Biathlon:Oberste Stufe am Holmenkollen

Lesezeit: 3 min

Mit zwei Siegen in Oslo haben die deutschen Biathleten ihre außergewöhnliche Frühform bestätigt. Während "die Jungen den Alten einheizen" gibt "Oldie" Sven Fischer eine Vorführung für Nachwuchsläufer.

Von Volker Kreisl

Zu diesen Loipen, Anstiegen und Abfahrten hat Sven Fischer ein besonderes Verhältnis. Die Kurven am Holmenkollen liegen ihm, die Stimmung im Schießstadion treibt ihn an, als liefe er auf seiner Heimloipe in Oberhof/Thüringen.

Fischer kennt sich aus in Oslo, er hatte mal eine Norwegerin als Freundin, hat schon öfters den König besucht, spricht fließend norwegisch, und er kennt den Weg zum Siegertreppchen im bekanntesten Biathlon-Stadion außerhalb Deutschlands.

Am Donnerstag durfte er wieder hinaufsteigen auf die oberste Stufe, nachdem er im 20-km-Einzelrennen mit über einer Minute Vorsprung auf Ole Einar Björndalen über die Ziellinie gerutscht war und gewonnen hatte. Am Holmenkollen nun schon zum achten Mal.

Die deutschen Skischützen sind mit ungeahnter Form in den Weltcup gestartet, man könnte viele Geschichten erzählen - über den Nullfehlerschützen Michael Greis etwa, der nach seinen Patzern in Beitostölen nun auf Platz sechs eintraf, oder über Andreas Birnbacher, die neue Hoffnung von Bundestrainer Frank Ullrich und aller anderen Biathlonplaner, die längst an Olympia 2006 denken.

Birnbacher wurde am Donnerstag auf respektable Weise Zehnter, er leistet sich nur einen Fehlschuss. Oder über das kleine Comeback von Uschi Disl, die die ersten Weltcups dieses Jahres gewonnen hatte, nun in Oslo zwar nur Zehnte wurde, dafür aber einer Teamkollegin gratulieren durfte: Das 15-Kilometer Einzel gewann Martina Glagow vor Swetlana Ischmuratowa (Russland).

Am besten repräsentiert den neuen Erfolg des DSV-Teams aber zu Beginn dieser Saison Sven Fischer aus Schmalkalden.

Auftritt zum Abgucken

Ullrich hatte sich noch auf der Reise nach Skandinavien darüber gefreut, dass es in seinem Team nun eine ganz neue Stimmung gebe, dass man sich gegenseitig helfe, aber auch unter Druck setze: "Die Jungen heizen den Alten ein."

Schon in der Vorbereitung war mehr Motivation zu spüren, die Hoffnung, dass sich dies auf die ersten Resultate auswirkt, ist in Erfüllung gegangen. Fischer ist mit 33 Jahren hinter Ricco Groß der Zweitälteste im Team, und sein Auftritt im Einzel wirkte wie eine Vorführung für Nachwuchsläufer.

Vormittags noch hatte er sich zu Fuß aufgemacht, um den Schnee zu prüfen, hatte festgestellt, dass der weiche Kunstschnee-Untergrund schweren Läufern wie ihm keine Tempowechsel und schnellen Antritte am Berg erlauben würden. "Ich habe versucht, möglichst gleichmäßig zu laufen", erklärte Fischer.

Absolviert hatte er die Strecke dann in der viertbesten Zeit, nur die drei Norweger Björndalen, Eckhoff und Hanevold waren schneller unterwegs. Am Schießstand hatte Fischer geschossen, wie es die Biathlon-Lehrbücher empfehlen; hatte zehn bis 13 Sekunden lang durchgeatmet und den Puls gesenkt, dann im zwei Sekunden-Takt abgedrückt, alle 20 Scheiben getroffen.

Am Ende blieb er für den Rest unerreichbar, sogar für Björndalen und Raphael Poireé, den Weltcup-Gesamtsieger 2004.

Neuer Höhepunkt

Mit Fischers, Disls und Glagows Erfolgen - mit zwei Akteuren im gelben Trikot des Gesamtführenden - ist der DSV ungewöhnlich gut in die Saison gestartet, so gut, dass sich die Frage aufdrängt, ob Ullrichs und Bundestrainer Uwe Müssiggangs Athleten das über den ganzen Winter durchhalten.

Vor zwei Jahren hatte Ullrich die mäßigen Ergebnisse im Dezember mit der späten WM begründet, die Mitte März in Russland stattfinden sollte, man trainiere eben auf den Höhepunkt hin. In diesem Jahr fahren die Biathleten auch erst im März nach Hochfilzen zur WM und präsentieren sich schon jetzt in Hochform.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die WM wegen Olympia 2006 nicht der Höhepunkt der nächsten eineinhalb Jahre ist. Ullrich hatte bis in den späten Herbst hinein verstärkt Grundlagenausdauer trainieren lassen, um den jungen Läufern eine Basis für Olympia zu schaffen.

Die haben ihre Chance erkannt und die Herausforderung angenommen. Michael Greis sagt, er habe vor den Wettkämpfen so viel trainiert wie noch nie, er erwartet eine Steigerung seiner läuferischen Fähigkeiten. "Ich fühle mich noch im Aufbau." So gesehen geht es in diesem Jahr nicht nur ums Laufen und Schießen im Lager der deutschen Biathleten, sondern auch um einen Wettkampf, der vielleicht an Tennis erinnert.

Der Nachwuchs will mit Kraft punkten, die erfahrenen Olympia-Fahrer fühlen sich herausgefordert. Sven Fischer, dessen Triumphe als Einzelläufer - WM-Goldmedaillen und die beiden Gesamtweltcupsiege 1997 und 1999 - schon etwas zurück liegen, hat den Ball in Oslo jedenfalls aufgenommen und übers Netz zurück geschlagen.

© SZ vom 10.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: