Australian Open:Keine Schmerzen!

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Zwei Einheimische begeistern bei den Australian Open.

Alexander Hofmann

Melbourne - Erst am Mittwoch, wenn der Ankunft der First Fleet unter Kapitän Arthur Philip in Sydney gedacht wird, ist offiziell Australia Day: jener Tag, der den Beginn der europäischen Besiedlung des fünften Kontinents bedeutete.

In diesem Jahr wurde schon zwei Tage vorher gefeiert - selbst wenn keine Segelschiffe ankamen, das bedeutende Ereignis in Melbourne stattfand und sich auf einem Tennisplatz ereignete.

Zweimal 15000 Zuschauer bejubelten bei den Australian Open den Einzug von Lleyton Hewitt und Alicia Molik ins Viertelfinale, die sich jeweils in sehenswerten Partien durchsetzten.

Hewitt gewann 7:5, 3:6, 1:6, 7:6 (3), 6:2 gegen den aufstrebenden Spanier Rafael Nadal, Molik schaltete die etablierte Venus Williams 7:5, 7:6 (3) aus.

Damit können die sportvernarrten Australier weiter darauf hoffen, endlich wieder einmal einen der ihren als Sieger zu erleben. Ein großer Teil der 20 Millionen Einwohner des Landes war nämlich noch nicht einmal geboren, als zum bisher letzen Mal ein Australier in Melbourne die Hand auf die Trophäe legen durfte.

1978 siegte eine gewisse Chris O'Neil, und als Lleyton Hewitt 1981 geboren wurde, war es schon fünf Jahre her, dass ein Männer-Titel nicht von einem Ausländer mitgenommen wurde.

1976 schlug der bullige Mark Edmondson überraschend seinen berühmten Landsmann John Newcombe und ist deshalb noch heute ein gesuchter Interviewpartner. Auf die stets gestellte Frage, wer denn wohl sein Nachfolger werden könnte, wartete er je nach Lage der Dinge seit mehr als einem Vierteljahrhundert stets mit anderen Namen auf.

Pat Cash war ein Kandidat, er scheiterte 1988 im ersten Jahr im Melbourne Park immerhin erst im Endspiel (gegen Mats Wilander), nachdem er im Jahr zuvor beim Abschied vom Rasen im vornehmen Stadtteil Kooyong ebenfalls das Finale erreicht, aber gegen einen anderen Schweden (Stefan Edberg) verloren hatte.

Australiens erklärter Tennisliebling Patrick Rafter war vor vier Jahren als letzter Einheimischer in die Runde der letzten Vier vorgestoßen. Warum ausgerechnet zu Hause fast schon seit Menschengedenken die Siege so dünn gesät sind, sorgt in Australien für lebhafte Diskussionen.

Hewitt macht den Belag mitverantwortlich, der zu langsam sei und dem Spiel seiner Landsleute nun gar nicht entgegenkäme. Nach dem Match gegen Nadal legte er noch einmal nach und sagte, zumindest sollten die Australier zu Hause wenigstens keinen Nachteil haben.

Sein Spiel gegen den 18-jährigen Spanier führte er gleich zum Beweis an, auf diesem Boden sei es fast unmöglich, die nötige Geschwindigkeit zu produzieren. Nadal gelang dies merkwürdigerweise gleich serienweise, vor allem mit seiner starken Vorhand.

Hewitt widerlegte sich außerdem selbst mit 18 Asse, die ihn mehrmals aus bedrohlichen Situationen retteten. Viele Beobachter vermuten, dass der Wimbledon- und US-Open-Sieger sich einfach an irgendetwas reiben muss, um den nötigen Erregungszustand zum Siegen hervorzurufen.

Beim Erfolg gegen Nadal klappte es offenbar, obwohl nach dem kläglich abgegebenen dritten Satz kaum noch ein Zuschauer mit Hewitt gerechnet hatte. Doch dann startete er zu einer seiner von seinen Kollegen gefürchteten Aufholjagden.

Wie wild entschlossen Hewitt war, nach drei vergeblichen Anläufen im Achtelfinale endlich in die Runde der letzten Acht vorzustoßen, bewies er, indem er sich zusätzlich noch selbst mit der Aufforderung "No Pain!" (kein Schmerz) bedachte, um die Pein im gestressten rechten Oberschenkelmuskel zu bekämpfen.

"Selbst wenn das Bein abgefallen wäre..."

Nachher verkündete Hewitt grimmig: "Selbst wenn das Bein abgefallen wäre, hätte ich weitergemacht."

Das Tagesprogramm hatte sich nicht zuletzt durch das fast vier Stunden lange Hewitt-Match so lang hingezogen, dass Molik und Williams erst kurz nach halb neun am Abend begannen, als die Besucher mit Tageskarten die Arena zugunsten der Nachtschichtler widerwillig ihre Plätze geräumt hatten.

Das Warten lohnte sich, Molik und die ältere der Williams-Schwestern boten ein hochklassiges Match, auch wenn die Verliererin hinterher säuerlich meinte, sie hätte "auf jeden Fall" gewinnen müssen und zur Verblüffung aller erklärte, wenn sie gut spiele, sei sie immer noch die Beste.

Eine erstaunliche Aussage einer Spielerin, die seit 2001 kein großes Turnier mehr gewonnen hat. Molik dagegen steht erstmals Mal in der Runde der letzten Acht und hat jetzt zwölf Matches in Serie gewonnen.

Die Spätstarterin hat sich erst im vergangenen Jahr in die erweiterte Weltklasse vorgekämpft und einen besonderen Anreiz, im Viertelfinale am Australia Day gegen Lindsay Davenport zu siegen: Das Halbfinale einen Tag später findet an ihrem 24. Geburtstag statt. Die Feiertage in Australien scheinen kein Ende zu nehmen.

© SZ vom 25.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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