadionchef Engelbert Schweiger, mehr als elftausend Kubikmeter haben sie horten können, das sei ein Rekordwert und garantiere optimale Bedingungen bis Sonntag. Es ist ja nicht damit zu rechnen, dass in den Alpen gerade jetzt noch eine Hitzewelle ausbricht.

Drei Fehlschüsse wettzumachen, das schafft auch Björndalen mit 43 Jahren nicht mehr

In ihrer Jubiläumswoche erwarten die Ruhpoldinger einen weiteren Rekord: Seit dem Jahr 2009 liegt die Zuschauer-Höchstzahl bei 94 500 an den fünf Weltcup-Tagen. Nun sind die 25 000 Tickets für Sonntag schon ausverkauft, und für Samstag gibt es nur noch wenige Karten. Auch für das Frauen-Rennen über 15 Kilometer am Donnerstag (14.20 Uhr/ZDF und Eurosport) mit der fünfmaligen Weltmeisterin Laura Dahlmeier (Garmisch-Partenkirchen) werden deutlich mehr als 10 000 Besucher erwartet.

Die würden natürlich gern bessere Ergebnisse sehen als die aktuellen und ehemaligen Weltmeister des Deutschen Skiverbandes (DSV) am Mittwoch zu liefern vermochten. Die schwächelten allesamt beim Schießen, vor allem beim Stehendanschlag. Da weiß Bundestrainer Mark Kirchner wenigstens, was er in den verbleibenden vier Wochen bis Olympia noch zu tun hat mit seinen Männern: schießen, schießen, schießen.

"Läuferisch gehören wir absolut zur Weltspitze", findet Erik Lesser (Frankenhain), "wir müssen nur wieder mal eine Scheibe mehr treffen." Das gilt besonders für ihn, den früheren Verfolgungsweltmeister: Mit vier Strafminuten und Platz 63 war er der schwächste DSV-Athlet an diesem Tag. Wie Massenstart-Weltmeister Simon Schempp aus Uhingen war aber auch Lesser zuletzt malade. Immerhin: Die Olympia-Qualifikation haben sie schon, im Gegensatz zum großen, alten Björndalen.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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