Basketball-Bundesliga:Kleine Nadelstiche, großer Schmerz

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Hoch überlegen: Albas Center Mitchell Watt kommt unbedrängt von seinem FC-Bayern-Gegenspieler Deon Thompson zum Korb. (Foto: Engler/nordphoto)

Alba Berlin bringt dem geschwächten FC Bayern München beim 90:74 die vierte Niederlage nacheinander bei und behauptet die Führung in der Bundesliga-Tabelle.

Von Joachim Mölter, Berlin/München

Es ist jedes Mal ein kleiner Nadelstich, der einer Basketball-Mannschaft aber besonders weh tut: Wenn der Gegner im Grunde keine Zeit mehr hat für einen vernünftigen Wurf, wenn er auch gar keine gute Position hat - und trotzdem trifft. So geschehen beim Bundesliga-Spitzenspiel am Sonntag zwischen Alba Berlin und dem FC Bayern München am Ende des ersten Viertels. Berlins Kapitän Alex King hatte einem angreifenden Münchner den Ball abgeluchst, in einer einzigen geschmeidigen Bewegung nahm er ihn auf, hob ihn aus der Hüfte, warf ihn aus dem Handgelenk, vor allem aber aus der eigenen Hälfte in Richtung Münchner Korb - durch den er dann sanft glitt zum 24:15. "Buzzer Beater" nennt man das im Fachjargon, wenn man der Pausensirene auf diese Weise mit einem Treffer zuvorkommt.

Nach zehn Minuten war das zwar zu früh, um die Münchner zu demoralisieren, aber es war doch eine bezeichnende Aktion: Alba Berlin gewann mühelos 90:74 (49:38), nahm damit ein klein wenig Revanche für die 2:3-Niederlage im letztjährigen Playoff-Halbfinale. Weil zur gleichen Zeit auch Meister Bamberg verlor (86:88 in Frankfurt) festigte Alba mit nun 16:0 Punkten seine Tabellenführung und hielt die Rivalen Bamberg (12:4) und München (10:6) auf Distanz. "Wir hätten diesen Sieg so sehr gebraucht . . .", seufzte der im Sommer von Berlin nach München gewechselte Spielmacher Alex Renfroe.

Diesmal kommen die Münchner nicht in Verlegenheit, eine Führung zu verspielen

Mit dem deutlichen Erfolg stürzte Alba den ungeliebten Erzrivalen jedenfalls in große Not. Denn für den war die Niederlage wettbewerbsübergreifend schon die vierte nacheinander in Bundesliga und Euroleague. Bei den drei vorangegangenen Misserfolgen hatten die Münchner den Sieg in den letzten Minuten aus der Hand gegeben - beim 99:101 bei Real Madrid, beim 69:74 bei den Frankfurt Skyliners, beim 79:90 zu Hause gegen Roter Stern Belgrad. Diesmal kamen sie erst gar nicht in die Verlegenheit, einen Vorsprung zu verspielen - sie lagen von Anfang an zurück: 0:8 nach drei Minuten, als FC-Bayern-Trainer Svetislav Pesic die erste Auszeit nahm, um sein Team neu zu ordnen.

Dabei hatte der Vorjahresfinalist gar nicht mehr so viel zu ordnen: Der zuletzt überragende Flügelspieler Dusko Savanovic war wegen Knieproblemen gar nicht dabei, Renfroe nahm wegen einer Hüftprellung zunächst auf der Bank Platz. Pesic hatte seine Anfangsformation deshalb gleich größer umgebaut, Anton Gavel mit der Spielgestaltung beauftragt und vor allem John Bryant auf die Center-Position geschoben; von dort rückte dafür Deon Thompson an Savanovics Stelle.

Die Münchner waren damit groß aufgestellt unter dem Korb, aber auch langsam und schwerfällig - die Berliner nutzten das und setzten ihre flinkeren Großen gewinnbringend in Korbnähe ein, sowohl in der Abwehr als auch im Angriff: Auf der einen Seite sammelten sie mehr Rebounds, auf der anderen mehr Punkte. Der 2,11-Meter-Center Elmedin Kikanovic (16 Punkte, zehn Rebounds) und der 2,08-Meter-Forward Kresimir Loncar (elf Punkte, sechs Rebounds) waren maßgeblich am Erfolg beteiligt; dazu kamen die 16 Punkte von Spielmacher Jordan Taylor. Auf Münchner Seite hielt nur K.C. Rivers mit 17 Zählern halbwegs dagegen; Nihad Djedovic (12) kam erst in der Schlussphase zur Geltung, als die Partie schon verloren war.

Dass die Berliner vor der Pause keinen höheren Vorsprung herausspielten als das 47:32 (19.) lag daran, dass sie einfache Punkte an der Freiwurflinie vergaben - und die Münchner zäh verteidigten und es den Alba-Angreifern nicht leicht machten. Näher als auf zehn Punkte kam der FC Bayern trotzdem nicht mehr heran. Im letzten Viertel erlahmte sein Widerstand, Alba kontrollierte die Partie - nach dem 70:53 (32.) waren die letzten Hoffnungen der Münchner Fans unter den 14 000 Zuschauern in der Berliner Arena wohl dahin; auch wenn Svetislav Pesic seine Akteure weiterhin antrieb und in Auszeiten instruierte.

"Es war ein verdienter Sieg für Alba. Sie haben von Anfang an viel mehr investiert und nie die Kontrolle über das Spiel verloren", resümierte Pesic nachher. "Dieser Sieg hat gezeigt, dass wir von Spiel zu Spiel besser werden. Ich bin sehr glücklich", sagte Alba-Trainer Sasa Obradovic. Verständlich: Dass er mit seinem neuformierten Team derart souverän in die Saison starten und so eine Siegesserie hinlegen würde, hatte ja niemand erwartet.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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