Ballacks neuer Verein?:Mourinho sucht nach Kopfbällen

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Im System des FC Chelsea wäre ein Spielertyp wie Michael Ballack leicht zu integrieren. Und die Trainingstätten hat der Mittelfeldspieler zumindest schon mal besichtigt.

Raphael Honigstein

Cobham ist ein liebliches Plätzchen. Grün und luftig ist es dort. Holzbrücken verzieren das Flüsschen Mole, das unweit in die Themse mündet. Die betuchten Menschen, die dort wohnen - Banker, Industrielle, Adlige - haben wenig Sorgen.

Das einzige Problem ist, dass sich die absurden Immobilienpreise vor zwei Jahren noch einmal verdoppelt haben. Roman Abramowitsch hat nämlich auf einer Wiese schräg gegenüber des gemütlichen Plough Pub das gut 80 Millionen teure Trainingszentrum des FC Chelsea hinsetzen lassen. Die Fußballer mögen keine langen Anfahrtswege, sie schätzen die Ruhe.

Wer lügt?

Knapp die Hälfte des Chelsea-Kaders hat sich in Cobham ein Häuschen gekauft. Die Makler hat es gefreut. Nirgendwo auf der Insel ist heute Wohnen teurer. Die Hausse wird weitergehen, so lange in Sibirien, der Heimat von Chelsea-Eigner Abramowitsch, Öl sprudelt.

Michael Ballack, 29, dem Vernehmen nach ein künftiger Empfänger vieler Petrogelder, wurde zwar noch nicht bei der Wohnungssuche gesichtet, soll sich aber kürzlich am Ort von der modernen Trainingsstätte der Blues überzeugt haben - wenn man der üblicherweise sehr gut informiertem Daily Mail glauben darf.

Der Noch-Münchner hatte am Dienstag in Florenz erklärt, er sei nicht in London gewesen. Wer lügt? Möglicherweise niemand. Cobham liegt 20km südwestlich von der Hauptstadt im Landkreis Surrey. Man ist stolz darauf, eine selbstständige Gemeinde zu sein, also: keine Londoner Vorstadt. Wie dem auch sei - dass beide Seiten in ernsthaften Verhandlungen stecken, wird nicht ernsthaft bestritten.

Und José Mourinho scheint an Ballack einen Narren gefressen zu haben. Am Dienstag berichteten die Mail von den taktischen Überlegungen des Trainers, an Aufgaben im Chelsea-System fehlt es nicht. Der Einwand, in Frank Lampard stehe bereits ein englischer Ballack im Team, hält keiner taktischen Prüfung stand.

Chelsea spielt mit drei defensiven Mittelfeldspielern. Claude Makelele ist der eiserne Herrscher vor dem Strafraum, Lampard spielt links versetzt vor ihm. Halbrechts durfte vorwiegend Michael Essien starten, zuletzt vertrat ihn der gelernte Stürmer Eidur Gudjohnsen, der die Rolle offensiver interpretiert. Unverzichtbar ist keiner von beiden. Ballack könnte problemlos dort spielen, er müsste sich nur mit Lampard absprechen, damit Makelele nicht alleine hinten bleiben muss.

Der eben erst für 36 Millionen Euro von Olympique Lyon verpflichtete Essien müsste sich deswegen keine größere Sorgen machen; Mourinho will ihn künftig auf der zentralen defensiven Position bevorzugen. Makelele ist 32, seine Kraft nimmt langsam ab.

Entgegen der landläufigen Meinung könnte besonders der famose Lampard profitieren. Der englische Nationalspieler hat dank seiner unglaublichen Ausdauer in vier Jahren bei Chelsea nur ein einziges Ligaspiel verpasst, zuletzt wirkte er aber ein wenig überspielt. Mit Ballack in der Mannschaft würde sich Mourinho erheblich leichter tun, Magic Lamps die notwendigen Pausen zu gönnen.

Keine Extrawurst beim Gehalt

Am meisten soll der portugiesische Coach aber von Ballacks Kopfbällen begeistert sein. Chelsea erzielt nach seinem Geschmack viel zu wenig Kopfballtore, hier hakt das System. Mourinho hat im Mittelfeld einen Mangel an groß gewachsenen Spielern ausgemacht, Ballack, 1,89m, könnte ihn beheben. Als seine Scouts ihm die überragende Kopfballtorstatistik vorlegten, soll Mourinho sich endgültig entschieden haben.

Geld wäre kein Problem, ist es ja nie bei Chelsea. In dem von der Mail kolportierten Jahresgehalt von 9,2 Millionen Euro ist übrigens ein üppiges Handgeld mitgerechnet. Der englische Meister, im letzten Geschäftsjahr mit 210 Millionen Euro Verlust, will bis 2009 profitabel sein und möchte nicht die Begehrlichkeiten der bisherigen Spitzenverdiener John Terry und Lampard wecken.

Alle drei werden deswegen nominell das Gleiche verdienen, um die 7,6 Mio. Euro brutto. So wird der Friede in der Kabine nicht gestört. Für ein Häuschen in Cobham dürfte es für Ballack gerade noch reichen.

© SZ vom 03.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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