Andreas Klöden:Besonderes Kennzeichen: Unauffällig

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Trotz des Erfolgs von Andreas Klöden gerät die Zusammensetzung des T-Mobile-Teams in die Diskussion.

Von Andreas Burkert

Als Andreas Klöden am Samstagabend im Mannschaftsquartier eintraf, haben ihn die Hotelgäste mit Beifall begrüßt. Klöden bedankte sich mit einem schüchternen Lächeln für den Empfang, und dann ging er rauf ins Zimmer und bestellte sich Fruchtsalat und Dinkelbrot mit Mozzarella. Um den Freund von Jan Ullrich braucht sich wohl niemand sorgen, Klöden ist ein feingliedriges Leichtgewicht, bei 1,85 Metern bringt er nur 62 Kilo auf die Waage.

Es hat allerdings Zeiten gegeben, in denen man zweifelte, ob dieser schmächtige Mann wirklich dauerhaft am Hochleistungssport teilnehmen kann. "Ich habe mich ja lange selbst gefragt, ob ich es noch einmal schaffe", sagt Klöden, doch der Telekom-Rennstall von Walter Godefroot habe immer an ihn geglaubt. "Und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar."

Andreas Klöden zahlt das Vertrauen zurzeit mit Leistungen zurück, die man nicht mehr für möglich gehalten hatte. Rang vier belegt er vor den Alpen, und mit Platz drei und vier auf den Pyrenäenetappen hat er die Experten so sehr überzeugt, dass ihn zwölf der 20 Teamchefs auf der Tour auf dem Pariser Podium erwarten. Mit Ullrich rechnen nur noch drei, darunter Godefroot, der seinen Star noch vor Klöden auf Platz zwei tippt. Er muss das wohl tun und sagt: "Ich habe Jan noch im Hinterkopf."

"Ullrichs Bruder"

Dass die Magenta-Mannschaft überhaupt so lange auf Klöden zählte, muss man ihr anrechnen, denn der 29-jährige Sachse hat schlechte Jahre hinter sich. Zwei Bandscheibenvorfälle und ein bei der Tour 2003 erlittener Haarriss im Steißbein machten ihn zum Dauerpatienten. Dabei war er bereits als neue deutsche Hoffnung für große Rundfahrten vorgesehen; Frankreichs Sportbibel L'Equipe erkannte in Klöden sogar "Ullrichs Bruder", nachdem er die prestigeträchtige Etappenfahrt Paris-Nizza 2000 gewonnen hatte.

Es folgte kurz darauf der Sieg bei der Baskenland-Rundfahrt und in Sydney Bronze im Straßenrennen. Diese Erfolge haben Eindruck gemacht in der Szene, und der große Favorit Lance Armstrong wollte deshalb in den Pyrenäen nicht von einer sportlichen Sensation sprechen. Er sagte: "Klöden ist keine Überraschung, sondern ein Comeback."

Nur in den eigenen Reihen möchten sie noch nicht allzu viel Lob über Klöden verbreiten, was zum einen sicherlich daran liegt, das Ansehen des angeschlagenen Helden Ullrich nicht weiter beschädigen zu wollen. Von einem Tausch der Kapitänsrolle könne keine Rede sein, sagt Sportdirektor Mario Kummer, "es gibt keinen Wachwechsel, Klödi bleibt unser Joker". Allerdings sind vier Minuten Differenz zugunsten Klödens nicht gerade wenig, zumal der Deutsche Meister als guter Bergzeitfahrer gilt. Diese Disziplin steht am Mittwoch in Alpe d'Huez an, und danach, sagt Godefroot, "werden wir weiter sehen".

Seine gute Ausgangsposition hat sich Klöden einstweilen selbst zu erhalten, zumal Godefroot nach dem Drama um Ullrich in den Pyrenäen sogar wieder Interesse am Grünen Trikot zeigte. "Erik Zabel ist Zweiter, bisher hatte er gar keine Hilfe", sagte der Belgier, "da müssen wir jetzt mal genauer hinschauen". Und so arbeiteten die Kollegen in Nimes erstmals aufwändig für den Berliner, dem allerdings im Finale noch die Explosivität fehlt.

Das Wohl eines verdienten Sprinters und zwei mehr oder weniger aussichtsreiche Podiumsoptionen - vielleicht sind das doch etwas viele Zielobjekte für eine Mannschaft, die bislang eher unauffällig gefahren ist. Weil ihr das wegen der vielen Verletzungen (Aldag, Kessler) und Ausfälle (Winokurow, Savoldelli) nicht besser möglich war. Und weil die Einkaufspolitik sicher Gegenstand der Leistungsbewertung sein dürfte, zu der sich Godefroot spätestens nach Saisonende mit dem Sponsor verabreden wird.

Auch dem mit rund zwölf Millionen Euro engagierten Geldgeber wird aufgefallen sein, dass sich Fahrer wie der jetzt bei Gerolsteiner glänzende Österreicher Georg Totschnig, der Paris-Nizza-Sieger Jörg Jaksche und sogar der Amerikaner Bobby Julich (beide CSC) nach ihrem Abschied positiv entwickelt haben. Dagegen fehlt T-Mobile das Vertrauen in den Kletterer Cadel Evans, während der rätselhaft formschwache Kolumbianer Santiago Botero eben dies genießt. Godefroot bescheinigt Botero bislang zwar "gute Arbeit", doch beschränkt sie sich auf die Ebene, und das ist zumindest ein diskutables Betätigungsfeld für den Bergkönig der Tour 2000.

Botero war damals beim spanischen Kelme-Team beschäftigt, das von seinem früheren Profi Jésus Manzano des systematischen Epo-Dopings beschuldigt worden ist. Botero kennt dieses Gerede, ihm sei in der Obhut der umsichtigeren Deutschen die Kraft abhanden gekommen. "Ich bin nur ein Jahr mit Manzano gefahren", sagt er dazu, "ich denke, er will sich nur für den Rauswurf revanchieren."

Andreas Klöden wird bei T-Mobile bleiben, und vielleicht fahren sie spätestens in der Zeit nach Ullrich einmal mit ihm als Kapitän zur Tour. Klöden folgte Ullrich ehedem auch von Cottbus nach Merdingen und wohnt neuerdings ebenfalls am Schweizer Ufer des Bodensees. Forsche Ansprüche sind von ihm nicht zu erwarten, "wir sind so gut befreundet, ich glaube, dass Jan wirklich sehr stark ist und noch einmal angreift", sagt Klöden. Das Vertrauen in den eigenen Körper ist noch nicht grenzenlos.

© Süddeutsche Zeitung vom 20.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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