Bayerischer Sportpreis:Ausgezeichneter Nachbohrer

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Bei der Preisverleihung nutzt Felix Neureuther seine Dankesrede, um direkte politische Forderungen an Sportminister Herrmann zu stellen. Laura Dahlmeier bleibt der Veranstaltung fern.

Von Raphael Späth

"Es ist wichtig, dass Sportler ihren eigenen Weg gehen und den Mund aufmachen, wenn sie den Eindruck haben, dass in ihrem Sport irgendetwas in die falsche Richtung läuft," erklärte der bayerische Sport- und Innenminister Joachim Herrmann im Foyer der BMW Welt in München, wo am Samstagabend zum 18. Mal der Bayerische Sportpreis verliehen worden ist. "Und darüber muss dann auch offen geredet werden", ergänzte Herrmann, bevor er in den Saal verschwand. Mit Felix Neureuther befand sich genau so ein Athlet unter den Preisträgern: Der immer wieder sportpolitische Missstände angesprochen hat - und weiter anspricht. Später stimmte Herrmann in Vertretung für Ministerpräsident Markus Söder eine Laudatio auf Neureuther an. Womit er wohl nicht rechnete: Dass dieser den Appell wörtlich nahm und direkt auf der Bühne seine Kritik an der aktuellen Schulpolitik zum Ausdruck brachte.

"Herr Herrmann: Sorgen Sie dafür, dass sich Kinder in der heutigen Zeit der Digitalisierung mehr bewegen", forderte Neureuther. "Dazu muss auch das Schulsystem überarbeitet werden. Nur dann können wir gesund in die Zukunft gehen." Nach fünf WM-Medaillen und 13 Weltcup-Siegen engagiert sich der 35-Jährige nach seinem Karriereende für den Sport, vor allem das Wohl der Kinder ist ihm wichtig: "Ich bin ein Nachbohrer und lasse da auch nicht locker." Herrmann, sichtlich überrascht von den direkten Forderungen Neureuthers, kündigte an: "Also gut, gleich nächste Woche werde ich das dem Kultusminister vorschlagen. Das gehen wir zusammen an." Auf Neureuthers Hartnäckigkeit angesprochen, ergänzte Bayerns früherer Nationalfußballer Paul Breitner später im Zuschauerbereich: "Ziehen Sie sich warm an, Herr Herrmann."

Es war der passende Abschluss eines Abends, den sich ein Preisträger trotz Auszeichnung lieber erspart hätte: "Ich würde jetzt eigentlich lieber auf der Couch liegen", gestand Skispringer Markus Eisenbichler: "So eine Veranstaltung ist schon anstrengend für mich." Im Februar wurde er zum ersten Dreifachweltmeister der Skisprung-Geschichte, dazu gelang ihm nach Platz zwei bei der Vierschanzentournee auch noch sein erster Weltcup-Sieg beim Skifliegen im slowenischen Planica. Aber nicht nur aufgrund seiner Erfolge wurde er als Botschafter des Bayerischen Sports ausgezeichnet. "Er lebt noch immer mit Leib und Seele in Siegsdorf, seine Wurzeln sind sehr tief im Bayerischen vergraben", sagte Laudator Dieter Thoma. Dementsprechend repräsentiere Eisenbichler seine Heimat, wo immer er auch hinreise - sei es bei der WM in Österreich oder beim Schuhplatteln im Deutschen Haus bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang.

Dass deutsche Erfolge auf österreichischem Boden in Erinnerung bleiben, zeigte sich auch bei den "Sportmomenten für die Ewigkeit" der Skifahrer Thomas Dreßen und Josef Ferstl. Beide beendeten die jahrzehntelange Durststrecke siegloser deutscher Abfahrer auf der legendärsten Skipiste der Welt im österreichischen Kitzbühel. Dreßen gewann 2018 das Abfahrtsrennen auf der "Streif" - für Laudator Markus Wasmeier der "emotionalste Moment in meinem Zuschauer-Leben". Josef Ferstl siegte ein Jahr später im Super-G - genau 40 Jahre nach seinem Vater. Nun darf sich auch Sohn "Pepi" auf eine Sieger-Gondel im österreichischen Skigebiet freuen.

Geschichte haben alle Preisträger im vergangenen Jahr geschrieben. Seien es die fünf Nachwuchsbasketballerinnen, die im vergangenen Jahr den ersten U18-Europameistertitel in der deutschen Geschichte gewannen, oder Simone Blum, die als erste Frau die seit 1990 bestehende Weltmeisterschaft der Springreiter gewinnen konnte. Mit Laura Dahlmeier beendete in diesem Sommer eine der erfolgreichsten Biathletinnen der Geschichte ihre Karriere. In gerade einmal sechs Jahren sammelte sie 15 WM-Medaillen, zwei Olympiasiege und einen gewonnenen Gesamtweltcup. Allerdings war sie am Samstagabend nicht persönlich im "schönsten Saunaklub Münchens", wie Moderator Markus Othmer den Veranstaltungsort bezeichnete, anwesend. Bei ihrer Video-Dankesrede sitzt sie in Wanderstiefeln auf dem Wank - weit weg vom Medienrummel und Trubel ihres früheren Alltagsgeschäfts Biathlon.

Clara Klug ist zwar nur zehn Monate jünger als Dahlmeier, ihre Karriere aber fängt gerade erst an: Die Para-Biathletin, die nahezu vollständig erblindet ist, erhielt in diesem Jahr den Sportpreis in der Kategorie "Jetzt-erst-recht", nachdem sie in der abgelaufenen Saison Dahlmeiers Erfolgen nacheiferte. Nach zwei paralympischen Bronzemedaillen in Pyeongchang 2018 sicherte sich Klug in diesem Jahr gemeinsam mit ihrem Guide Martin Härtl den Gesamtweltcup und drei WM-Goldmedaillen. Das Ziel für die kommenden Jahre wurde von Härtl dementsprechend - und passend zur Auszeichnung dieses Abends - selbstbewusst formuliert: "In Peking 2022 wollen wir Gold holen."

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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