Bayern München:Siege für die Konkurrenz

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Der FC Bayern kann die Bundesliga vor dem Verlust von Plätzen in den Europa-Wettbewerben bewahren.

Klaus Hoeltzenbein

Wie wär's, wenn die Bayern mal Straßenbahn fahren würden? Am besten, so behaupten sie in Lissabon, lernt man die Stadt kennen, indem man sich in eine der historischen "Electronicos" setzt, die sich noch immer durch die engen Gassen schlängeln.

Nicht nur Roy Makaay, auch die anderen Spieler in der Bundesliga dürfen sich über CL-Tore des FC Bayern freuen. (Foto: Foto: dpa)

Indem man also hinauf fährt ins Barrio Alto, die Altstadt, wo in die Jahre gekommene Solisten für die Touristen den Fado vortragen, jenen schleppenden Gesang, der auch die Zuhörer schnell und kollektiv in Schwermut versetzt.

Dagegen müssten die Bayern gefeit sein; ihre Grundstimmung, zumindest als Champions-League-Reisende, wird derzeit geprägt von guter Laune.

Sie haben schon zwei Siege auf dem Konto, das 4:0 gegen Spartak Moskau und das wertvolle 2:0 bei Inter Mailand, jetzt könnten sie eigentlich Straßenbahn fahren bis ihnen schwindlig wird - und dann irgendwie ein pflichtgemäßes Remis bei Sporting Lissabon mit nach München nehmen.

Trainer Felix Magath aber hat mehr vor: "Egal, ob wir gegen Sporting oder sonst wen spielen, wir wollen am Mittwoch mit neun Punkten oben stehen." Dies ist eine Botschaft, die nicht nur die Fans der Bayern, sondern auch Bremer, Hamburger oder Schalker erfreuen sollte, wenn's auch noch so schwer fällt.

Denn die Münchner spielen längst nicht mehr nur für Renommee und Ego, sie siegen in Europa auch für das Kollektiv der Bundesliga.

Rätsel der Rangliste

Die Basis für diesen Dienst an der Gemeinschaft bildet eine Tabelle. Und nicht wenige meinen zu Recht, dass es eines abgeschlossenen Hochschul-Studiums der Mathematik bedarf, um ihr Zustandekommen zu verstehen.

Weshalb sich auch nur wenige für sie interessieren, oder meist erst, wenn es zu spät ist. Der Name: Uefa-Fünfjahreswertung; der Auftrag: Verteilung der Startplätze für die Champions League und den Uefa-Cup.

Was sich in dieser rätselhaften Rangliste derzeit tut, gibt allerdings Anlass genug, die Bundesliga in Alarmstimmung zu versetzen, läuft die Liga doch akut Gefahr, dass ihr ohnehin schon geschrumpftes Startplatz-Kontingent für die europäischen Wettbewerbe demnächst weiter reduziert wird.

Konkret: Schon für die Saison 2008/2009 droht der Verlust eines der beiden garantierten Champions-League-Startplätze, spätestens aber für 2009/2010 wird es, wenn der Trend anhält, ganz eng.

Siege sammeln

Und die hartnäckigsten Verfolger der deutschen Vereine sind momentan die Portugiesen, die wie die Bundesliga (Bayern, HSV, Bremen) in der Champions League mit drei Klubs (Sporting, Benfica, Porto) punkten können. Da würde ein Sieg der Bayern bei Sporting doppelt zählen.

Längst ist die deutsche Liga deutlich hinter Spanien, Italien, England und Frankreich auf Platz fünf der Uefa-Tabelle zurückgefallen, diese Kluft wird auf Jahre nicht zu schließen sein.

Nun aber nahen die Verfolger, Portugiesen, Niederländer oder gar die Rumänen könnten schon bald vor den Deutschen stehen.

Bei einem Rückfall von Platz fünf auf sechs passiert nicht viel, ab Rang sieben wird es gefährlich.

Felix Magath gibt Anweisungen im letzten Training vor dem Spiel in Lissabon. (Foto: Foto: dpa)

Platz sieben in Europas Hitparade würde nach dem aktuellem Regelwerk den Verlust eines CL-Startplatzes bedeuten - nur noch der Meister wäre gesetzt, der Zweite müsste in die Qualifikation, der Dritte in den Uefa-Cup.

Die Kalkulation der Ligaspitze wäre wacklig, selbst die Bayern müssten in einer Saison ohne Meistertitel womöglich an die stattlichen Festgeld-Reserven gehen, zumal gerade bekannt wurde, dass ihre neue Arena in den kommenden Jahren aus dem Klubvermögen gestützt werden muss.

Um einen reibungslosen Stadionbetrieb zu ermöglichen, zugleich aber sportlich attraktiv zu bleiben, vertrauen die Münchner langfristig dem permanenten Zufluss der Euro-Millionen aus dem internationalen Geschäft.

Dieses aber läuft wieder einmal nicht wunschgemäß, nachdem sich Schalke 04 und Hertha BSC bereits in der ersten Runde des Uefa-Cups verabschiedeten.

Keine stolze Bilanz

In den ersten 14 deutschen Spielen, die in dieser Saison in die Europacup-Wertung kamen, hat die Bundesliga eine ausgeglichene, doch keine stolze Bilanz: fünf Siege (Bayern 2, Leverkusen 1, Schalke 1, Frankfurt 1), vier Remis, fünf Niederlagen. Schwach beispielsweise im Vergleich zu den Rumänen, zu Steaua, Dynamo und Rapid Bukarest: fünf Siege, kein Remis, eine Niederlage. Weil die Rumänen nur drei Starter haben, bringt ein Sieg oder Remis mehr Wertungspunkte.

Höhere Mathematik also, der deshalb so schwer zu folgen ist, weil es auch Bonuspunkte und Streichresultate gibt. Was sich in so einer Uefa-Tabelle regt, wenn Erfolge ausbleiben, haben die Münchner erst jüngst registrieren müssen.

Bei der Gruppen-Auslosung landeten sie zuletzt nur noch in Topf B, waren also nicht mehr gesetzt. Basis dafür war ein Cocktail aus Uefa-Fünfjahreswertung (30 Prozent) sowie dem Kummulativen Klub Koeffizienten (70 Prozent).

Keine Sorge: Hinter diesem Wortungetüm verbergen sich nicht die heimliche Kontakte der Vereine zum Rotlicht-Milieu, sondern deren Punkte in den Europa-Wettbewerben. Der AC Milan (121,02) lag auf Platz eins, die Bayern (80,96) waren als bester deutscher Klub 13., Schalke ist 20.

Das sieht nicht so gut aus, weshalb die Warnung von Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vor dem Spiel in Lissabon ("Vorsicht, wir haben noch gar nichts erreicht!") auch für die Allgemeinheit gilt: Die Bundesligisten, auch die im Uefa-Cup verbliebenen Frankfurter und Leverkusener, sollten Siege sammeln, sonst werden demnächst die Dienstreisen knapp.

Obwohl, der herbe Charme einer Stadt wie Lissabon lässt sich als Tourist vermutlich besser genießen.

© SZ vom 18.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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