Bayern München:Der einsame Ameisenoffizier

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Der FC Bayern führt kurz vor der Winterpause ergebnislose Verhandlungen und spielt nebenher unbefriedigenden Fußball - allen voran Roy Makaay.

Beinahe so weltbekannt und legendär wie der FC Bayern an sich sind ja seine Mitternachtsbanketts, welche die Europacup-Reisen auch dann zum Erlebnis machen sollen, wenn es nur zu einem kümmerlichen Remis beim Dritten der belgischen Liga gereicht hat wie Mittwochabend in Brügge. Die Münchner präsentieren dann zu später Stunde der Entourage als heimliche Höhepunkte einen bayerischen Weißbierstand und eine feine Menükarte mit dem Vereinswappen, da können sie sich in einem noch so entlegenen Winkel des Kontinents befinden.

Die Begrüßungsreden haben zudem mindestens den Wert einer Regierungserklärung, es gilt das gesprochene Wort. So ist es auch an der belgischen See gewesen, wo die vermeintlich wichtigsten Gespräche allerdings hinter schweren Holztüren stattfanden. Hinterher sah man die Beteiligten dann gut gelaunt beim Rotwein sitzen, dabei war man ohne Ergebnis auseinander gegangen. Schon wieder.

Zwei Wochen vor der Winterpause befindet sich der FC Bayern in einem seltsamen Zustand, denn er führt ständig Verhandlungen, und nebenbei wird ein bisschen Fußball gespielt. Willy Sagnol etwa war "als Tourist" mitgereist, trotz seiner Gelbsperre wollte er mit den Kollegen trainieren und nebenbei sein Votum zur Vertragsverlängerung kundtun. Doch als der Franzose nachts um eins, nach einem Hinterstubentermin mit dem Arbeitgeber, heraustrat, sprach nicht er den entscheidenden Satz, sondern Vorstand Karl-Heinz Rummenigge, der sagte: "So, wollen wir etwas trinken?" Sagnol hatte gerade nur mitgeteilt, dass er nichts mitzuteilen habe, "aber wenn am 5. Januar wieder das Training beginnt, gebe ich definitiv Bescheid", erklärte der Verteidiger, der bereits in Turin im Wort stehen soll. "Er will noch überlegen, nachdenken", glaubt dagegen Manager Uli Hoeneß, den der gewährte Aufschub auch in dieser Causa nicht sonderlich belastet, wie er versichert: "Denn ich habe schon sehr genaue Vorstellungen, wie unsere Mannschaft nächstes Jahr aussieht."

Und so saßen nachts alle vergnügt im Restaurant oder in der "Polo Lounge", wie Michael Ballack nebst Berater Michael Becker, der mittags mit Hoeneß einen heißen Capuccino getrunken hatte. Auch hier wollen sich die Geschäftspartner ja abschließend im Januar erklären, daran habe sich nichts geändert, sagt Hoeneß, der freilich einen Unterschied zu Sagnol ausgemacht hat, den er herzlich gerne darlegt: "Willy hat ein Angebot - Michael hat keines." Die Gegenseite sei also am Zuge. "Er muss uns ein Zeichen geben."

Vorläufiger Tiefpunkt im Küstenwind

Manchen wird es beruhigen, dass die Bayern alsbald auch über Fußball reden wollen. Denn nach dem 1:1 in Brügge, das haben auch sie bemerkt, stellt sich ihre Lage längst nicht mehr so glänzend dar wie noch im Herbst. Sebastian Deisler sprach sogar von einem "Negativtrend", gegen den keinesfalls überbegabten belgischen Champion verspielten die Bayern überdies den zuvor als unheimlich wertvoll gepriesenen Gruppensieg. "Den haben wir verschenkt", gestand Ballack, der übrigens seine Form in den Katakomben vergessen hatte. "Wir haben unser Ziel zurecht nicht erreicht", ergänzte Deisler. "und wir hatten wieder keinen Zug zum Tor, wie in Stuttgart."

Angesprochen fühlen darf sich vor allem Roy Makaay, der im Küstenwind den vorläufigen Tiefpunkt seiner Schaffenskrise erlebte: Er wurde ausgewechselt. Zur Halbzeit. Trainer Felix Magath begründete dies einerseits mit der Raumnot in der Hälfte der Gastgeber, anderseits ließ er tief blicken, als er sagte: "Wir wollten nach dem 1:1 zur Pause mehr nach vorne machen." Dafür indes ist Makaay seit Monaten nicht mehr geeignet. Die Tore gegen die Null-Punkte-Combo Rapid sind jedenfalls nur ein Intermezzo gewesen, in Brügge präsentierte er sich erneut in schauerlichem Zustand. Kein Torschuss, keine Ballkontrolle und weniger Ballkontakte als Oliver Kahn, der frierende Torhüter.

Claudio Pizarro bescheinigte der Coach dagegen euphorisch "überragende 90 Minuten", in denen der Peruaner mit dem Aktionsradius eines Ameisenoffiziers beeindruckte. Mit der Hereinnahme seines Landsmannes Guerrero (und dem Verzicht auf Karimi) wirkte Bayern in der letzten halben Stunde doch noch wie eine Elf mit einem vagen Ziel. Dass der französische Referee Guerreros vermeintliches Siegtor ignorierte, als er die Nachspielzeit vier Sekunden vor dessen Schuss ins Eck beendete, ärgerte aber wohl nur Finanzchef Karl Hopfner wegen der entgangenen Erfolgsprämie von 160.000 Euro. Juventus hätte ja trotzdem Platz eins behalten.

Was genau den Bayern ihre Nachlässigkeiten eingebracht haben, werden sie am 16. erfahren, wenn die K.o.-Runde ausgelost wird. So lange eint sie nun die Furcht vor einem speziellen Los, denn nicht nur Rummenigge bekannte in Brügge, ihm sei es "noch zu früh für Barcelona". Die Bankettsaison wäre dann womöglich abrupt beendet. Andreas Burkert

© SZ vom 09.12.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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