Ballack und Chelsea:23 statt 25

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Eine Verletzung? Ballack vor dem Aus? Zu wenig englische Spieler im Kader? Die Ballack-Ausmusterung des FC Chelsea bleibt rätselhaft.

Raphael Honigstein

Der Fernsehsender Sky Sports News zeigte am Dienstagmorgen Michael Ballack mit gepackten Koffern am Flughafen Heathrow, der Moderator trug dazu die Zeile "Ballack vor dem Aus?'' vor. Die Aufnahmen stammten zwar von Ballacks Ankunft in London im Mai 2006, doch an solchen Details stört sich auf der Insel niemand. Denn die Geschichte von der Ausmusterung des Deutschen für die Champions League ist so sensationell, dass selbst die gravierenden Probleme von Englands Nationalelf keinen Platz auf den ersten Seiten der Sportteile fanden.

"Wir können bestätigen, dass Michael Ballack nicht im Kader für die Champions-League-Gruppenphase steht'', hatte der FC Chelsea am Montagabend verkündet: ,,Leider konnten wir zum Zeitpunkt der Nominierung nicht garantieren, dass er für die Mehrheit der Gruppenspiele zur Verfügung steht.'' Dass der 30-Jährige wirklich nur auf Grund einer nicht ausgeheilten Knöchelverletzung gestrichen wurde, fällt schwer zu glauben. In der Geschichte des Wettbewerbs ist dies ein einmaliger Vorgang: Kein Spitzenspieler, der noch eine reelle Chance für einen Einsatz im laufenden Wettbewerb hatte, wurde je von seinem Verein vorab gestrichen. Die Entscheidung erscheint aberwitzig.

Schnell machte in London das Gerücht die Runde, der FC Chelsea wolle in Wahrheit nur einen Wechsel von Ballack in der nächsten Transferperiode, im Januar, forcieren - der ehemalige Bayern-Profi wäre ohne Champions-League-Einsatz bei einem anderen Klub für den weiteren Wettbewerb spielberechtigt, ein Wechsel deshalb lukrativer. Einer genaueren Betrachtung hält diese These jedoch nicht stand. Chelsea wäre der erste Verein, der einen Spieler vorsätzlich krankschreibt, um ihn dann zu verkaufen - keine clevere Maßnahme, um einen guten Preis zu erzielen. Zudem ist laut Statut nicht etwa die Nominierung, sondern nur der tatsächliche Spieleinsatz entscheidend.

Der Verein von Trainer José Mourinho hätte Ballack also am Montag ganz normal im Kader aufführen können. Falls wirklich ein Wechsel im Winter vorbereitet wird, hätte man ihn - nach seiner Rückkehr in den Spielbetrieb - auch den üblichen Argumenten ("taktische Gründe'') auf die Bank setzen können, erst wer den Rasen betritt, gilt als eingesetzt. Zur Not hätte es auch eine Muskelzerrung kurz vor Spielbeginn oder eine mysteriöse Rückenverletzung getan. Die Kollegen Khalid Boulahrouz (damals HSV) und Rafael van der Vaart (heute HSV) haben es vorgemacht: Wenn man absichtlich Europapokalspiele verpassen will, gibt es Methoden.

Ein wenig Licht

So aber bleibt die Fahndung nach den Motiven. Will Mourinho den wegen zahlreicher Irritationen um seine Knöcheloperation in Ungnade gefallenen Ballack aus dem Verein drängen? Dem impulsiven Mourinho ist vieles zuzutrauen, doch auch wenn Ballack erst im November zurückkäme, hätte man ihn wenigstens noch für das letzte Gruppenspiel gegen den FCValencia am 11. Dezember brauchen können (weitere Gruppengegner sind Schalke und Rosenborg Trondheim).

Ein wenig Licht in die Angelegenheit kommt, untersucht man Chelseas Presseerklärung vom Montag eingehender. Der Verein hatte unter seinem Champions-League-Kader auch die komplizierten Regularien der Uefa abgedruckt; man wollte offenbar einen versteckten Hinweis geben, warum anstatt der 25 erlaubten Spieler nur 23 nominiert worden sind. Tatsache ist, dass sich die Londoner durch einen groben Planungsfehler in eine missliche Lage gebracht haben: Der Klub kann die Uefa-Auflagen zum Schutz der sogenannten "local player'' nicht erfüllen.

Vorgeschrieben ist, dass mindestens drei von 25 gemeldeten Spielern im Verband des Vereins (also in England) und mindestens drei weitere im Verein (also bei Chelsea) ausgebildet sein müssen. Chelsea hat in Kapitän John Terry jedoch nur einen im Verein ausgebildeten Profi im Kader. Sogar der dritte Torwartposten ist mit einem Ausländer, dem Portugiesen Hilario, besetzt. Gemäß Statut müssen deshalb zwei Plätze auf der Liste frei bleiben.

Die Blues dürften von den 32 in der Champions League startenden Teams das einzige sein, das es nicht geschafft hat, einen vollständigen Kader zu benennen. Man geht in Unterzahl ins Rennen. Dieser Fehler wurde nicht direkt zugegeben. Unergründlich bleibt dennoch Mourinhos Entschluss, vier rechte Verteidiger und den verletzten Linksverteidiger Wayne Bridge zu nominieren, Ballack aber außen vor zu lassen. Administrative Probleme allein können nicht erklären, warum Ballack in der Teamhierarchie so weit gefallen ist. Beantworten können das nur die Chefs von Chelsea. Und da braucht man sich keine Hoffnung auf eine schnelle Aufklärung zu machen.

© SZ vom 5.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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