Basketball:Sein Spiel ist reifer als er selbst

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Die Basketball-Liga NBA hat den 18-jährigen LeBron James zu ihrem neuen Superstar auserkoren.

Von Wolfgang Gärner

LeBron James ist keine Zirkusnummer mehr. Aber er ist immer noch derjenige, auf den alle schauen im amerikanischen Basketball. Auf den alle gewartet, den alle gesucht haben: Liga, Sportartikel-Industrie, Fans. The Next One, der Nächste.

Yeah. LeBron James beim Dunking. (Foto: Foto: AP)

Hektisch fahndeten sie nach jenem, der die Nachfolge des Michael Jordan antreten könnte: Iverson? McGrady, Garnett? Bryant? Letzterer wäre am ehesten berufen gewesen, doch nun ist er wegen Vergewaltigung angeklagt: Dieser Stern wird nie mehr strahlen, egal wie immer die Klage ausgeht.

90 Millionen Dollar von einer Schuhfirma

Also LeBron James, dessen Stern schon zu strahlen begann, als ihn noch kaum jemand kannte außerhalb Akron, Ohio. Nun kennt ihn jeder. LeBron James ist immer noch keine 19, hat aber schon allerhand erlebt. Hat am Dienstag bereits zum zweiten Mal seinen Kumpel Carmelo Anthony als Gegner in der NBA getroffen, ein Jahr älter, gleich groß (2,03 m).

Anthony wurde als Nummer drei im Draft, der Verlosung der Nachwuchsspieler, angeboten und von den Denver Nuggets erworben. Bei denen bildet sich das Talent in der Stille - diese Chance hatte LeBron James keine Sekunde, seitdem er die allererste Wahl im Draft wurde.

So einen gibt es jedes Jahr, aber noch keinen Highschoolspieler, der 90 Millionen Dollar von einer Schuhfirma bekam. Die andere Seite ist, dass im US-System die schlechtesten Teams ersten Zugriff auf den Nachwuchs haben.

Also sicherten die Cleveland Cavaliers sich LeBron James. Wenn der Trost bräuchte, taugten dazu allenfalls die Orlando Magic: als einzige noch schlechter in der NBA mit 1:16, drei Siege weniger als die Cavs. Die stehen bei 4:14, kein erhebender Karrierebeginn für einen, der mindestens Prodigy genannt wird: Wunderkind.

Das Treffen der zwei Top-Rookies

Der letzte Sieg der Cavs liegt auch schon wieder drei Wochen zurück, 103:95 gegen die Los Angeles Clippers. Seitdem: sieben Niederlagen, zuletzt Dienstagnacht 103:115 bei den Denver Nuggets, wieder gegen Anthony.

Das zweite Treffen der Top-Rookies endete nicht wie das erste: Denver gewann, Anthony war mit 26 Punkten gegen 19 von James der Bessere beim Debütantenball. Vor einem Monat, als die Nuggets 93:89 gewannen, hatte der Ältere mit 14:7 Oberhand, und die Statistik der NBA-Neulinge führt er mit 17,9 Punkten pro Spiel knapp vor James mit 17,6 an.

Die härtere Zeit hat LeBron James vermutlich längst überstanden: Jene, als er 17-jährig realisierte, dass er die Hoffnung der ganzen Liga darstellte. Als seine Mutter Gloria ein T-Shirt mit dem Aufdruck LeBrons Mom trug und bei jedem Wurf des Sohnes schrie: "Yeah Baby - wir gehen auf die Bank!"

Als Nike, adidas und Reebok um ihn zu kämpfen begannen und der Andrang bei den Schulspielen derart anschwoll, dass das Team von St. Vincent-St. Mary in die JAR-Arena umzog, 6000 Zuschauer fassend und fortan jedes Mal ausverkauft. "Ich mache mir Sorgen um das Kind", sagte James' Highschool-Coach Dru Joyce, "jeder erwartet von ihm, dass er in der NBA sofort ein dominierender Spieler ist." Die Erwartung könnte zu viel sein für den jungen Mann, befürchtete der Lehrer.

25 Punkte beim Debüt

Er hat es verkraftet, offenbar, wer mit den Cavaliers spielt, lernt Demut fast von selbst. "Ich denke, ich hätte dem Team mehr helfen sollen", ist stehende Rede des jungen Mannes, wenn nicht ausnahmsweise mal gewonnen wird. Zum Debüt in der Liga am 29. Oktober bei den Sacramento Kings streute er 25 Punkte ein, holte sechs Rebounds. Besser waren beim ersten Auftritt nur Oscar Robertson, 1960: 31 Punkte/zehn Rebounds, und Isiah Thomas, 1981: 31/11.

"Ich denke, ich spielte gut", sagte James, "aber wohl nicht gut genug", um die 92:106-Niederlage verhindern zu können. "Er macht jeden besser, der mit ihm zusammen spielt", meinte Frank Johnson, Chefcoach der Phoenix Suns, nachdem James gegen sein Team 21 Punkte und zwölf Rebounds verbucht. Aber die Suns gewannen 95:86.

Die Niederlage gegen die Indiana Pacers (90:91) ging ganz allein auf die Kappe des Neulings: Sieben Sekunden vor Schluss vergab er einen Korbleger - und dann auch noch den folgenden Tip-in. "Ich war nicht LeBron", sagte er darauf. Gegen Memphis vergangenen Samstag war er mehr LeBron denn je mit 33 Punkten, 16 Rebounds, sieben Assists. Die Cavaliers verloren trotzdem 115:122, aber mehr kann er seinem Team beim besten Willen nicht helfen.

James ist keine Zirkusnummer mehr. Die Dinge normalisieren sich. Eine halbe Million Cavaliers-Trikots mit seinem Namen und der Nummer 23 wurden verkauft, was eine ganze Menge ist für das zweitschlechteste Team der Liga. Mutter schreit nicht mehr am Spielfeldrand, aber manchmal holt die Vergangenheit den 18-Jährigen ein: Wenn ein Schuldner auf Rückzahlung von 150.000 Dollar Erziehungsbeihilfe drängt oder ein Kleinkrimineller als sein angeblicher Vater Unterstützung begehrt.

Er komme mit so was zurecht, versichert LeBron. Cavaliers-Coach Paul Silas beschränkt sich auf James' sportliche Seite: "Sein Spiel ist reifer als er selbst." Ein paar Jahre stehen ihm ja wohl auch zu, um sein Spiel einzuholen.

© SZ vom 04.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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