Asienreisen der Fußballklubs:Lasst uns Freunde sein

Lesezeit: 3 min

Real Madrid vernichtet in Asien gerade seinen Marktwert - der FC Bayern will es besser machen, auch im Dienst der Bundesliga.

Von Philipp Selldorf

Wenn die Spieler des FC Bayern am Mittwochabend (Ortszeit) in Tokio landen, dann mögen sie in der Erwartung des gedrängten Programms der nächsten vier Tage zwar gewohnheitsmäßig stöhnen über die Zumutungen ihres Berufes. Im Vergleich mit ihren Kollegen von Real Madrid und Manchester United aber dürfen sie sich glücklich schätzen.

Trübe Truppe: die Stars von Real Madrid wurden gegen Tokio Verdi demontiert. (Foto: Foto: AFP)

Während Manchester zu einer 11-Tage-Reise nach Hongkong, Japan und China gestartet ist, dauert die globale Tingeltour von Real Madrid schon eine knappe Woche und endet erst am kommenden Dienstag mit einem Spiel in Macao. Nach Aufenthalten in Los Angeles und Peking befindet sich der Wanderzirkus aus Spanien derzeit in Tokio, und mittlerweile klingen die Reiseberichte der Stars nurmehr wie Klagelieder.

Am Montag wurde die Mannschaft vom Tabellenvorletzten der J-League Tokio Verdi demontiert, David Beckham wurde von seinem Gegenspieler bespuckt, und beinahe hätte es eine Massenkeilerei gegeben - insgesamt war es also alles andere als ein königlicher Auftritt, und die Kritik der japanischen Presse nahm folgerichtig englische Ausmaße an.

Die offensichtliche Lustlosigkeit der Gäste wird als Kränkung empfunden. "Wir sind nach Japan gekommen, um die Herzen der Menschen zu gewinnen, aber das ist schwierig, wenn man so viel reisen muss und so viele offizielle Termine hat", bat Angreifer Ronaldo um Verständnis. Eigentlich hätte aber auch ein einziges Wort genügt: Heimweh!

Buhrufe in Peking

Der bereits in Tokio weilende Asien-Botschafter des FC Bayern kann hingegen nicht leugnen, dass ihm die Verrisse der örtlichen Presse Vergnügen bereiten.

"Real Madrid ist hier gerade im Begriff, seinen Marktwert zu vernichten", sagt Martin Hägele, seit einem Vierteljahr Beauftragter für das Asiengeschäft der Münchner und seit vielen Jahren mit der japanischen Mentalität vertraut.

Finanziell hat sich die Weltreise für Real fraglos wieder rentiert - es gibt 25 Millionen Dollar Gage -, aber das Ansehen des spanischen Nobelklubs in Fernost lässt offenkundig nach.

Lächeln ist oberstes Gebot

Auch in Peking wurden die desinteressiert kickenden Madrilenen mit Buhrufen verabschiedet, junge Frauen verließen weinend das Stadion, weil David Beckham nicht mitspielte. "Unser Ziel ist es, dass wir uns Japan anders nähern, als es Real Madrid macht", erklärt Hägele.

Deswegen ist Lächeln oberstes Gebot für die Bayern: "Wir wollen als Freunde kommen, und wenn sich die Mannschaft hier richtig präsentiert, dann hat der FC Bayern eine Riesenchance", glaubt Hägele. Spieler und Klubvertreter werden bei ihrem Besuch blaue und rote Bändchen verteilen, japanisch und deutsch bedruckt und mit der Aufschrift "Freundschaft".

Allerdings haben die Japaner derzeit beneidenswert viele Freunde in aller Welt. Die Erkenntnis, dass in Asien mit der Vermarktung des Fußballs viel Geld zu verdienen ist, hat zu lebhaftem Besuchsverkehr der Teams aus Europa und Südamerika geführt.

Derzeit gastieren in Tokio außer München, Madrid und Manchester auch die Boca Juniors aus Buenos Aires und der AC Florenz, am Wochenende gibt sich der FC Barcelona die Ehre.

Die Konkurrenz ist groß, und die Bayern haben noch viel nachzuholen. "Es gibt einen Imagenachteil, weil die Bundesliga im japanischen Fernsehen in den vergangenen Jahren kaum vorgekommen ist", sagt Hägele.

An der Verringerung dieses Defizits wollen die Bayern und die Bundesliga nun endlich arbeiten, nachdem alle Beteiligten jahrelang nur davon gesprochen haben. Der FC Bayern reist mit einer Delegation wie der Kanzler bei der Staatsvisite.

An Bord befinden sich Industrievertreter und Beamte des bayerischen Wirtschaftsministeriums, ein Gesandter der Deutschen Fußball Liga (DFL) sowie der Manager von Hannover 96, Ilja Kaenzig. Die DFL setzt einige Hoffnungen in die Reise, die sie zum Bestandteil ihrer Offensive im Auslandsgeschäft rechnet.

Bisher kann die Bundesliga nicht zufrieden sein mit den Erlösen ihrer Auslandsvermarktung. 15 Millionen Euro pro Jahr sind eine bescheidene Marge, erst recht im Verhältnis mit den anderen großen Ligen in Europa. "Wobei sich Auslandsvermarktung nicht auf bezahlte Freundschaftsspiele bezieht, sondern auf den Vorsatz, insgesamt die Nachfrage nach der Bundesliga zu erhöhen", wie DFL-Geschäftsführer Christian Seifert erklärt.

Zu dem Zweck hat die DFL eine Arbeitsgruppe eingerichtet und ein Stufenprogramm in die Wege geleitet, das in spätestens drei Jahren bessere Ergebnisse bringen soll. "Wir müssen wissen, dass wir uns in einem globalen Entertainmentwettbewerb befinden", meint Seifert, "und unser Marktanteil daran ist bisher zu gering."

Wenig Sex-Appeal

Allerdings muss die Bundesliga bei ihren Bemühungen jedesmal feststellen, dass ihr die Leitfiguren mit dem entsprechenden Sex-Appeal fehlen.

"Deshalb müssen wir bei unseren Aktivitäten mehr auf die Qualität setzen, denn wir haben keinen Ronaldinho und keinen Beckham", sagt Seifert. In Japan, wo - ähnlich wie in China - der Personenkult im Fußball mehr zählt als eine faszinierende Defensivstrategie, erfreuen sich immerhin auch Oliver Kahn und Michael Ballack einer stattlichen Popularität.

Wie sinnvoll also, dass die Münchner auch Ballacks Berater Michael Becker zu der Reise eingeladen haben. Bei ihrer Heimkehr wollen die Münchner Verantwortlichen außer zwei Millionen Euro Gage und der Gunst vieler neuer Freunde auch das Einverständnis von Ballack und Becker zu einem neuen Vier-Jahres-Vertrag mitbringen.

© SZ vom 27.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: