Basketball-Halbfinalist Rasta Vechta:Schnelle Finger, schnelle Füße

Lesezeit: 3 min

Keiner verkörpert Vechtas Basketballer besser als Max DiLeo - so wie der umtriebige Verteidiger sein Team inspiriert, ist klar: Es wird auch gegen Bayern München dagegen halten.

Von Joachim Mölter, München

It's not the size of the dog in the fight, it's the size of the fight in the dog

Diese Redewendung wird dem amerikanischen Schriftsteller Mark Twain zugeschrieben, und auch wenn der zu Lebzeiten nichts mit Sport zu tun hatte, wird sie gerade in dieser Branche heute noch gern verwendet. Sinngemäß bedeutet sie: Es geht nicht darum, wie groß ein Typ ist, der in einen Wettkampf geht, sondern wie groß der Kampfgeist ist, der in diesem Typen steckt. Wer ein Beispiel dafür braucht, schaut am besten mal Max DiLeo zu.

Bei dem ist ja nicht ganz klar, wie groß er ist: Sein Uni-Team in den USA hat 1,85 Meter gemessen, sein aktueller Klub Rasta Vechta gibt ihn mit 1,81 an, beides ist eher klein für einen Basketballprofi. Aber DiLeos Kampfgeist ist groß genug, um mit seiner Mannschaft im Playoff-Halbfinale um die deutsche Meisterschaft den FC Bayern München herauszufordern - Aufsteiger gegen Titelverteidiger, Provinzverein gegen Weltmarke, niedersächsische Kleinstadt gegen bayerische Millionenmetropole. Das erste Spiel der Best-of-five-Serie haben die Münchner am Sonntag in eigener Halle gewonnen, 98:88 (52:42). "Jetzt müssen sie nach Vechta, und es ist nicht einfach, da zu spielen", sagt DiLeo vor dem zweiten Duell am Dienstagabend. 3140 Zuschauer passen in den Rasta Dome, ein Zehntel der Einwohner. Im März hat der FC Bayern dort seine höchste Saisonniederlage in der Bundesliga kassiert, 75:93.

Die einst aus einer Schüler-AG des örtlichen Gymnasiums hervorgegangenen Rasta-Männer legen gerade eine traumhafte Saison hin, sie haben zum ersten Mal die Playoffs erreicht und dort im Viertelfinale den früheren Serienmeister Bamberg niedergekämpft, mit einem ersatzgeschwächten Kader. Ihr Coach Pedro Calles, ein 35 Jahre alter Spanier, ist als Trainer des Jahres geehrt worden, ihr Regisseur Thomas Joseph "T. J." Bray war Zweiter bei der Wahl des wertvollsten Spielers, der Teenager Philipp Herkenhoff Dritter bei der Kür des besten deutschen Talents. Aber wenn es darum geht, wer das Team am besten verkörpert, sagt Calles: "Max ist ein gutes Bild für unsere Identität."

Die Philosophie, die der Spanier im ersten Jahr als Cheftrainer vermittelt hat, beschreibt Herkenhoff so: "Unsere Defense kreiert die Offense, wir wollen aggressiv spielen, und das fängt mit Max an - wie er den gegnerischen Spielmacher aufnimmt, ihn unter Druck setzt. Er gibt den Impuls."

Es ist nicht unbemerkt geblieben, wie stark Max DiLeo verteidigt, wie er den gegnerischen Angriff aus dem Rhythmus bringt, wie er Ballverluste erzwingt mit seinen wedelnden Armen und schnellen Fingern. Bei der Auszeichnung der besten Abwehrspieler war er Dritter. Für seinen älteren Bruder - den beim Ligarivalen Bonn unter Vertrag stehenden Tony junior, kurz T.J. - ist der 26-Jährige "einer der besten Eins-gegen-eins-Verteidiger", wie er in einem Interview erzählte: "Er arbeitet großartig mit seinen Füßen, lässt dich nicht vorbei. Es ist schwierig, gegen ihn zu scoren."

Dass Vechta mitunter an die 100 Punkte kassiert, ist kein Widerspruch, findet Herkenhoff: "Das liegt nicht an einer schlechten Abwehr, sondern an dem schnellen Basketball, den wir spielen. Dadurch gibt es generell viel mehr Punkte." Wie überfallartig die Rasta-Männer zu Körben kommen können, demonstrierten sie am Sonntag: Nachdem der FC Bayern nach fünf Minuten schon 9:0 führte, kamen die Vechtaer innerhalb von 42 Sekunden auf 9:8 heran. Und die 16 Punkte, die sie im dritten Viertel zurücklagen (50:66/26.), machten sie mit einem Zwischenspurt zum 79:78 (33.) wett.

Und immer vorne dabei: Max DiLeo, der Sohn zweier auch hierzulande noch bekannter Basketballer. Sein Vater Tony coachte in den Achtzigerjahren die Frauen der DJK Agon Düsseldorf zu sechs und anschließend die Männer des BSC Saturn Köln zu zwei deutschen Meistertiteln nacheinander; seine Mutter Anna gehörte zu jenen Düsseldorferinnen, die einmal 136 Partien in Serie gewannen, so viele wie keine andere Mannschaft in Deutschland, egal in welcher Sportart. Das erste Kind der DiLeos, Tony junior, kam 1990 noch in Düsseldorf zur Welt, Max wurde nach dem Umzug der Familie in Philadelphia geboren.

Zur Serie gegen den FC Bayern sind drei Verletzte zurückgekehrt

Max DiLeo hat also viel Begabung mitbekommen, aber "im College habe ich gemerkt, dass da noch mehr Talent rumläuft", erzählt er. Um mitzuhalten, konzentrierte er sich auf die Abwehrarbeit, auf die "Hustle Plays", wie die vielen kleinen Dinge genannt werden, die nie in einer Statistik auftauchen und doch so wertvoll sind für den Erfolg einer Mannschaft. Er hechtet nach scheinbar verlorenen Bällen, stemmt sich gegen zwanzig Zentimeter größere Gegner und steckt von denen notfalls auch unsportliche Ellbogenschläge ein, wie am Sonntag vom Münchner Vladimir Lucic - kurzum: Er legt sich mächtig ins Zeug, ohne dass es groß auffällt. "Ich weiß, dass es meine Teamkameraden zu schätzen wissen", sagt DiLeo nur.

Max DiLeo hat seinen Vertrag in Vechta bereits im März verlängert, "ich habe eine wirklich gute Entscheidung getroffen", findet er: "Für mich ist es das Beste, in Pedros System zu spielen." Womöglich hat er mit seinem Engagement für Rasta auch die Wunderheilung von drei Teamkollegen inspiriert, die schon abgeschrieben waren für diese Saison, aber zur Serie gegen den FC Bayern auferstanden sind von den Verletzten: Clint Chapmann (Innenbandriss im Knie), Seth Hinrichs (Handbruch) und Robin Christen (Handverletzung). Da wird eins deutlich: Die Rasta-Männer denken nicht daran, klein beizugeben gegen den großen Favoriten. Ihr Kampfgeist ist groß.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: