Athen:Der Trend zur Träne

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Am Ende standen sie mit leeren Händen da - zumindest was ihre Ambitionen auf Gold betraf. Die US-Leichtathleten Maurice Greene und Marion Jones verlassen Athen ohne das begehrte Edelmetall.

In Gedanken hatte Maurice Greene seine Kollegen wahrscheinlich gerade in ein Staffeltrainingslager nach Sibirien verschifft, so sauer war er, dass sie ihm die Chance vermasselt hatten, Gold über 4x100 Meter zu gewinnen. Aber er mäßigte sich. Er wusste, dass er lächeln musste und etwas sagen, das nicht nach Verwünschung klang.

Trübe Aussichten in Athen: Kein Gold, kein Silber und kein Bronze für Marion Jones. (Foto: Foto: dpa)

"Wenn es bei einem falsch läuft, läuft es gleich bei allen falsch", sagte er. Ein bisschen klang das aber doch nach Verwünschung, zumal er hinzufügte: "Ich bin froh, dass wir durchgekommen sind." Seine Laune wurde nicht besser, als er feststellte, dass der Rest des Teams weiter gut drauf war. Startläufer Shawn Crawford sagte: "Ich kann nicht zu enttäuscht sein." Natürlich nicht, er hatte ja die 200 Meter gewonnen. Justin Gatlin, Greenes Nachfolger über 100 Meter, berichtete, wie er Coby Miller beim Wechsel auf den Fuß gestiegen sei ("Der hat jetzt ein Loch im Schuh").

Und nachdem Miller bestätigte, dass er bei dem Lärm im Stadion die Kommandos kaum verstanden habe, verbeugte er sich demütig vor den anderen. "Es ist ein Segen und eine Ehre ..." Greene kochte.

Greene hatte sich als Schlussläufer größte Mühe gegeben, den Briten Mark Lewis-Francis abzufangen - vergeblich, wenn auch knapp. Jetzt wird er erst mal Urlaub machen und dann versuchen, sich zu rehabilitieren. Denn das war nicht nach seinem Geschmack, was diese Spiele für ihn abgeworfen hatten: Einmal Silber in der Staffel, einmal Bronze im Einzel waren zu wenig. Zumal er bei Olympia 2000 in Sydney noch zweimal Gold gewonnen hatte.

Sydney ist lange her, vier Jahre. Oder noch länger?

Marion Jones muss es so vorkommen, denn zwischen damals und heute klafft ein himmelweiter Unterschied. Drei Mal Gold und zwei Mal Bronze hat sie 2000 gewonnen, diesmal: kein Gold, kein Bronze und auch kein Silber. Im Weitsprung wurde sie Fünfte, in der Staffel brachte sie den Stab trotz viel Geschrei nicht an Lauryn Williams weiter, die sogleich alle Schuld auf sich nahm.

Die wildesten Träume übertroffen

Der einzige Vorteil bei dieser Lösung: So kann Marion Jones keine Athen-Medaille abgenommen werden, falls sie in der Doping-Affäre um den Nahrungsergänzungshersteller Balco angeklagt wird. Marion Jones erklärte: "Ich habe meine wildesten Träume übertroffen - in einem negativen Sinn." Dann gehorchte sie dem Trend zur Träne.

Aber nicht alle waren unglücklich. Die Briten bejubelten das Gold ihrer Männerstaffel, und Darren Campbell freute sich besonders. Der war zuletzt in einem Nachtklub mit 200- und 400-Meter-Weltrekordler Michael Johnson aneinandergeraten, weil der Amerikaner im Fernsehen gesagt hatte, Campbell habe die Verletzung simuliert, wegen der er über 200 Meter ausgeschieden war. Das störte Campbell: "Das habe ich nicht verdient, schon gar nicht von einer Person, die in unserem Land gar keine Steuern zahlt."

© SZ vom 30.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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