Biathlon:Einzelgold und noch mehr Lachs

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Biathlet Sven Fischer, Sieger über 10 Kilometer, wird in Norwegen ebenso gefeiert wie in Schmalkalden.

Volker Kreisl

Als Sven Fischer im Ziel wieder halbwegs rhythmisch und ruhig atmen konnte, da guckte er in die Kulisse und winkte. Dieses Winken sieht man oft, denn Fischer ist ein Biathlet mit sehr großem Fan-Gefolge. Alle möglichen Anhängerklubs begleiten und verfolgen ihn in die entferntesten Winkel des Weltcups, und trotzdem hatte die Geste diesmal eine interessante Wirkung.

Sven Fischer mit der lang ersehnten Goldmedaille (Foto: Foto: Reuters)

Nicht nur die deutschen Fahnen, zum Beispiel die Transparente vom Fischer-Fanklub Schmalkalden wurden geschwenkt und gewedelt, sondern auch haufenweise rote Fahnen mit blauem Kreuz. Dieser deutsch-norwegische Jubel über Fischers Goldmedaille im Sprint vereinte die beiden größten Zuschauersegmente des Biathlons. Eine Euphorie in schwarzrotblaugelb.

Norwegische Niederlage

Man muss dazu sagen, dass das Olympia-Biathlon am Dienstag zwar wieder einen rührenden Sieg hervorbrachte, aber auch eine norwegische Niederlage. Denn die Favoriten aus Norwegen waren wie das deutsche Team hier angetreten, um höchste Ziele zu erreichen, also nichts Geringeres als Gold. Vor allem Ole Einar Björndalen hatte dafür sehr hart gearbeitet, nach seinen vier Goldmedaillen von Salt Lake City hatte er ja zwischenzeitlich einen Ausflug zur Nordischen WM in Oberstdorf gewagt, um als Langläufer zu bestehen.

Die Konkurrenz war ihm auch in den Jahren nach Salt Lake City meilenweit hinterher gelaufen, er war hier immer noch der erste Favorit, aber jetzt hatte ihm erst Michael Greis den ersten Platz im Einzel weggeschnappt, und nun kam Sven Fischer. Björndalen hatte sich drei Strafrunden geleistet, was seine Ausgangsposition fürs Verfolgungsrennen nicht gerade optimierte.

Dass am Abend in den Bars im Tal trotzdem Deutsche wie Norweger gemeinsam feierten, lag zum einen daran, dass in Halvard Hanevold und Frode Andresen zwei der relativ unbekannten Ersatzbiathleten aus dem Team von Trainer Roger Grubben auf den Plätzen zwei und drei ankamen, zum anderen daran, dass Sven Fischer in Norwegen mindestens genauso beliebt ist wie zu Hause in Schmalkalden.

Fließende Konversation auf Norwegisch

Fischer spricht fließend Norwegisch, war mal mit der norwegischen Biathletin Sikveland zusammen und hat in dieser Zeit offenbar so viele Sympathien gesammelt, dass die große Beliebtheit auch anhielt, nachdem er die Beziehung ziemlich abrupt beendete. In der Zwischenzeit fungierte er als eine Art Botschafter Norwegens, wobei er mal eine halbe Tonne Lachs als Werbegeschenk erhielt. "Er ist ein großer Freund von uns", sagte Hanevold. - "Er kriegt jetzt noch mehr Lachs", sagte Frode Andresen.

Irgendwie stellt man sich ja auch Norweger so vor wie jenen Sven Fischer, der hier in San Sicario aufgetreten ist. Still, unspektakulär, vorsichtig formulierend, ohne lauten Ehrgeiz. Fischer ist schon 34 Jahre alt, er geht in der Freizeit zur Jagd, schwört auf die Einheit von Körper und Geist und hält nach jedem Rennen zur Regeneration einen Fünf-Minuten-Schlaf wie einst sein Großvater nach dem Mittagessen.

Als Sportler hat er unzählige Weltcuprennen gewonnen, aber er hat große Ehrfurcht vor einem Olympiasieg. "Als junger Biathlet nimmt man eine Medaille irgendwie mit, aber je älter man wird, desto mehr lernt man, sie wertzuschätzen . "

Bisherige Erfolge vor allem in der Staffel

Fischer ist einer der vielen Biathleten, die Jahr für Jahr auf höchstem Niveau für den DSV rennen, aber bis auf Staffelsiege kaum großartige Erfolge für sich alleine hatten. Im Jahr 1999 gelangen ihm mal zwei WM-Siege, im Einzel und im Massenstart. "Ich weiß, was so eine Medaille bedeutet", sagte Fischer, und dass man sie nicht erzwingen könne.

Er hatte sich wie immer auf diesen Höhepunkt vorbereitet, behielt das Wissen, dass man beim Schießen vorzeitig rausfliegen kann, und erst als er zwei Mal fehlerfrei durchgekommen war, begann er an sich zu glauben. Fischer verweigerte somit jede Siegermystik: "Ich kann nicht sagen, ich habe das vorher geahnt."

Als er über die Linie glitt, stand sein Sieg ja schon zu 90 Prozent fest, und weil Fischer sehr erfahren ist, war ihm das natürlich auch klar. Also sank er zu Boden, hielt inne und zog seinen Fünf-Minuten-Schlaf gewissermaßen vor. "Den Marathon danach kennt man ja mittlerweile", sagte er, er wollte kurz allein sein, zögerte die Phase des Durchpustens ein bisschen hinaus, und dabei waren ihm noch mal Höhen und Tiefen seiner Karriere in den Sinn gekommen.

Zu den Tiefen gehört zweifellos sein Rauswurf bei der Bundeswehr, weil er einen Fehler verschwiegen hatte, den er als 18-Jähriger begangen hatte: Seine Verpflichtung als Mitarbeiter für die Stasi. Viele Momente passen in eine Minute, sportliche Misserfolge, menschliche Trennungsgeschichten und auch Dinge, die die Öffentlichkeit nie erfährt. Und viele Höhepunkte als Biathlet sowie die Hoffnung, auch mal alleine ganz oben zu stehen.

Für die lauten Töne gab es andere, norwegische Fans, deutsche Fans und Willi Fischer. Das ist sein Vater, er betreut ihn als Manager, und nach dem Rennen rief er: "Wenn einer 33 Weltcuprennen gewinnt, warum soll's nicht auch bei Olympia klappen?" Während des Wettkampfs war allerdings auch Willi Fischer zwischenzeitlich still. Das Schießen seines Sohnes, das hat er nicht anschauen können, das war dann doch zu viel. Als Sven Fischer mit seinen zehn Treffern die Grundlage legte für seinen Olympiasieg, war sein Vater abgehauen, raus in den Wald, dorthin, wo man nichts hört und nichts sieht.

© SZ vom 15.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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