Biathlon:Gegen Schneeflocken und Wackelknie

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Die deutschen Biathletinnen landen beim Einzelrennen von Hochfilzen fernab und suchen weiter ihre Form.

Volker Kreisl

Hochfilzen - Zum Auftakt der Europatour im Biathlon-Weltcup rieben sich die verantwortlichen Trainer und Betreuer erst mal die Augen. Beim Einzelrennen der Frauen über 15 Kilometer, dem ersten Wettbewerb in Hochfilzen, war von den üblichen Favoritinnen wenig zu sehen.

Die deutschen Teilnehmerinnen landeten bis auf Martina Glagow fernab, Liv Grete Poiree bleibt auf der Suche nach ihrer Form und einer guten Platzierung, und auch die Russinnen hatten sich zwar angestrengt, aber mit dem Sieg nichts zu tun. Den schnappte sich eine wenig bekannte Läuferin: In Anna Carin Olofsson gewann die erste Schwedin seit 2002, als die Rekordsiegerin Magdalena Forsberg ihre Karriere beendete.

Vielleicht lag das Mysterium aber auch ein wenig am Wetter, das später gestartete Läuferinnen wie Olofsson entlastete. Da war die Spur wieder blank und glatt.

In den Alpen stoßen die Biathleten auf mehr Publikum und mehr Lärm, aber auch auf Kälte, Schnee und Wind und alles was zum Winter gehört. In Hochfilzen waren die ersten Trainingstage relativ trocken, weshalb man in Ruhe zielen und schießen konnte, doch als das Testschießen unmittelbar vor dem Einzelrennen der Frauen begann, segelten die ersten dicken Flocken herab.

Neue kamen dazu, immer mehr, und bald waren es so viele, dass man nicht mal mehr die beiden Fallschirmspringer vom österreichischen Militär wahrnahm, die zur Feier dieses Weltcupstarts herab trudelten.

Die Athleten zogen sich Jacken über, für Bundestrainer Uwe Müssiggang war klar: "Dieses Rennen wird in der zweiten Startgruppe entschieden." Denn für die erste Läufereinheit war der Schnee zu tief.

Gleichmäßig Fehler bei allen

Alle hatten mit den äußeren Einflüssen zu kämpfen, zogen sich die Brillen ins Gesicht und suchten sich ihre Spur durch den Tiefschnee, schauten nicht rechts und nicht links, und auch die wenigen Zuschauer waren kaum zu hören.

Im Grunde bot dieses Wetter das, was Müssiggang und die anderen Biathlon-Lehrer als Ideal vorbeten: Einen Wettkampf gegen sich selber, in dem es der Athlet schafft, äußere Einflüsse auszublenden und ausschließlich dem eigenen Rhythmus zu folgen.

In der Staffel vor einer Woche war dies nur wenigen gelungen, in Massenstart- oder Verfolgungsrennen drängeln sich die Konkurrenten nebeneinander, dieses erste Einzelrennen der Saison sollte Aufschluss geben, wie stabil Müssiggangs Biathletinnen auftreten.

Strafrunden gibt es im Einzelrennen nicht, wer daneben schießt, verliert eine Minute, und die Läufer, die ohnehin im Halbminutenabstand starten, verteilen sich gleichmäßig auf den Nachmittag.

Eine Stunde lang leisteten sich in Hochfilzen alle Favoritinnen gleichmäßig Fehler, herausragend war keine. Die Französin Sandrine Bailly schoss zweimal daneben, genauso oft wie die meisten deutschen Läuferinnen, Liv Grete Poiree hatte am Ende vier Nieten.

Alle verschossen

Schlussfolgerungen waren wie immer erst möglich, als die Letzte eintraf, und da gab es für die Deutschen zwei Erkenntnisse: Abgestürzt ist niemand, gute Nerven unter widrigen Umständen hatte auch keine.

"Bis zur Mitte des Rennens ging's", analysierte Müssiggang, "danach haben sich alle verschossen." Wackelschützinnen wie Disl und Wilhelm schafften in der Loipe halbwegs den Anschluss, mäßigere Läuferinnen wie Katja Beer überzeugten eher am Schießstand.

Nur Martina Glagow erwies sich im Schneetreiben als Gesamtathletin, erreichte aber auch nur Platz sechs. Das Gros von Müssiggangs Läuferinnen versammelte sich ziemlich geschlossen zwischen den unscheinbaren Plätzen 13 und 20.

Unsicherheit in den Köpfen

Besondere Beachtung verdiente an diesem Arbeitstag Uschi Disl, weniger wegen ihrem Rang (sie wurde Siebzehnte), als wegen ihrer Worte aus der Vorwoche, als sie ihren Staffelplatz nach indiskutabler Leistung selber in Frage gestellt hatte.

Das klang, als würde jemand freiwillig sein Haus verlassen. Disl und die deutsche Biathlonstaffel, das war in den vergangenen 15 Jahren eine feste Verbindung, doch wie gut diese nun am Karriereende noch hält, hängt davon ab, wie verlässlich Disl bis Ende Januar wird. "Die steckt das schnell weg", glaubt Müssiggang, und betont, dass man diese Diskussion derzeit eigentlich nicht führe.

Andererseits weiß Müssiggang auch: "Die Unsicherheit haben sie jetzt alle in den Köpfen drin." Sieben Läuferinnen hat er, die abgesehen von Uschi Disl, alle über annähernd gleich viel Erfahrung verfügen und bis Olympia in dieser Formation bei den Weltcups die ideale Staffelbesetzung suchen. Ein Befreiungsschlag gelang Disl noch nicht, sie verfehlte gleich das erste Ziel, stabilisierte sich dann, schoss im dritten Durchgang ohne Fehler, kämpfte sich heran und setzte zum Abschluss wieder zwei Kugeln daneben.

Besser hatten das abermals andere gemacht: Martina Glagow zum Beispiel, die nur zwei Fehlschüsse lieferte, und Simone Denkinger, die in der ersten Startgruppe antreten musste und dem Tiefschnee trotzte. Eine gute Nachricht gab es aber doch noch: Die Bedingungen in Hochfilzen sollen besser werden. Disls Kampf gegen die Nerven und die wackeligen Knie geht weiter.

© SZ vom 8.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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