Basketball: Brose Bamberg:Wieder versöhnt

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Beim Alley oop wie eine Naturgewalt: Bambergs Cliff Alexander hatte als einer der besten Werder entscheidenden Anteil am Einzug des Basketball-Bundesligisten ins Pokalfinale gegen Berlin. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Bamberg zieht ins Pokalfinale ein, obwohl das Team Schwächen offenbart. Der neue Trainer erklärt den Sieg mit dem Enthusiasmus der Zuschauer.

Von Matthias Schmid

Cliff Alexander blieb mit seinen Händen noch länger am Ring hängen, als es normalerweise üblich ist. Er grimassierte und spielte hoch oben in der Luft mit dem Publikum, nachdem er im dritten Viertel zum 58:58 ausgeglichen hatte. Er genoss diesen Moment. Der Basketballer von Brose Bamberg hatte gerade den Ball aus er Luft gefangen und ihn in den Korb gestopft, wie eine Naturgewalt kam der 2,03 Meter und 111 Kilogramm schwere US-Amerikaner am Sonntagabend im Pokalhalbfinale gegen die Baskets Bonn in dieser Szene angeflogen. "Alley oop" nennt man diesen Wurf, er gehört zu den spektakulärsten Aktionen im Basketball. Der athletische Alexander hatte bisher selten Gelegenheit sich in den Vordergrund dunken zu können, er saß meistens auf der Bank, wenn es im Spiel eng wurde.

Seit Federico Perego vor ein paar Tagen nun den Bamberger Cheftrainerposten übernommen hat, ist das anders. Er vertraut dem 23-Jährigen aus Chicago, der in der amerikanischen Glitzerliga NBA in der Saison 2015/16 achtmal für die Portland Trail Blazers aufgelaufen ist. "Cliff hat großes Potenzial, er muss es nur nutzen", fand der Italiener nach dem 90:87-Erfolg, in dem Alexander mit Spielmacher Tyrese Rice als bester Werfer 21 Punkte sammelte.

Mäzen Stoschek kann sich nicht verkneifen, gegen Rolf Beyer verbal nachzutreten

Das was Perego über Alexander kundtat, hätte der Italiener eigentlich gleich über die gesamte Bamberger Mannschaft sagen müssen. Der 34-Jährige soll bis zum Saisonende das Beste aus dem talentiertem Team herausholen. Der Sieg gegen Bonn war dabei der erste Schritt. Das Los will es nun so, dass die Bamberger am 17. Februar im Finale gegen Alba Berlin zuhause antreten dürfen. "Vor unseren Fans können wir jeden schlagen", ist Bambergs Nationalspieler Patrick Heckmann überzeugt.

Dass die Oberfranken über den sechsten Pokalsieg in der Vereinshistorie nachdenken dürfen, hat natürlich mit dem Trainerwechsel zu tun. Nicht nur Alexander wirkte wie von einer Last befreit, auch Spieler wie Rice, Nikos Zisis und Ricky Hickman traten sie so auf, als hätte jemand ihnen ein Korsett abgenommen, das sie in der Offensive bisher stark eingeschränkt hatte. "Der Coach legt mehr Wert auf Kleinigkeiten, die für uns sehr wichtig sind", erläuterte Heckmann, "das harte Spiel und die Energie haben wir ein bisschen vernachlässigt. Das müssen wir nun beibehalten."

Außerdem hat Perego schon versucht, wieder einige Plays, also Angriffssysteme, einzuführen, die sie schon unter Andrea Trinchieri stark gemacht hatten. Perego ist ein Schüler des Erfolgstrainers und Landsmannes, mit dem Bamberg vier Titel in dreieinhalb Jahren gewinnen konnte. "Ohne System geht es nicht", stellte Michael Stoschek klar. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Klubs erklärte in der Pause den Trainerwechsel und die Idee, Perego zum neuen Cheftrainer zu befördern. "Er war ja beim alten Trainer dabei", fügte Stoschek hinzu. Trinchieri ließ bisweilen 65 verschiedene Systeme in Angriff und Verteidigung spielen, er war ein Taktiktüftler, ein Freak, der sich 24 Stunden damit beschäftigte, wie er den modernen Basketball noch weiter modernisieren konnte. In seinem letzten Jahr überforderte er seine Spieler mit seinem akademischen Überbau, aber ganz ohne geht es natürlich auch nicht. "Das haben wir auch die Spieler bestätigt", sagte Stoschek. Erschwerend kamen trainingswissenschaftliche Fehler von dem bisherigen Coach Ainars Bagatskis hinzu. "Wir haben Konditionsprobleme", hat Stoschek festgestellt, "die Spieler müssen fitter sein, um 40 Minuten durchstehen zu können."

Gegen Bonn machte den Bambergern aber zunächst die Verteidigung zu schaffen - ein Problem, dass die Mannschaft schon die ganze Saison über begleitet. Immer wieder kommen die Gegner zu offenen Würfen, weil ein Spieler in den Sekundenschlaf fällt. "Vor allem unsere Pick-and-Roll-Defense war schrecklich", bemängelte Perego. "Aber wir können die Dinge nicht in einem Tag verändern." Dass sie den 14-Punkte-Rückstand (31:45) in der zweiten Hälfte des Halbfinales noch aufholten, begründete er mit dem Enthusiasmus der Zuschauer und der Leidenschaft seiner Spieler: "Jeder hat jedem geholfen." Die Bamberger rannten, hechteten nach den Bällen und trafen die wichtigen Würfe, sodass das zuletzt enttäuschte Publikum am Ende wieder mit ihnen versöhnt war.

Nur Stoschek war noch nicht ganz besänftigt und konnte sich nicht verkneifen, gegen den früheren Geschäftsführer Rolf Beyer verbal nachzutreten, der die Trinchieri-Jahre mitgeprägt hatte. Sein Nachfolger Arne Dirks, sagte der Unternehmer, "kann nicht alle Probleme lösen, die sein Vorgänger in den vier Jahren hinterlassen hat." Stoschek missfällt vor allem die Arbeit des Sportdirektors Ginas Rutkauskas. Der Litauer, der noch einen Vertrag bis Sommer 2020 besitzt, hat sich bei der Spielerakquise schon mehrfach vertan. Nikos Zisis wird häufiger als Kandidat genannt, der diesen Job übernehmen könnte. Doch der Grieche will noch ein weiteres Jahr als Spieler dranhängen. Am liebsten in Bamberg. Ob es so kommt, werden die nächsten Wochen entscheiden. In jedem Fall war Zisis am Sonntag der erste Bamberger, der den Inhalt seiner Wasserflasche über den Kopf des Trainers geleert hatte. Es war eine Art Taufe. Perego reagiert mit feiner Ironie: "Ich wusste gar nicht, dass ich so gestunken habe."

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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