Augsburg rettet sich:0:0 gewonnen

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Nicht wie ein Absteiger zu spielen, um kein Absteiger zu sein: Der FC Augsburg freut sich nach einem starken Auftritt gegen Hoffenheim über den Klassenverbleib - und über neue Charakterstärke.

Von Markus Schäflein, Augsburg

Es begann die Nachspielzeit, da fing Manuel Baum an der Seitenlinie noch einmal an zu brüllen, zu klatschen und wild umherzuspringen. Der Hamburger SV hatte soeben doch noch das 2:1 gegen Wolfsburg erzielt. Und als Baum davon erfuhr, kam dem Trainer des FC Augsburg wohl das alte Sprichwort in den Sinn, dass im Fußball alles passieren kann.

Hätte seine Mannschaft in der Schlussphase noch das Torverhältnis um drei Treffer verhunzt, hätte die Konstellation den Relegationsplatz bedeutet. Also hieß es weiter, immer weiter, für den FCA, für den Martin Hinteregger soeben einen Kopfball von Ermin Bicakcic auf der Linie geklärt hatte (87.), um das 0:0 zu retten. Drei Minuten später war Schluss - der Jubel des Augsburger Fanblocks hallte durchs Stadion der Hoffenheimer, die doch eigentlich selbst eine Feier angesetzt hatten, sich über ihren vierten Rang und die Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation letztlich aber weniger freuten als die Augsburger über ihren Klassenverbleib.

Die Schwaben zeigten den Fans ein Plakat mit der Aufschrift "Danke, ihr seid erstklassig" und zogen sich ihre T-Shirts mit dem Schriftzug "Augsburg feiert zusammen" über. Trainer Baum war bei seinen ersten Interviews noch in jenem Tunnel, der sich in der 90. Minute noch einmal verlängert hatte. "Es ist schwierig, direkt danach, mit den Emotionen", sagte er, "da weiß man noch nicht so recht, wo sie hingehören. Aber ich habe jetzt dieses Oberteil an." Das Oberteil zeigte ihm, dass es geschafft war. "Am Ende sind die Beine schwer geworden", sagte Baum, "Hoffenheim ist immer stärker geworden und wir immer platter, aber wir haben es geschafft."

"Das 0:0 fühlt sich wie ein Sieg an", sagt Torwart Andreas Luthe

Das reine Verteidigen, wie es in der Schlussphase nötig wurde, war nicht der Plan der Augsburger gewesen. Die Idee war, nicht wie ein Absteiger zu spielen, um kein Absteiger zu sein. Angesichts der Tabellenkonstellation mit Blick aufs Torverhältnis ging es für den FCA darum, die Hoffenheimer Tormaschinerie nicht in Gang kommen zu lassen - schließlich brauchten die Gastgeber im Fernduell mit Dortmund um Rang drei ja mutmaßlich einen hohen Sieg.

Die Augsburger schafften dies, indem sie konzentriert verteidigten, aber auch die Hoffenheimer Einladungen zu Kontern konsequent nutzten. Philipp Max hatte in der ersten Hälfte sogar mehrfach die Gelegenheit zur Führung, nach dem Seitenwechsel klärte 1899-Torhüter Oliver Baumann einen Schuss von Jonathan Schmid aus spitzem Winkel (49.).

"Die erste Halbzeit war schlecht, da haben wir uns nicht an den Plan gehalten, haben gefühlt 17 Bälle Dominik Kohr in die Füße gespielt, hatten ein unterirdisches Gegenpressing", erklärte Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann - so ging seine Taktik mit vier Stürmern nicht auf. Die Augsburger mussten sich über das Halbzeit-0:0 fast grämen. "Wenn man hier zu Null spielt, kann man auch gewinnen", stellte FCA-Torwart Andreas Luthe fest, der so lange den braven Ersatzmann gegeben hatte und nun in den letzten beiden Spielen gegen Dortmund (1:1) und in Hoffenheim am Klassenverbleib mitarbeiten durfte. "Aber ich will jetzt nicht mäkeln, auch das 0:0 fühlt sich wie ein Sieg an."

Halil Altintop bekommt ein Sonderlob

Nach der Schlussphase durfte man das auf jeden Fall behaupten. Andrej Kramaric setzte den Ball aus 18 Metern an den linken Pfosten (69.), Nadiem Amiri (69., 71.) scheiterte zwei Mal an Luthe. Und traf dann aus 20 Metern erneut den linken Pfosten (80.). Und dann rettete Hinteregger auf der Linie, so dass Baum feststellen durfte: "Ein bisschen Glück gehört auch dazu." Luthe erklärte, woher das Glück kam: "Diese Mannschaft ist vom Charakter her unfassbar gut zusammengestellt", meinte der Torhüter, "vor fünf, sechs Wochen war die Stimmung am Boden, aber wir waren intakt mit Charakteren, die anpacken."

Vor allem der 34-jährige Mittelfeldspieler Halil Altintop habe das Team "da rausgezogen und uns den Arsch gerettet", sagte er, "für mich ist es eine Ehre, mit ihm zusammenzuspielen." Und auch Luthe, der im Sommer vom VfL Bochum gekommen war und dort 15 Jahre gespielt hat, durfte auf der Zielgeraden seinen Teil beitragen. "Wir haben es von innen heraus geschafft", meinte er, "von außen hilft dir keiner." Auf andere Ergebnisse braucht man sich am letzten Spieltag jedenfalls nicht verlassen.

© SZ vom 21.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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