Basketball-Bundesliga:Die Drachen aus der Provinz

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Quakenbrück sorgt in den Playoffs für Furore. Nach Favorit Alba will die Mannschaft aus der niedersächsischen Kleinstadt nun auch Titelverteidiger Köln stürzen.

Lars Spannagel

Kann man eine Basketballmannschaft ernst nehmen, die aus einem Ort namens Quakenbrück kommt? Man kann nicht nur, man muss. Sonst ergeht es einem wie Alba Berlin: Die Favoriten auf die Deutsche Meisterschaft wurden von den Basketballern aus der niedersächsischen Kleinstadt in nur drei Spielen aus den Playoffs geworfen.

Quakenbrück (im Bild links: Lamont McIntosh) hat noch lange nicht genug davon, die Favoriten ein bisschen herumzuschubsen. (Foto: Foto: dpa)

Jetzt wollen die Artland Dragons - so nennt sich der Verein aus Quakenbrück - mehr. Am Donnerstagabend empfangen sie den Titelverteidiger RheinEnergie Köln im zweiten Spiel des Halbfinales.

Man könnte es den Spielern von Alba Berlin kaum verdenken, sollten sie die Artland Dragons unterschätzt haben. Quakenbrück hat rund 13.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Albas Max-Schmeling-Halle im Stadtteil Prenzlauer Berg passen knapp 9.000 Zuschauer. Albas Etat ist mit rund sechs Millionen Euro dreimal so hoch wie der der Dragons.

Während die deutsche Basketballszene staunte, wie locker Quakenbrück Berlin abfertigte, fühlte sich Artlands Trainer Chris Fleming bestätigt. "Wir haben uns schon gute Chancen gegen Alba ausgerechnet", sagt Fleming, "aber dass die Serie dann so schnell zu Ende war, hat uns doch überrascht."

Die Dragons hatten sich nach einer von zahlreichen Verletzungen geprägten regulären Saison als achtes Team in die Playoffs gerettet und trafen auf den Ersten Alba. Nach einem knappen Sieg in Berlin folgten zwei souveräne Erfolge, die Alba in die Krise stürzten. Zum ersten Mal seit 14 Jahren hatten die Berliner das Halbfinale verpasst. In Quakenbrück warteten Hunderte Fans bis spät in die Nacht auf die Mannschaft, der Ort wurde mit dem kleinen gallischen Dorf verglichen, aus dem der Zaubertrank kommt.

"Leute von außerhalb sehen Quakenbrück nur als Kleinstadt, wir arbeiten hier aber recht professionell", sagt Chris Fleming. Ihm ist es egal, dass Quakenbrück als "Entenhausen" verspottet wurde, als der Verein vor vier Jahren in die erste Liga aufstieg: "Die Größe einer Stadt sagt nichts darüber aus, wie dort gearbeitet wird."

Das soll jetzt auch der Meister aus Köln zu spüren bekommen. Die erste Halbfinalbegegnung gewannen allerdings die Kölner mit 83:70. Am Donnerstag wollen die Dragons wieder zu dem Spiel finden, das sie Alba schlagen ließ: aggressiv in der Verteidigung und beim Rebound, gute Trefferquote von der Dreipunktelinie. Gegen Berlin fanden unglaubliche 60 Prozent der Dreier ihr Ziel.

All das lässt an eine Basketballmannschaft denken, die ebenfalls in diesem Jahr für Furore sorgte: Die Golden State Warriors warfen als Achter die topgesetzten Dallas Mavericks in der NBA aus dem Rennen. "Unsere Spieler sind alle sehr Basketball-bewusst, das haben die schon mitbekommen", sagt Chris Fleming, "wir haben Golden State aber nie erwähnt." Die Warriors sollten auch nicht als Vorbild für die Artland Dragons dienen: Sie schieden in der zweiten Runde sang- und klanglos aus.

Vor dem Halbfinale gegen Köln hatte Quakenbrück mit einem ungewohnten Problem zu kämpfen. Während sie bereits ins Halbfinale eingezogen waren, mühte sich Köln in einer harten Serie noch gegen die Eisbären Bremerhaven ab. Keine einfache Situation für einen Trainer, wie Chris Fleming bestätigt: "Die Vorbereitung war nicht ganz leicht - der Gegner hatte kein Gesicht." Jetzt, da Köln in die Provinz reist, will das Dorf die Großen noch ein bisschen weiter ärgern.

Dafür arbeiten alle zusammen. Die rund 3.000 Zuschauer, die in die Artland Arena passen, werden in weißen T-Shirts kommen und wie eine Wand hinter ihrer Mannschaft stehen. Wer keine Karten mehr bekommen hat, kann das Spiel in Lokalen beim Public Viewing verfolgen. Die Geschäftsstelle des Vereins bemüht sich, jede Interviewanfrage prompt zu bearbeiten. Man müsse sich auch keine Sorge machen, dass sie verloren geht: "Wir sind hier ja nur drei Hansel." Glückliches Quakenbrück.

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