Basketball:Zettelwirtschaft in Kartons

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Weil sein Mentor Holger Geschwindner noch immer wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung im Gefängnis sitzt, ist die Basketball-EM für NBA-Star Dirk Nowitzki derzeit zweitrangig.

Von Joachim Mölter

Es hätte alles so schön sein können in diesen Tagen für den Basketball-Profi Dirk Nowitzki: Wie in vergangenen Jahren auch wollte er am Starnberger See die konditionelle Basis schaffen für die Europameisterschaft im Herbst und die danach beginnende Saison in der nordamerikanischen Profiliga NBA, alles unter Anleitung seines Entdeckers und Förderers Holger Geschwindner.

NBA-Star Dirk Nowitzki beim Länderspiel Deutschland-USA im Sommer 2004 (Foto: Foto: AP)

Doch der 59-Jährige sitzt seit zehn Tagen in Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, das schon traditionelle Trainingslager wurde abgesagt, und am Dienstagabend hieß es gar, Deutschlands bester Basketballspieler wolle auch seine EM-Teilnahme vom 16. bis 25. September in Serbien und Montenegro absagen.

So hatte jedenfalls Geschwindners Anwalt Dieter Hoffmann eine Bemerkung Nowitzkis verstanden und weitergegeben, und das hat zu derart viel Aufregung geführt, dass der Nationalspieler und die Verantwortlichen des Deutschen Basketball Bundes (DBB) den halben Tag damit verbrachten, alles wieder zu beruhigen.

EM "nicht das erste Thema"

"Ich versuche, mich in EM-Form zu bringen", wird Dirk Nowitzki zitiert in einer vom DBB verbreiteten Erklärung: "Ich möchte dort natürlich gerne spielen, weil mir die Nationalmannschaft am Herzen liegt." Seine Schwester Silke sagt: "Er versucht, so normal wie möglich die Sachen durchzuziehen, wie sie mit Holger Geschwindner geplant waren", zum Beispiel einen PR-Termin der NBA am Wochenende in Treviso.

Ansonsten mag die Familie Nowitzki gar nicht viel sagen: "Es kann nicht unser Ziel sein, das in der Öffentlichkeit auszutragen. Es ist sowieso schon extrem schwer für Dirk, seinen Trainingsplan wie gewohnt durchzuführen." Der 27-Jährige verhehlt nicht, dass ihm die Konzentration auf den Sport schwer falle: Die EM sei "im Moment nicht mein erstes Thema".

Großer Bruder, zweiter Vater, treuer Freund

Das ist die mit Verdunkelungs- und Fluchtgefahr begründete Inhaftierung von Holger Geschwindner, dem es Nowitzki zu verdanken hat, dass er sich beim NBA-Klub Dallas Mavericks zu einem der besten Spieler der Welt entwickelt hat. Für Nowitzki ist Geschwindner jedoch mehr als Trainer und Betreuer, er ist so etwas wie großer Bruder, treuer Freund oder zweiter Vater, ein Mann jedenfalls, den man für Geld nicht kaufen kann. Aber dass zwischen Nowitzki und Geschwindner Geld geflossen sei, das Geschwindner nicht versteuert habe, glaubt die für Oberfranken zuständige Staatsanwaltschaft in Hof.

Mit Beamten der Steuerfahndung hat sie deshalb vorige Woche Geschwindners Firmen- und Privaträume in Bamberg und Scheßlitz durchsucht, außerdem der Familie Nowitzki in Würzburg einen Besuch abgestattet. Im Zentrum des Interesses stand angeblich eine Art Absicherungsvertrag zwischen Nowitzki und Geschwindner aus dem Jahr 1996, in dem zwar offenbar Zahlungen geregelt waren, der jedoch "nie aktiviert" wurde, wie Geschwindners Anwalt Dieter Hoffmann sagt.

Staatsanwälte halten sich bedecktBei

der Staatsanwaltschaft in Hof sagt man nichts über den Stand der Ermittlungen, aber Anwalt Hoffmann versichert, die Vorwürfe der Steuerhinterziehung aus einer siebenstelligen Summe, die aus diesem Vertrag abgeleitet wurden, seien ausgeräumt.

Zettelwirtschaft in Kartons

Nun seien die Beamten "aufgeregt bemüht, noch etwas Belastendes zu finden" in den Unterlagen, die sichergestellt wurden. Was anscheinend nicht einfach ist, weil der Beschuldigte seine Belege nach dem Prinzip der Zettelwirtschaft in Kartons sammelte und einem Steuerberater übergab, wie Hoffmann sagt: "Auf Ordnung dürfen sie bei Herrn Geschwindner nicht hoffen."

Der Anwalt indes hofft, seinen Mandanten in den nächsten Tagen aus der Justizvollzugsanstalt in Hof frei zu bekommen, auch wenn er sich der misslichen Lage bewusst ist.

Dass jemand freiwillig auf einen Anteil verzichtet, wenn er von einem mit schätzungsweise 80 bis 90 Millionen Dollar dotierten Vertrag profitieren kann, sei schon "ein eher unnatürlicher Vorgang in unserer materialistischen Welt", gibt Hoffmann zu: "Das kann man kaum glauben, dass so viel Edelmut vorkommt."

Wer Geschwindner, den ehemaligen Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, jedoch kennt, bescheinigt ihm, ein Idealist in Sachen Basketball zu sein. Allerdings hat er sich mit seiner manchmal forschen Art nicht nur Freunde gemacht. Dass ihm jemand mit der Anschuldigung der Steuerhinterziehung schaden wollte, erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Vorbereitungen für EM belastet

Geschwindners Inhaftierung trifft freilich auch den DBB und dessen EM-Vorbereitung. Sportdirektor Wolfgang Brenscheidt sagt, die gesamten Planungen liefen derzeit "unter erschwerten Bedingungen". Zum einen, weil Geschwindner stets die Versicherungsfragen mit der NBA geklärt habe, die für Nowitzkis Einsätze notwendig gewesen seien.

Zum anderen, weil "es nicht zu leugnen ist, dass Dirk gedanklich woanders ist. Er plant für die EM, er trainiert für die EM, aber es fällt ihm schwer". Falls Geschwindner noch länger in Untersuchungshaft bleiben müsse, fürchtet er deshalb, dass Nowitzki seine EM-Teilnahme wirklich noch absagt: "Ich will nicht ausschließen, dass Dirk in vier Wochen so eine Entscheidung trifft."

© SZ vom 28.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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