Biathlon:Gerangel in der Reisegruppe

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Mit dem Weltcup beginnt für Deutschlands Biathleten auch die Suche nach der besten Staffel für Olympia.

Volker Kreisl

Es war ohnehin schon viel storniert, neu gebucht und wieder umgeworfen worden, da kam es auf die eine Reiseänderung auch nicht mehr an. Lange hatte es ja so ausgesehen, als würde dieser Biathlonwinter mangels Schnees statt in Östersund in Idre beginnen, deshalb hatte der DSV auch schon Flüge, Fähren und Quartiere zum nächsten Ziel in Schweden umgeleitet, dann schneite es aber plötzlich in Östersund doch ein wenig, und alles blieb beim Alten.

Natursport: Biathlet in Ruhpolding. (Foto: Foto: dpa)

Der Tross der Bundestrainer Uwe Müssiggang (Frauen) und Frank Ullrich (Männer) stellte sich darauf ein, Mitte der Woche nach Östersund zu fliegen.

Alles war bereitet, da erreichte Ullrich in Ruhpolding die Nachricht, dass es in Östersund doch nicht genug schneite. Die Unterlage reicht zwar für den Sprint am Samstag, nicht aber für ideales Training, weshalb Ullrich noch einen Tag in Ruhpolding dranhängte.

"Wir haben hier traumhafte Bedingungen", schwärmte er, "minus zehn Grad, Sonnenschein, warum sollen wir so früh aufbrechen?"

Das Feilschen um die letzten Stunden zeigt, wie wichtig die Arbeit vor dem Saisonstart ist. Dies gilt jeden Winter, vor einer olympischen Saison aber besonders.

Hat die Wettkampfserie begonnen, belasten den Athletenkörper Reisestrapazen, ein vorgeschriebenes Programm und der Erfolgsdruck - für strategisches Training bleibt keine Zeit.

Das wurde aber Element für Element ausgeklügelt, und bei Sonnenschein in Ruhpolding ließ sich ein besserer Abschluss der Vorbereitung erzielen, als in Nordschweden, wo eine Mischung aus Schnee und Regen zwischen Diopter und Auge weht.

Ullrichs Biathleten absolvierten am heimischen Stützpunkt vormittags noch eine Leistungskontrolle und glitten am Nachmittag ausgiebig durch trockenen Schnee.

Im Herbst 2005 ist alles anders, auch deshalb, weil jetzt nicht nur eine Weltcupsaison ansteht, sondern auch die letzte Phase einer Vorbereitung, die bereits im letzten Sommer begonnen hatte.

2004 hatte zum Beispiel Michael Greis die Einheiten auf dem Mountainbike verschärft, später kündigte Ullrich an, das Lauftraining "offensiver zu gestalten", um manchen Norweger einholen zu können.

Intensives Tüfteln

Es ging darum, viel früher deutlich länger an der Kondition zu arbeiten, um möglichst spät auf dem Höhepunkt zu sein: Also am 16. Februar 2006, wenn in San Sicario die ersten Rennen gestartet werden.

Je näher dieser Termin rückt, desto intensiver tüfteln die Deutschen an ihren Plänen. Beherrschendes Element im Herbst: die Hypoxiekette, also die sinnvoll abgestimmte Abfolge von Höhentrainingslagern.

Weil sich Olympia auf einer Höhe von 1600 Metern abspielt, soll sich der Organismus früh an die Anstrengung gewöhnen. Im Sommer übte der DSV-Tross auf Gletschern in 2000 Metern Höhe, im Herbst stieg er in etwa auf das Niveau von San Sicario ab, mit dem Trainingslager in Taublitz auf 1700 Metern.

Und auch die Aufteilung der Skireisegesellschaft in zwei Gruppen entspricht einer gewissen Planung. Ullrichs Mannschaft hat sich vorerst getrennt und findet erst zum zweiten Weltcup in Hochfilzen zusammen.

In Taublitz schuften noch die drei Biathleten, die für die Mannschaft gesetzt sind: Michael Greis, 29, Ricco Groß, 35, der noch bis zur WM 2007 in Antholz weitermachen will, und Sven Fischer, 34, der noch am weitesten vom Soll entfernt ist, weil er sich kürzlich den Daumen verrenkt hatte.

Noch weiter experimentieren

Greis, Groß und Fischer verbindet unter anderem noch die Erinnerung an das Staffelfiasko der letzten WM.

Da mussten die drei sogar Strafrunden drehen, denn immer noch hat die Staffel eine Schwachstelle. Seit Frank Luck zurückgetreten ist, fahndet Ullrich nach der Idealbesetzung für den Posten des vierten Mannes - die Suche wird die letzte Phase der Vorbereitung prägen.

Die Staffel ist die wichtigste Komponente für die Medaillenpläne, weshalb Ullrich erfreut zur Kenntnis nimmt, dass in der zweiten Reisegruppe, die jetzt in Schweden eingetroffen ist, ein "gesundes Gerangel und Gedränge" herrscht.

Als erster Anwärter für Platz vier gilt Andreas Birnbacher. Der hatte den Weltcupwinter mit drei dritten Plätzen abgeschlossen und war bei der WM plötzlich krank. Jetzt hat er zwei Kontrollwettkämpfe gewonnen.

"Birnbacher hat sich stabilisiert", sagt Ullrich. Lange musste er um Aufmerksamkeit kämpfen, nun ist Birnbacher plötzlich der Erfahrenste in einem Weltcupteam, wenn auch nur für Östersund.

Außer Alexander Wolf sind auch junge Läufer wie Michael Rösch, Daniel Graf, Carsten Pump, Robert Wick und Christoph Knie dabei, die alle um den Ersatzposten streiten.

Noch ist der Weltcup hoch oben im Norden und Ullrich kann noch etwas experimentieren. Ernst wird es im Januar, wenn die Gruppe zum Weltcup nach Ruhpolding zurückkehrt und auch die letzte Probephase vorüber ist in der langen Olympiavorbereitung.

© SZ vom 25. November 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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